| # taz.de -- Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters: Nudelmessen für Pastafaris | |
| > „Religionen sollen Vereine werden“, fordert die kleine Kirche. Ein | |
| > Gericht hat entschieden, dass sie öffentlich nicht für Nudelmessen werben | |
| > darf. | |
| Bild: Die Erschaffung des Monsters, fast von Michelangelo | |
| Templin taz | „Nudeln von seinen nudligen Anhängseln, Bier von seinem | |
| Biervulkan“, sagt Bruder Spaghettus. Er ist heute Nudler und darf die Messe | |
| leiten. Spaghettus, der im richtigen Leben Rüdiger Weida heißt, trägt einen | |
| gelben Talar mit braunen Ärmeln und eine rosa Stola, an deren Enden je ein | |
| Nudelholz befestigt ist. Von der grauen Wand des Altarraums blickt das | |
| Spaghettimonster. In seinen Armen hält es Fleischbällchen. | |
| Bruder Spaghettus ist der Vertreter der Kirche des Fliegenden | |
| Spaghettimonsters Deutschland e. V. (KdFSM). Deren Anhänger, genannt | |
| Pastafaris, versammeln sich jeden Freitag um zehn Uhr im brandenburgischen | |
| Templin. Hier steht die weltweit einzige Kirche der jungen Religion. | |
| Für diesen Mittwoch erwartet Weida ein wichtiges Urteil. Das | |
| brandenburgische Oberlandesgericht soll entscheiden, ob die KdFSM | |
| öffentlich auf ihre Messe hinweisen darf. Früher hingen an den Templiner | |
| Ortszufahrten Infotafeln, die denen der christlichen Kirchen ähneln. | |
| „Nudelmesse Freitag 10 Uhr“ steht darauf. | |
| Auf politischen Druck entfernte das Landesstraßenbauamt die Schilder vor | |
| Jahren, seither hängen sie am Mast der Kommune, der auch die | |
| Städtepartnerschaften ausweist. Weida reichte Klage ein, verlor aber im | |
| April 2016 vor dem Landgericht Frankfurt (Oder). | |
| In der Templiner Kirche steht unterhalb des Monster-Graffitis der Altar, | |
| den eine braune Decke kleidet. Darauf liegen ein Schwert und ein Nudelholz, | |
| in denen Monsterunser und Glaubensbekenntnis eingeritzt sind. Neben ihnen | |
| brennen zwei rote Kerzen, ein Kelch, Behälter für Bier und Spaghetti liegen | |
| bereit. Unterhalb des Altars steht ein Bierregal, aus dem sich die | |
| Gläubigen ein Bier für das Abendmahl aussuchen können. An der Wand hängt | |
| das Bild des Pastafari-Papstes aus Italien. | |
| Bruder Spaghettus legt den Gläubigen ein Spaghetto in den Mund. Danach | |
| trinkt jeder einen Schluck Bier aus einem Kelch. Die Gläubigen verhaken | |
| ihre Daumen miteinander, die Handflächen zeigen zur Brust. „Ramen“, sagen | |
| sie im Chor und wackeln mit den Fingern. Nach fünfzehn Minuten beendet | |
| Bruder Spaghettus die Messe mit dem Monsterunser: „… denn dein ist die Soße | |
| und der Käse und die Fleischklößchen in Ewigkeit. Ramen.“ | |
| Was wirkt wie ein irrer Budenzauber, geht auf die Frage nach Religion und | |
| Wissenschaftlichkeit zurück. 2005 gründete in den USA der Physiker Bobby | |
| Henderson die KdFSM. Damals sollte in mehreren US-amerikanischen | |
| Schulbezirken der Kreationismus Teil des Biologieunterrichts werden. | |
| Henderson schrieb der Schulbehörde und forderte, dass auch seine | |
| Glaubenslehre im Unterricht vermittelt werden solle. Ihm sei nämlich das | |
| fliegende Spaghettimonster erschienen, welches die Welt erschaffen habe. | |
| Nach der Aktion fanden sich weltweit Sympathisanten. So verspricht ein | |
| Internetblog: Wer beweisen kann, dass Jesus nicht der Sohn des Fliegenden | |
| Spaghettimonsters ist, erhält eine Million Euro. Damit soll die | |
| Unmöglichkeit eines solchen Beweises deutlich werden. Die Pastafaris lehren | |
| nicht, dass Jesus der Sohn des Monsters ist. | |
| ## Keine Sonderrechte für Religionen | |
| Bruder Spaghettus alias Rüdiger Weida gefiel die Idee. „Wir wollen als | |
| Weltanschauungsgemeinschaft anerkannt werden, darum geht es“, erklärt der | |
| Rentner. Sollte das Oberlandesgericht das so sehen, dürften die Templiner | |
| KdFSM-Schilder bleiben. Bei einer weiteren Niederlage will Weida erneut | |
| Berufung einlegen. Dann ginge der Fall vor das Bundesverfassungsgericht. | |
| „Wir gehen so weit, wie es unsere Finanzen zulassen.“ Der Prozess in erster | |
| Instanz kostete 1.400 Euro. Weida startete im Internet einen Spendenaufruf | |
| und hatte die Summe innerhalb von zwei Wochen zusammen. | |
| Die Pastafaris wollen, dass Religionen als Vereine gelten und ihnen alle | |
| Sonderrechte aberkannt werden. Die Spaghetti-Anhänger lehnen Dogmen und | |
| Fundamentalismen streng ab. Feiertage und Reliquien haben die Pastafaris | |
| von anderen Religionen übernommen und für sich abgeändert. Das Lied „Ein | |
| feste Burg ist unser Gott“ von Martin Luther heißt bei ihnen „Ein bissfest | |
| Burg ist unser Gott“. Das Original habe Martin Nudler etwa fünfzehn Jahre | |
| vor Martin Luther geschrieben. | |
| Im Paradies erwarten die Pastafaris ein Biervulkan und eine Stripperfabrik. | |
| Vorparadiesische Zustände herrschen schon jetzt in Weidas Garten: Hier | |
| steht ein kleiner Hügel, auf dem Pastafaris zu besonderen Anlässen eine | |
| Kiste Bier aufstellen. Die Stripperfabrik ist der Naturbadeteich. In | |
| Deutschland ist die KdFSM ein eingetragener Verein. In Templin gibt es fünf | |
| Mitglieder, bundesweit sind es circa 300. Weida meint, es gebe deutlich | |
| mehr, nur seien diese nicht Mitglied im Verein. | |
| ## Der Besucherrekord für eine Messe liegt bei 13 Personen | |
| Unter ihnen ist auch Bernhard Müller. Der 51-Jährige machte sich am Freitag | |
| um sechs Uhr morgens von Berlin auf den Weg, fuhr nach Templin und lief | |
| über eine Stunde vom Bahnhof zum Gotteshaus, um pünktlich bei der | |
| Nudelmesse zu sein. „Ich weiß nicht, ob ich eintreten will, aber mir hat es | |
| sehr gut gefallen. Ich überlege mir schon einen kreativen Namen“, erzählt | |
| Müller. | |
| Der Besucherrekord für eine Messe liegt bei 13 Personen. „Da wurde es auch | |
| richtig kuschelig“, erinnert sich Weida. Im Winter falle die Messe auch mal | |
| aus. „Ich hätte das nicht gedacht, aber es kommen viele Menschen aufgrund | |
| der Hinweisschilder“, meint Elli Spirelli, Weidas Frau. | |
| Rüdiger Weida erzählt, er werde oft gefragt, wie man mit den Pastafaris | |
| umgehen soll. Seine Antwort: „Wir sind genauso ernst zu nehmen wie andere | |
| Religionen auch – gar nicht.“ | |
| 2 Aug 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Laura Weigele | |
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