# taz.de -- Ermittlungen gegen SPD-Abgeordneten: Hate and Crime in Oppenheim | |
> Ein Whistleblower lieferte Belege, wonach Bürgermeister Held Millionen | |
> veruntreut haben soll. Nun wird auch gegen den Informanten ermittelt. | |
Bild: Die Idylle trügt: In der Weinbaustadt Oppenheim geht es nicht mit rechte… | |
Mainz taz | Oppenheim am Rhein, die idyllische Festspielstadt am Rhein, ist | |
bekannt wegen seiner bedeutenden gotischen Katharinenkirche und der guten | |
Weine. Als Touristenattraktion gilt ein verzweigtes mehrstöckiges | |
Kellerlabyrinth unter der Altstadt, eingegraben in den Kalk- und Lößboden. | |
Seit dem Mittelalter diente die „Stadt unter der Stadt“ als Fluchtort und | |
Lagerstätte. Gelegentlich wird dort auch Theater gespielt. In diesem Sommer | |
macht allerdings eine Affäre Schlagzeilen, die gleich für mehrere | |
Schurkenstücke Stoff abgeben könnte. | |
Dabei hat ein anonymer Ankläger die Hauptrolle dem Oppenheimer | |
Stadtbürgermeister und Bundestagsabgeordneten Marcus Held, SPD, zugedacht. | |
„Anonymus“ versorgte im Frühjahr mehrere Redaktionen mit einem Dossier. Es | |
geht um die Entwicklung eines Neubaugebiets am Rande der Stadt Oppenheim. | |
In „Krämereck“ entstehen Hunderte Wohnungen, ein Gewerbegebiet und die | |
„Landskron-Galerie, die größte Einkaufsmeile zwischen Mainz und Worms“. Es | |
geht also um Millioneninvestitionen. | |
Bei der Entwicklung dieses Baugebiets, so der Vorwurf, habe der | |
ehrenamtliche Bürgermeister einzelnen Käufern ungerechtfertigte Rabatte | |
gewährt; ein Bauingenieur und SPD-Genosse habe für die Planung der | |
Erschließung ungerechtfertigt Honorare kassiert; einem Makler seien | |
Courtagen zugeschanzt worden, so der unbekannte Informant. Seine Vorwürfe | |
belegte er mit Kopien von Verträgen, Rechnungen und internen Schreiben. | |
Inzwischen hat der rheinland-pfälzische Rechnungshof diese Unterlagen | |
geprüft. Aufgrund seines Zwischenberichts ermittelt seit vergangener Woche | |
die Staatsanwaltschaft gegen den SPD-Politiker Held. Sie spricht immerhin | |
von einem Anfangsverdacht wegen Untreue. | |
## „Ich habe nichts zu verbergen“ | |
Die Ermittlungen treffen nicht irgendwen. Auf seiner Homepage feierte Held | |
im Juni seinen 30. Redebeitrag im Deutschen Bundestag, dem er seit vier | |
Jahren angehört. Bei der Aufstellung der SPD-Landesliste konnte er sich im | |
Frühjahr parteiintern immerhin gegen den früheren Finanzminister, Carsten | |
Kühl aus Mainz, durchsetzen und kandidiert auf Platz vier, hinter den | |
Bundesministerinnen Andrea Nahles und Katarina Barley. | |
Der Sozialdemokrat war bereits im April in die Offensive gegangen, als er | |
von dem Dossier gegen ihn erfuhr. „Ich bin erleichtert, dass nun endlich | |
die Staatsanwaltschaft Klarheit in die Angelegenheit bringen muss“, so Held | |
zur taz und versichert: „Ich habe nichts zu verbergen.“ Bei der | |
Erschließung des Neubaugebietes seien für die Stadt zwei Millionen Euro | |
Überschuss erwirtschaftet worden. | |
Der Planer, zugegeben ein Parteifreund, sei für die Erschließung mit zwei | |
Prozent der Bausumme eher bescheiden honoriert worden. Dieser Bauingenieur | |
habe den Auftrag nicht wegen seiner politischen Verbindungen bekommen, | |
sondern wegen seiner Kompetenz, so Held. | |
Held wirbt nach wie vor für sein Entwicklungsmodell, bei dem die Stadt im | |
Krämereck zunächst möglichst viele Grundstücke aufgekauft und nach der | |
Erschließung weiterverkauft habe. „Das hat sich für die verschuldete Stadt | |
gelohnt“, sagt Held und argumentiert: „Ich wollte das Prinzip durchbrechen, | |
dass die privaten Investoren für die Gewinne und die öffentliche Hand nur | |
für die Verluste zuständig sind.“ | |
## Ermittlungen auch gegen „Anonymus“ | |
Wem in diesem Stück die Schurkenrolle zusteht, ist noch längst nicht | |
ausgemacht. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nämlich längst auch | |
gegen „Anonymus“ selbst. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Rhein-Selz, | |
Klaus Penzer, hat im April eine Strafanzeige wegen der Weitergabe von | |
Dienstgeheimnissen eingereicht. | |
Das gestreute Dossier enthalte vertrauliche Dokumente aus der | |
Liegenschaftsverwaltung seiner Gemeinde, zu der Oppenheim gehört. Penzer | |
nannte auch gleich seinen Kandidaten für die Schurkenrolle: Michael Stork, | |
CDU, bis vor sechs Wochen erster Beigeordneter, ein langjähriger | |
Gegenspieler Penzers. | |
Er habe die Dokumente auf Eingangsstempel und Paraphe überprüft, danach | |
komme nur der CDU-Mann als Anonymus infrage, so Penzer, Storks ehemaliger | |
Chef. Stork wies die Vorwürfe umgehend empört zurück. Die | |
Staatsanwaltschaft ermittelt. | |
Tiefpunkt der Affäre war im April ein anonymer Erpresserbrief. Held, der | |
gerne Klartext redet und offen für Rot-Rot-Grün eintritt, fand damals ein | |
anonymes Schreiben in seinem Briefkasten. In Großbuchstaben las er da: | |
„DENKE AN DEINE FAMILIE“ und „TRETE VON DEINEN POLITISCHEN ÄMTERN ZURÜC… | |
SCHLIMMERES ZU VERHINDERN: ES WIRD ENG FÜR DICH“. Die Staatsanwaltschaft | |
ermittelt wegen versuchter Nötigung gegen unbekannt. | |
17 Jul 2017 | |
## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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