# taz.de -- Architekt über Brandschutz: „Der Eigentümer ist verantwortlich�… | |
> Der Brandschutzstandard in Deutschland ist hoch, sagt der Sachverständige | |
> Reinhard Eberl-Pacan. Allerdings gibt es häufig Kontrolllücken. | |
Bild: Dämmplatten aus Styropor – brennen nicht, schmelzen aber | |
taz: Herr Eberl-Pacan, nach dem Hochhausbrand von London hören wir von | |
vielen Experten, in Deutschland seien Hochhäuser sicher. Wirklich? | |
Reinhard Eberl-Pacan: Die Vorschriften und Richtlinien sind gut. Aber bei | |
der Planung oder Ausführung von Energieeinsparungsmaßnahmen zum Beispiel | |
mit Wärmedämmverbundsystemen an Hausfassaden werden in der Regel keine | |
Experten hinzugezogen. Also Experten, die prüfen, ob die Vorschriften auch | |
eingehalten werden. Aber auch wenn diese Kontrolllücke besteht, haben wir | |
in Deutschland ein sehr hohes Brandschutzniveau. | |
Brauchen wir schärfere Vorschriften, die zu Überprüfungen verpflichten? | |
Brandschutzmaßnahmen sind Ländersache. Überprüfung und Begleitung der | |
Bauleitungen beim Brandschutz sind aber überwiegend spärlich. Da müssen wir | |
in Zukunft sorgsamer werden. Allerdings sind mittlerweile auch Ingenieure | |
als Brandschutzexperten autorisiert. Ich glaube, es ist sinnvoller, die | |
Ingenieure weiter für das Thema zu sensibilisieren, als die Behörden weiter | |
aufzustocken. | |
In den letzten Jahren wurden immer mehr Häuser mit Styroporplatten gedämmt. | |
Styropor ist leicht brennbar… | |
Expandiertes Polystyrol (EPS), gemeinhin als Styropor bekannt, brennt | |
selbst nicht, sondern schmilzt, wenn es heiß wird. Diese Schmelze reagiert | |
wie Öl und bildet hochexplosive Dämpfe. In der Vergangenheit gab das mehr | |
Probleme. Heute wird versucht, Brände des Dämmmaterials durch vermehrte | |
Brandsperren auf maximal ein bis zwei Geschosse einzuschränken. Nur wenn | |
Brandsperren fehlen oder versagen, zum Beispiel weil der Putz durch einen | |
Brand richtig aufreißt, entstehen heftige Szenarien wie in London. | |
Es wird vermutet, dass aluminiumhaltige Platten zu dem explosionsartigen | |
Brand in London geführt haben. Werden die auch in Deutschland eingesetzt? | |
Das kann ich nicht ausschließen. Diese sogenannten Aluminiumverbundplatten | |
können brennbare Dämmstoffe enthalten, die aber komplett eingeschlossen | |
sind. Sie gelten nach deutschem Recht als schwerentflammbar und sind das | |
auch, wenn sie vorschriftsmäßig verarbeitet werden. Sie dürfen bei Gebäuden | |
mittlerer Höhe mit etwa fünf bis sechs Geschossen, aber nicht bei | |
Hochhäusern, eingesetzt werden. | |
In den letzten Jahren wurden bei Wärmedämmverbundsystemen zusätzliche | |
Schutzvorrichtungen eingerichtet. Welche sind das? | |
Man hat zusätzliche Brandriegel vorgeschrieben, die verhindern sollen, dass | |
sich ein Brand unkontrolliert über die gesamte Fassade ausbreiten kann. Zum | |
einen im Sockelbereich, damit Fassadenbrände, die zum Beispiel durch | |
entflammte Mülltonnen entstehen können, verhindert werden. Durch einen | |
Sockelbrandriegel kann der Brand nicht in die Wärmedämmfassade reinkommen. | |
Einen zweiten Brandriegel gibt es im Dachbereich, also als oberer | |
Abschluss, um ein Übergreifen eines Fassadenbrandes auf das Dach zu | |
verhindern. | |
Haben alle Gebäude mit Wärmedämmung solche Brandriegel? | |
Ja, aber Sockelbrandriegel sind erst seit etwa 2015 vorgeschrieben. Bei | |
Gebäuden, die vorher gedämmt wurden, sollten Brandlasten wie zum Beispiel | |
Mülltonnen mindestens drei bis fünf Meter weit entfernt vom Gebäude | |
aufstellt, und an das Gebäude sollten zum Beispiel keine brennbaren | |
Unterstände angebaut werden. | |
Wenn ich als Mieter Mängel aufdecke, sowie es in London geschehen ist, wie | |
kann ich denn Eigentümer dazu bewegen, etwas zu unternehmen? | |
Am Ende ist der Eigentümer für die Sicherheit verantwortlich. Wenn in | |
seinem Gebäude Mängel bekannt sind, dann muss er reagieren, sonst entsteht | |
für ihn unter Umständen ein erhöhtes Haftungsrisiko. | |
Viele Wärmedämmsysteme werden zusätzlich mit HBCD verarbeitet. Eine | |
Chemikalie, die als zusätzlichen Flammschutz eingesetzt wird. Ist HBCD | |
gefährlich für die Umwelt? | |
Tatsächlich hätte ich bei den Styropor-Systemen weniger beim Brandschutz | |
Bedenken als beim Umweltschutz. Der Brandschutz hat sich in den letzten | |
Jahren vor den Umweltschutz geschoben, da dieser eine erhöhte | |
Aufmerksamkeit durch die Medien bekommen hat. Hauptproblem sind aber meines | |
Erachtens eher die verwendeten Giftstoffe und die Entsorgungsprobleme, da | |
viele Entsorger bislang noch nicht auf die neuen Regeln für HBCD-belastete | |
Dämmstoffe eingestellt sind. Da kommt durchaus noch ein großes Problem auf | |
uns zu, wenn viele gedämmte Fassaden in den nächsten Jahren erneuert oder | |
zurück gebaut werden müssen. | |
20 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Jan-Peter Schulz | |
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