# taz.de -- Parlamentswahl in Albanien: Korruptionsvorwürfe ohne Ende | |
> Regierungsparteien und Opposition überziehen sich gegenseitig mit | |
> Schuldzuweisungen. Ob die Abstimmung frei und fair sein wird, ist | |
> fraglich. | |
Bild: Anhänger der Demokraten demonstrierten am 13. Mai dieses Jahres in Tiran… | |
SPLIT taz | Als vor wenigen Tagen der neugestaltete Skanderbeg-Platz in der | |
albanischen Hauptstadt Tirana eingeweiht wurde, bot der sozialistische | |
Bürgermeister Erion Veliaj die bekanntesten Musiker des Landes auf und | |
erleuchtete die Stadt mit einem Feuerwerk. Nicht zufällig legten die | |
regierenden Sozialisten den Eröffnungstermin kurz vor den Wahltag am 25. | |
Juni. Doch ob dererlei Werbung verfängt, ist fraglich. | |
Die im Süden des Landes dominierenden Sozialisten tun sich in Tirana | |
schwer, ihre Anhänger zu mobilisieren. Ständiger Streit zwischen den beiden | |
politischen Blöcken führt in den Augen vieler nicht weiter. Über die Hälfte | |
der Bevölkerung will nach „Europa“ auswandern. | |
Im vergangenen Frühjahr stand monatelang ein großes weißes Protestzelt im | |
Zentrum der Stadt. Es diente als Treffpunkt der mehr im Norden verankerten | |
oppositionellen Demokratischen Partei und ihrer Anhänger. Die Opposition | |
unter der Führung von Lulzim Basha forderte einen Wahlboykott, eine | |
„Expertenregierung“, um demokratische Wahlen zu garantieren. Sie | |
unterstellte der Regierung, die Wahlen fälschen zu wollen. | |
Allerdings muss die Opposition sich fragen lassen, ob sie nicht selbst im | |
Glashaus sitzt. Faire und freie Wahlen sind in Albanien ein Dauerthema. | |
Wiederholt beanstandete die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit | |
in Europa (OSZE) die Abstimmungen. | |
## Sozialisten lenken ein | |
In 27 Jahren, die seit dem Ende der kommunistischen Diktatur unter Enver | |
Hoxha vergangen sind, haben die Demokraten und die Sozialisten fast gleich | |
lange regiert. Beiden Parteien wurde Wahlfälschung vorgeworfen. Die letzte | |
Parlamentswahl jedoch wurde international als regulär bezeichnet. | |
Um den Wahltermin am 25. Juni zu retten, gaben die Sozialisten nach, | |
allerdings erst nachdem der Europapolitiker David McAllister und der | |
US-Diplomat Hoyt Brian Yee Druck gemacht hatten. Am 18. Mai einigten sich | |
Edi Rama und Lulzim Basha auf einen Wahltermin. Bis dahin sollten vier | |
Mitglieder der Demokratischen Partei als Minister in ein Expertenkabinett | |
aufgenommen werden und den Vizepremier stellen. | |
Im Wahlkampf bezichtigen sich die beiden Lager der Korruption. Die | |
Opposition wirft der Regierung vor, nichts gegen den Hanfanbau in einigen | |
abgelegenen Bergregionen zu unternehmen. Korrupte Kommunalbeamte, | |
Polizisten und Richter seien Teil eines Systems, das Zigmillionen Euro | |
umsetze. Albanien sei unter der Führung Edi Ramas zum größten | |
Marihuanaproduzenten Europas aufgestiegen. | |
Die Opposition verschweigt aber, dass sie genau in diesen ländlichen | |
Gebieten große Wahlerfolge verzeichnete und zudem eng mit der Baumafia | |
verflochten ist. | |
## Widerstand gegen Justizreform | |
Edi Rama und die Sozialisten kontern, die Demokraten wollten die Reform des | |
Justizsystems verhindern. Viele der Richter und Staatsanwälte wurden noch | |
unter Expräsident Sali Berisha eingesetzt. Ende des Jahres müssen sich alle | |
Richter und Staatsanwälte einer Antikorruptionskommission stellen. Doch | |
auch in der Regierungspartei gibt es Widerstände gegen die Reform, denn | |
manche der Juristen haben das rote Parteibuch. | |
Edi Rama hält jedoch an seinem Plan einer „radikalen Umwandlung“ von Staat | |
und Gesellschaft fest. Ausländische Diplomaten in Tirana trauen ihm deshalb | |
zu, das Nato-Land auf einen guten Weg zu bringen. Am kommenden Sonntag | |
könnte Rama sogar die absolute Mehrheit der Stimmen bekommen. | |
24 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Erich Rathfelder | |
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