Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- SPD-Bürgermeister und Veruntreuung: Der Held mit dem BMW xDrive
> SPD-Abgeordnete Marcus Held hat ein Problem: Der Bürgermeister soll Geld
> veruntreut haben. Nun wollen die Bürger ihn loswerden.
Bild: Proteste gegen den Schwimmbadbeauftragten und Bürgermeister Held vor dem…
Oppenheim am Rhein taz | Trillerpfeifen, Ratschen und Druckluftsirenen
sorgen im beschaulichen rheinhessischen Oppenheim für schrille Töne.
Dreihundert Menschen haben sich am Montagabend vor dem historischen Rathaus
versammelt, trotz Eiseskälte. Auf einem Bettlaken steht in roter Farbe:
„Rücktritt jetzt!“ Ziel des Protests: der SPD-Bundestagsabgeordnete und
ehrenamtliche Ortsbürgermeister des 7.000-Einwohner-Ortes, Marcus Held.
Held ist ein SPD-Promi. Hinter den Bundesministerinnen Andrea Nahles und
Katarina Barley kandidierte er bei der Bundestagswahl auf Platz vier der
Landesliste. In Oppenheim ist er bestens vernetzt. Bis vor Kurzem lief in
seiner Stadt nichts ohne ihn. Schließlich ist er nicht nur Bürgermeister,
sondern unter anderem auch Geschäftsführer der kommunalen
Wohnungsbaugesellschaft und mischt in vielen Vereinen mit.
Vor einem Jahr spielte ein Anonymus den Behörden allerdings brisantes
Material aus der Verwaltung von Stadt und Verbandsgemeinde zu. Der
Rechnungshof hat die Vorwürfe geprüft. Sein Bericht: ein Desaster für Held.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Untreueverdachts.
Helds Immunität als Bundestagsabgeordneter ist aufgehoben. Es wird eng für
ihn.
„Schluss mit den Seilschaften und der Vetternwirtschaft“, skandieren die
Demonstranten vor dem historischen Rathaus. „Gegen den Filz hier geht jetzt
sogar das stinknormale Bürgertum auf die Straße. Zu viel ist zu viel!“,
sagt ein ehemaliger Redakteur der örtlichen Zeitung. „Wir brauchen endlich
einen Neuanfang“, ruft Axel Dahlem, der Organisator der Demonstration,
durchs Megafon „Wir machen weiter, bis er geht!“
## Seit Tagen abgetaucht
Bürgermeister Held ist seit Tagen abgetaucht, hat sich krankgemeldet und
lässt sich vertreten. Er habe auch Fehler gemacht, doch stets im Sinne der
Stadt gehandelt, versichert er. Die Rechnungsprüfer kann er damit aber
nicht überzeugen. Sie bleiben bei ihren Vorwürfen: Schwere Verstöße gegen
das Vergaberecht, Misswirtschaft, eine aufgeblähte Verwaltung,
Geldverschwendung und Begünstigung.
Auf mehr als 100 Seiten listet der Rechnungshof Rechtsverstöße und
Verwaltungsfehler auf, die der Stadt schweren Schaden zugefügt hätten. Da
gibt es skurrile Beispiele. Trotz „desolater Haushaltslage“ seien drei
„Ehrenringe Gelbgold 585/000 mit Oppenheimer Wappen“ an scheidende
Stadträte verliehen worden. Gesamtwert: 6.400 Euro. Im Rathaus floss
offenbar Wein und Secco in Strömen, allein im Jahr 2016 im Wert von
süffigen 5.400 Euro. „Der Aufwand für Repräsentation sollte eingeschränkt
werden“, fordert der Rechnungshof lapidar.
Und da ist der Dienstwagen für den ehrenamtlichen Bürgermeister: Im Jahr
2009 hatte Held bescheidene 1.416 Kilometer an Dienstfahrten mit seinem
privaten Pkw abgerechnet. Danach wurden repräsentative Dienstwagen für ihn
angeschafft. Zuletzt fuhr Held mit dem Kennzeichen MZ-MH 1510 sogar einen
teuren BMW xDrive. Leasingkosten: 618 Euro im Monat. Selbst für Mitglieder
der rheinland-pfälzischen Landesregierung gelte eine Höchstgrenze von 250
Euro brutto pro Monat, Held habe zudem vorschriftswidrig seine privaten
Fahrten mit den Dienstautos nicht abgerechnet, bemängeln die Prüfer und
bestehen auf Nachforderungen.
## Eigenmächtig und ohne Rechtsgrund
Und Held gönnte offenbar nicht nur sich selbst etwas. Einer Bauherrin
erließ er die laut Stellplatzsatzung der Stadt fällige Zahlung von 22.500
Euro, ohne Rechtsgrund und eigenmächtig; der Rechnungshof verlangt, Held
auch für diesen Schaden haftbar zu machen. Die Begünstigte war, wie
inzwischen öffentlich bekannt wurde, die Vorsitzende der
SPD-Stadtratsfraktion.
Zufall? Jedenfalls kein Einzelfall. Insgesamt hat die Stadt Zehntausende
Euro verloren, weil ihr zustehende Beträge nicht erhoben wurden. Da wurde
auch schon mal eigenmächtig die Grundsteuer erlassen, angeblich weil der
Hauseigentümer von Hochwasser geschädigt worden war, „rechtswidrig“ urtei…
der Rechnungshof.
Bei der Entwicklung eines Neubaugebiets wollte Held nach eigener Aussage
ein Zeichen setzen: Die Stadt hatte zunächst alle Grundstücke des
Baugebiets aufgekauft, erschlossen und anschließend weiterverkauft, „mit
Gewinn“, wie Held meint. „Ich wollte das Prinzip durchbrechen, dass die
privaten Investoren für die Gewinne und die öffentliche Hand nur für die
Verluste zuständig sind“, hatte Held der taz gesagt, als er für
JournalistInnen noch zu sprechen war.
## An langjährige Geschäftspartner vergeben
Doch der Rechnungshof zieht eine negative Bilanz. Allein für
Maklercourtagen, die ohne Vertrag, Rechtsgrund und möglicherweise sogar
ohne Gegenleistung gezahlt worden seien, habe die Stadt mehr als 200.000
Euro bezahlt; auch für diesen Schaden hafte der Bürgermeister.
Die Planungen und Erschließungen für das Baugebiet, millionenschwer, hatte
Held an langjährige Geschäftspartner vergeben, ohne Ausschreibung –
„rechtswidrig“, sagt der Rechnungshof. Bei dem Verkauf von drei
erschlossenen Grundstücken im Baugebiet habe Held die vom Rat festgelegten
Mindestpreise pro Quadratmeter deutlich unterschritten. Der Schaden: 64.000
Euro.
Die Staatsanwaltschaft prüft inzwischen sogar, ob es Gegenleistungen gab.
Einer Anzeige zufolge hatten zwei der Begünstigten für die SPD gespendet.
Helds Ehefrau soll einen Mercedes zu Vorzugskonditionen geleast haben.
## Satte Gahaltsaufstockung
Stolz war Held auf die Gründung der Oppenheimer Tourismus GmbH. Nicht mehr
die Verwaltung, sondern ein privates Unternehmen sollte Gäste in die Stadt
locken, die mit einem einzigartigen mittelalterlichen Untergrundlabyrinth,
der malerischen Altstadt und der prächtigen Katharinenkirche wirbt. Ein
schlechtes Geschäft für die Stadt, sagt der Rechnungshof. Die Schaffung der
GmbH habe lediglich dem Geschäftsführer, einem langjährigen Weggefährten
und Parteifreund Helds, genutzt; die satte Aufstockung seines Gehalts sei
„unangemessen“.
Doch es kommt noch härter: Noch immer bezahlt die Stadt drei
MitarbeiterInnen, die für die Touristik GmBH tätig sind. Die
Eintrittsgelder für die Führungen durch das unterirdische Labyrinth
kassiert dagegen die private GmbH. Eine unterirdische Konstruktion. Die
Staatsanwaltschaft ermittelt in diesem Fall gegen unbekannt, der
Rechnungshof empfiehlt, die Auflösung der GmbH zu prüfen.
Noch steht die örtliche SPD zu ihrem einst unangefochtenen Vormann. Beim
Neujahrsempfang des Ortsvereins feierten sie ihn mit donnerndem Applaus.
Innenminister Roger Lewentz, der für die Kommunalaufsicht zuständig und
gleichzeitig SPD-Landesvorsitzender ist, sagte zuletzt vor dem Mainzer
Innenausschuss, auch für Held gelte die Unschuldsvermutung. Die
Unterstützung könnte trotzdem bröckeln: „Die Mühlen mahlen für manche ni…
schnell genug, aber in der Regel mahlen sie sehr gründlich“, versicherte
der Innenminister.
6 Feb 2018
## AUTOREN
Christoph Schmidt-Lunau
## TAGS
SPD
Schwerpunkt Korruption
Whistleblower
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ermittlungen gegen SPD-Abgeordneten: Hate and Crime in Oppenheim
Ein Whistleblower lieferte Belege, wonach Bürgermeister Held Millionen
veruntreut haben soll. Nun wird auch gegen den Informanten ermittelt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.