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# taz.de -- Prozess gegen mutmaßliche IS-Terroristen: Massaker in Düsseldorf …
> Drei Männer wollten in Düsseldorf mit einem Anschlag viele Menschen
> töten. Der Auftrag kam wohl direkt vom IS. Nun wird ihnen der Prozess
> gemacht.
Bild: Soll ein Massaker in Düsseldorf geplant haben – und ging dann zur Poli…
Düsseldorf taz | Am Mittwochvormittag malt Bundesanwalt Tobias Engelstätter
ein furchtbares Szenario aus. Erst sollten sich zwei Selbstmordattentäter
inmitten der Düsseldorfer Altstadt in die Luft sprengen. Dann jeweils zwei
weitere Attentäter an den vier Straßen, die aus der Altstadt heraus führen,
mit Maschinengewehren auf die fliehenden Menschen schießen. Zuletzt sollten
auch sie ihre Sprengstoffwesten zünden. Der Anschlag in der Düsseldorfer
Altstadt sollte an einem Freitag- oder Samstagabend durchgeführt werden,
wenn möglichst viele Menschen an der „längsten Theke der Welt“ unterwegs
sind.
„Sie sollten möglichst viele Menschen töten“, sagt der Bundesanwalt.
Engelstätter wirft den drei Angeklagten Mitgliedschaft in der
Terrororganisation „Islamischen Staat“ und Verabredung zu einem Verbrechen
vor.
Saleh A., Hamza C. und Mahood B., die drei Angeklagten, sitzen ganz links
im Saal hinter einer dicken Panzerglasscheibe, jeder von ihnen zwischen
zwei Justizbeamten, sie haben Kopfhörer für die Übersetzung in den Ohren.
Die drei Männer sind zwischen 26 und 30 Jahre alt, laut Anklage sollen alle
drei als syrische Flüchtlinge nach Deutschland gekommen sein. Inzwischen
aber ist klar: nur Saleh A. ist Syrer, Hamza C. hat die algerische, Mahood
B. die jordanische Staatsbürgerschaft. Gegen einen vierten Mann wird der
Prozess getrennt geführt. Ihm werfen die Staatsanwälte weitere Verbrechen
vor. Er soll bei der Eroberung der syrischen Stadt Tabka an der Ermordung
von 36 Menschen beteiligt gewesen sein.
Saleh A., kurze schwarze Haare, weißes Polohemd, soll der Kopf der Gruppe
sein. Er ist der einzige der Angeklagten, der spricht. Und er ist der
wichtigste Zeuge der Bundesanwaltschaft. Am 1. Februar 2016 spazierte A. in
eine Pariser Polizeiwache und legte vor völlig überraschten Beamten ein
Geständnis ab.
Der gescheiterte Altstadt-Plan ist einer der ersten Fälle, in denen
mutmaßliche Terroristen, die als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen
sind, der Prozess gemacht wird. In Hamburg läuft seit wenigen Wochen
bereits ein Prozess gegen drei Syrer, die im IS-Auftrag mit falschen Pässen
nach Deutschland gereist sein sollen, um einen Anschlag zu begehen.
## 5.000 Euro für die Fahrt nach Deutschland
Laut Anklage, die Bundesanwalt Engelstätter weiter verliest, hat A., Sohn
eines Arztes und einer Apothekerin, nach dem Ausbruch des syrischen
Bürgerkrieges gegen das Assad-Regime gekämpft, zunächst bei der Freien
Syrischen Armee, dann bei der islamistischen Nusra-Front. Unter anderem
soll A. im Februar 2013 Sprengladungen in der syrischen Stadt Tabka
deponiert haben. Als beim Kampf um die Stadt ein syrischer Scharfschütze
seinen Bruder erschoss, soll A. diesen mit zahlreichen Schüssen getötet
haben. A. ist auch wegen Totschlags und Verstoßes gegen das
Kriegswaffenkontrollgesetz angeklagt.
Als Saleh A. im Herbst 2013 nach Tabka zurückkehrte, hatte die
Terrorganisation „Islamischer Staat“ die Stadt übernommen. Laut Anklage
verweigerte A. dem IS zunächst die Gefolgschaft, als er die Waffe zog,
schoss ein IS-Mann ihm in die Schulter. Der IS nahm ihn in Haft, dann
steckte er ihn in ein Umerziehungslager. Dort traf er Hamza C. Beide sollen
sich schließlich im Frühjahr 2014 dem IS angeschlossen und von der
IS-Führung in Rakka den Auftrag erhalten haben, in der Düsseldorfer
Altstadt einen Anschlag zu begehen. Die Idee soll von einem IS-Mann
stammen, der in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs gelebt hatte.
Die beiden Männer erhielten je 5.000 Euro Handgeld, Hamza C. zudem einen
gefälschten syrischen Pass. Im Mai 2014, trägt Bundesanwalt Engelstätter
weiter vor, reisten sie in die Türkei und kundschafteten dort zunächst
Routen nach Europa aus. Bis Ende 2014 sollen sie dorthin mehrere
Flüchtlinge geschleust haben. Anfang 2015 soll A. den IS-Anführern über den
Facebook-Account seiner Schwester mitgeteilt haben, dass er bereit für den
Anschlag sei. Mit der Antwort erhielt er eine Anleitung zum Bau von
Sprengsätzen.
Im März reiste Saleh A., als Flüchtling getarnt, von Izmir in der Türkei
mit einem Schlauchboot auf die griechische Insel Lesbos, dann auf der
Balkanroute weiter nach Deutschland, in der Nähe von Passau überquerte er
die Grenze. Im Juli kam Hamza C. nach. Zusammen tüftelten sie ihren Plan
weiter aus und suchten Mitstreiter. Im Januar 2016 überzeugten sie laut
Anklage Mahood B., sich an dem Anschlag zu beteiligen. A. soll B. zufällig
kennengelernt und extrem schnell radikalisiert haben. Nach ein paar
Gesprächen, einigen Kampfvideos und einem Joint soll B. bereit gewesen sein
mitzumachen.
Zur selben Zeit nahm Saleh A. Kontakt zu dem vierten Mann auf, dem getrennt
der Prozess gemacht wird. Dieser soll bereits im Oktober 2014 im Auftrag
der IS-Führung nach Deutschland gereist sein, um sich an einem Anschlag zu
beteiligen. Seine Aufgabe: Sprengwesten herstellen. A. soll auch mit einem
weiteren Gesinnungsgenossen in den Niederlanden in Kontakt gestanden haben.
Finanzieren wollten Saleh A. und Hamza C. ihrem Anschlag mit einem skurril
anmutenden Plan: Sie hatten vor, dem Vatikan ein Video mit einem
Lebenszeichen eines Jesuitenpaters zu verkaufen, den der IS entführt hatte.
Ende Januar reisten A. und C. deshalb nach Paris, um dort Geld für ihre
Reise nach Rom zu erhalten. Dort aber entschied sich Saleh A., zur Polizei
zu gehen. Als Motiv gab er an, seine Tochter solle keinen Terroristen zum
Vater haben.
## Nichts Belastendes gefunden
Die deutschen Beamten sollen zunächst skeptisch gewesen sein, als sie von
den Pariser Kollegen von A.s Geständnis erfuhren. Die Polizei observierte
die drei anderen Verdächtigen, hörte ihre Telefone ab, konnte aber nichts
belastendes feststellen. Bei Hausdurchsuchungen fanden die Beamten weder
Waffen noch Sprengstoff. Die Bundesanwaltschaft aber glaubt Saleh A.
Naturgemäß sehen das die Verteidiger der Mitangeklagten anders.
A., das sagt die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza kurz vor der
Mittagspause, soll nach Hinweisen seiner Anwälte in der JVA bedroht worden
sein. Sollte er vor Gericht aussagen, würde man seiner Tochter etwas antun,
sollen andere Inhaftierte gedroht haben. „Ich habe kein Problem damit,
Fragen zu beantworten“, sagt A.
Am Nachmittag darf Saleh A. die Anklagebank hinter der Panzerglasscheibe
verlassen und am Zeugentisch gegenüber der Richterbank Platz nehmen. Neben
ihm sitzt jetzt auf der einen Seite ein Dolmetscher, auf der anderen Seite
sitzen seine Verteidiger. Man habe ja so einiges über ihn gehört, sagt die
Richterin. Und: Wenn er sich nicht benehme, werde sie ihm Fesseln anlegen
lassen.
Doch Saleh A. beantwortet auf Arabisch freundlich Havlizas Fragen zu seiner
Familie, die vom Sudan über den Jemen und Gaza nach Syrien zog, erzählt,
wie das Assad-Regime erst seinen Vater und dann ihn ins Gefängnis steckte
und von seinem Weg vom friedlichen Protest gegen das Assad-Regime bis zum
bewaffneten Kampf.
Die beiden anderen Angeklagten wollen zu den Vorwürfen schweigen. Anfang
Juni 2016 wurden Hamza C. und Mahood B. in ihren Flüchtlingsunterkünften in
NRW und Brandenburg festgenommen, seitdem sitzen sie in Untersuchungshaft.
Saleh A. wurde im September aus Frankreich überstellt. Der Prozess, bei dem
bislang bis Ende des Jahres 36 Verhandlungstage angesetzt sind, wird am
Donnerstag mit der weiteren Befragung Saleh A.s fortgesetzt.
5 Jul 2017
## AUTOREN
Sabine am Orde
## TAGS
„Islamischer Staat“ (IS)
Dschihadismus
Düsseldorf
Terrorismus
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Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Islamistischer Terror
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