Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Politische Mode im Iran: Der weltliche Hidschab
> Mutige Designerinnen interpretieren die strengen Kleidervorschriften der
> Islamischen Republik neu. Das kommt nicht überall gut an.
Bild: Mantel und Kopftuch sind Pflicht. Die Frage ist: Dunkel oder knallbunt?
Donia schlendert durch die Straßen Teherans. Natürlich darf sie sich nicht
im westlichen Stil kleiden, denn im Iran gelten für Frauen strenge Regeln.
Donia trägt Kopftuch und einen schicken farbigen Mantel mit Ornamenten. Der
Mantel bedeckt eigentlich ihren Oberkörper und die Arme und fällt über die
Knie. So verlangt es das ungeschriebene Gesetz des religiösen Landes, aber
Donia pfeift drauf. Sie trägt ihren Mantel salopp, er ist weder zugeknöpft
noch geschlossen.
Vor der Islamischen Revolution von 1979 war westliche Mode im Iran
akzeptiert, danach aber wurde eine Kleidung Pflicht, die einer Uniform
gleichkam. Masoumeh, die damals Lehrerin war, erinnert sich: „Auf einmal
gab es auf dem Markt nur Mäntel. Wir empfanden das erst mal einfach als die
neue Mode. Das Kopftuch war noch nicht verpflichtend. Wir trugen gerne
Mäntel und wussten nicht, dass uns bald nur schwarz, dunkelbraun und
dunkelblau übrigbleiben würde.“
Mit der Zeit konnten Frauen nur noch mit einem Mantel – „Manteau“ genannt…
und einem Kopftuch auf die Straße gehen. Als die Proteste gegen den
verpflichtenden Hidschab, der nur das Gesicht frei lässt, scheiterten,
wurde der Mantel zum ungeschriebenen Kompromiss zwischen den Religiösen und
den Weltlichen.
Es kommt im Wesentlichen auf die Verhüllung an, entweder durch den
Tschador, den großen, schwarzen Überwurf, oder alternativ den Manteau.
Dieser sollte nicht eng, auffällig oder gar aufreizend geschnitten sein.
Der dunkle Mantel wurde damit zur Uniform.
Aber das blieb nicht so. Nach 38 Jahren hat sich das Stadtbild weit
entfernt von jener Dunkelheit der schwarzen, braunen und blauen Manteaus –
dank mutiger Modedesignerinnen und Models.
## Farben statt Uniform
Eine von ihnen ist Schirin Adschuri, die Gründerin des Modelabels Rira.
„Unsere Generation wird – im Gegensatz zu den früheren Generationen – auf
ihre Lieblingskleidung nicht deshalb verzichten, weil jemand uns unter
Druck setzt“, sagt sie.
Adschuri, Jahrgang 1992, gehört zu einer Altersgruppe, die für ihre
Kühnheit bekannt ist. Adschuri studiert in Teheran Modedesign. „Wir haben
versucht, aus dem Manteau Mode zu machen.“ Das scheint gelungen zu sein,
denn inzwischen gibt es zahlreiche Modemarken, voller Farben, wilder
Muster, kreativer Schnitte, aber auch traditioneller iranischer Elemente.
Das kommt nicht überall gut an. Im Juni 2014 zeigte der ultrakonservative
Parlamentsabgeordnete Ali Motahari einige Fotos von Frauen auf dem Monitor
des Parlaments und forderte von der Regierung, Kleidung, die die Körperform
betont, zu verbieten. Motaharis Forderung bezog sich vor allem auf eine
Version des Manteau ohne Knöpfe, die offen getragen wird und den Körper
nicht verhüllt.
Das Problem: Wenn Mantel und Kopftuch so getragen werden, dass sie hübsch
oder sexy sind, werden sie für den Gottesstaat viel gefährlicher als die
europäische Kleidung. Das findet zumindest der iranische Soziologe Amin
Bosorgian. Sie erfüllten dann nämlich ihren ursprünglichen Zweck nicht
mehr. Vielmehr verkehren sie ihn ins Gegenteil.
Maryam Farsi, 29-jährige Modedesignerin und Gründerin von Farsi-Clothing
erklärt den Trend zum modischen Manteau so: „Da wir in einem Land wohnen,
wo wir Frauen unseren Körper nicht zeigen dürfen, möchten wir uns anders
präsentieren.“
## Instagram, der neue Basar
„Wenn wir die London Fashion Week live anschauen, sehen wir, dass wir uns
anders anziehen können“, sagt Farsi. Früher war die westliche Mode nur für
diejenigen verfügbar, die sich Auslandsreisen leisten konnten. Das hat sich
zuerst durch das Satellitenfernsehen, dann durch die sozialen Medien
verändert.
Doch die zurzeit importierten westlichen Marken würden sich nur für
mittlere Altersgruppen eignen, meint Maryam Farsi. Deshalb hat sie ihre
eigene Marke gegründet, anstatt für die bereits existierenden zu arbeiten.
„Was ich anbieten wollte, gab es nicht auf dem Markt. Fashion ist im Iran
neu. Das neue Publikum braucht etwas Eigenes, das für sich steht“, so
Farsi. „Wir wollen uns nicht völlig westlich anziehen. Wir möchten unser
eigenes Design tragen und es höchstens an das westliche anpassen.“
Zunächst war Instagram allerdings nicht nur das Tor zur Welt, sondern auch
ein großer Markt, auf dem die Designerinnen ihre Produkte ausstellen
konnten, ein virtuelles Schaufenster, unabhängig von staatlich auferlegten
Beschränkungen. Doch dann erreichte die Strenge des Regimes auch die
sozialen Medien. Im Februar 2016 wurden zwölf Designerinnen und Models
verhaftet, deren Produkte und Fotos online gezeigt worden waren. Einige
Instagram-Seiten wurden gelöscht. Deshalb sind jetzt auf den meisten
Accounts nur noch Fotos von Models ohne Gesicht zu sehen. Die Abgebildeten
sollen nicht in Gefahr gebracht werden.
Außer auf Modeschauen, die jeden Monat in Teheran und in einigen
Großstädten stattfinden, verkaufen die Designerinnen ihre Waren online. Die
großen Bekleidungshersteller hätten kein Interesse, die kreativen,
außergewöhnlichen Designs massenhaft zu fertigen, sagt Designerin Schirin
Adschuri. Aus Angst, es würde ihrem Geschäft schaden.
## Cool genug für Berlin?
Aber können sich nicht nur Frauen der oberen Schicht derart
außergewöhnliche Mäntel leisten? „Meine Kunden kommen aus allen
Gesellschaftsschichten, von Superreichen bis zu Studentinnen, wobei meine
Kleidung relativ teuer ist“, sagt Maryam Farsi. Sie kenne Frauen, die sich
ihre Entwürfe nicht leisten könnten, aber trotzdem die Modeszene
verfolgten.
Es ist klar, dass die von inländischen Designerinnen gestaltete Kleidung
teurer ist als die Massenware. Aber die Exklusivität bleibt nicht lange
erhalten. Beliebte Designs werden nach einer Weile von großen Unternehmen
kopiert und kommen zu einem günstigen Preis auf den Markt, so Nadschme
Vahedi. Die Soziologin, Feministin und Frauenrechtsaktivistin
widersprichtder These, dass die Designs zur Befreiung der iranischen Frauen
führen könnten: „Einige nutzen sie als Widerstand gegen den verpflichteten
Hidschab, die anderen tragen sie, weil sie ihnen gefällt. Sie folgen
einfach der Mode.“
Maryam Farsi sieht das anders. „Wir machen Fashion aus dem Hidschab,
dadurch verweltlichen wir ihn. Wenn er nicht mehr religiös besetzt ist,
können wir damit einfacher umgehen.“ Es gebe zwar weiterhin strenge
Gesetze, aber Frauen könnten mit dem Hidschab spielen. Iranische
Designerinnen bezeichnen ihre Arbeit nicht als politisch sondern als
gesellschaftlich oder kulturell. „Wir wollen die Tabus brechen. Solange es
so ist, dass wir das Kopftuch tragen sollen, bleibt die Frage, wie wir es
verschönern können.“
Auf der Farsi-Clothing-Instagram-Seite sind auch Models ohne Kopftuch zu
sehen. „Wenn ich ein Kleidungsstück ohne Hijdschab fotografieren lasse,
dann heißt es, dass ich es mit Kopftuch nicht mag. Ich bin der Meinung,
dass die Lage sich allmählich verändern wird.“
Die meisten Designerinnen aber veröffentlichen kaum Fotos ohne Hidschab.
Nach der Verhaftung einiger Models herrscht Angst in der Szene. Manche
professionelle Models sind ausgereist, andere sind zurückhaltend und
verweigern das Gespräch.
Das iranische Regime verhindert das Zeigen des Körpers in der
Öffentlichkeit. In dieser Situation symbolisiert die Kleidung die Erotik
des Körpers. „In der kulturellen Struktur, in der sexistische
Diskriminierung herrscht, sind der Körper, seine Schönheit und seine
Kleidung das Eigentum der Frau“, so Nadschme Vahedi, die
Frauenrechtsaktivistin.
„Menschen mögen Schönheit“, meint Maryam Farsi. „Auch die Gläubigen wo…
sich schön kleiden, um sich besser zu fühlen.“
Ein Kollege sagt zu den Fotos der aktuellen Mäntel: „Ich finde sie so geil
und cool, dass man sie in Berlin sehen könnte“. Donia in Teheran sagt dazu
nur: „Dein Kollege hat bestimmt keine Ahnung vom Kopftuch.“
6 Jul 2017
## AUTOREN
Omid Rezaee
## TAGS
Schwerpunkt Iran
Teheran
Muslimische Mode
Kopftuch
Instagram
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Iran
Schwerpunkt Iran
Kopftuch
## ARTIKEL ZUM THEMA
Fußball im Iran: Klerus gegen Frauen im Stadion
Seit Jahren wird das Stadionverbot für Frauen lebhaft diskutiert. Die
iranische Regierung will es aufheben, aber der Klerus hält dagegen.
Wahl im Iran: Und dann tanzen sie
Vor der Wahl am Freitag hoffen viele junge Iraner auf zaghafte Reformen.
Für ihre Freiheit kämpfen sie lieber im Privaten.
Vorurteile über den Iran: Solidarität Teheran-Style
Iranische Männer kritisieren die Schleier-Pflicht für Frauen. Überraschung!
Da leben nicht nur dschihadistische Teppichweber.
Muslimische Mode: Hijab is Punk
Das Kopftuch trendet in High-Fashion und Popkultur. Das fordert westliche
Vorstellungen über muslimische Kleidungsstile heraus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.