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# taz.de -- Großbritannien: Mayday! Mayday! Mayday!
> Die politischen Weichen zu stellen, fällt den Konservativen schwer. Die
> Duldung durch die DUP ist in den eigenen Reihen unbeliebt.
Bild: Die nordirische DUP ist besonders bei jungen und queeren Menschen unbelie…
London taz | Auch Revolutionäre müssen mal. Die Demonstranten, die am
Samstagnachmittag mit Pro-Corbyn-Liedern und dem Kampfspruch „Resist Tory
Rule“ vor die Londoner Downing Street ziehen, nehmen im nahen Pub aber
sogar ihre Transparente mit aufs Klo – leicht irritiert, weil niemand sie
beachtet. Griesgrämige linke Protestler gehören inzwischen zur britischen
Folklore genauso wie der Nudistenradfahrerkorso, der bei Passanten und
Polizisten deutlich mehr Interesse erregt.
Es ist das Wochenende nach dem Wahldebakel für Theresa May, und wenn in der
britischen Hauptstadt jemand das kommentiert, dann mit Sprüchen wie „So ein
Durcheinander“. In der Nacht zum Samstag ist bei der dritten Nachzählung
auch der letzte noch offene Wahlkreis an Labour gefallen, die einstige
Westlondoner Tory-Hochburg Kensington, der reichste Wahlkreis des Landes.
Kein Stein scheint auf dem anderen zu bleiben. „Wir sehen uns in drei
Monaten wieder“, flachsen Wahlbeobachter beim Abschied – nochmalige
Neuwahlen.
Wie lange kann sich Theresa May noch dagegenstemmen? In einer Umfrage für
die Sunday Times sprechen sich die Befragten mit 48 zu 38 Prozent für Mays
Rücktritt aus; unter konservativen Parteimitgliedern sollen es noch mehr
sein. Sonntagszeitungen spekulieren über Ambitionen bekannter Figuren wie
Außenminister Boris Johnson.
May opferte als Erstes ihre beiden engsten Berater, Fiona Hill und Nick
Timothy, die für das Wahldebakel verantwortlich gemacht werden. Laut
Berichten entsprach May damit einer Forderung des
Tory-Hinterbänklerausschusses „1922 Committee“, das die gesamte
konservative Fraktion außer den Regierungsmitgliedern vereint. Dort dürfte
sich entscheiden, ob eine förmliche Neuwahl der Parteiführung angesetzt
wird oder nicht. Am Freitag hatte May, um sich keine Feinde zu schaffen,
allen wichtigen Ministern zugesichert, sie würden im Amt bleiben. Diese
machten deutlich, dass ab jetzt nicht mehr May allein das Sagen haben kann.
## Schottische Konservativen als separate Partei?
Als Nächstes muss sich die Premierministerin eine Mehrheit basteln, die den
Tag der Eröffnung des Parlaments am 19. Juni übersteht. Die Konservativen
halten 318 der 650 Sitzen. Geplant ist eine Tolerierung durch die
protestantische Democratic Unionist Party (DUP) aus Nordirland, deren 10
Sitze zur Mehrheit reichen. Doch erste Erklärungen vom Samstag, dass ein
Abkommen unter Dach und Fach sei, wurden am Sonntag relativiert.
Nicht alle Konservativen wollen der DUP entgegenkommen. Gegen Konzessionen
hat sich Ruth Davidson gestellt, die Führerin der schottischen
Konservativen, die die Zahl ihrer Abgeordneten von 1 auf 13 steigerte –
indem sie die Direktiven von Mays Wahlkampfteam ignorierte. Für Davidson,
die demnächst ihre Lebensgefährtin heiraten wird, ist die nordirische
Ablehnung der Homoehe ein rotes Tuch. In Interviews sagte sie, die
Konservativen müssten jetzt mit anderen politischen Kräften ins Gespräch
kommen.
Für May wird das kompliziert. Ohne die 13 konservativen Abgeordneten aus
Schottland nützt ihr nämlich auch eine Vereinbarung mit den Nordiren nichts
mehr. May ist jetzt Premierministerin von Davidsons Gnaden.
Es gibt sogar schon Überlegungen, die schottischen Konservativen als
separate Partei aufzustellen, ähnlich der CSU in Bayern – in einer
Fraktionsgemeinschaft mit der Schwesterpartei, aber mit eigenem Programm.
Es gibt auch Überlegungen, Davidson als künftige britische Tory-Chefin
aufzubauen. Die humorvolle Schottin gilt als die letzte Konservative
Großbritanniens, die dem Labour-Aufschwung bei der Jugend etwas
entgegensetzen könnte und in Europa gut ankäme.
11 Jun 2017
## AUTOREN
Dominic Johnson
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Theresa May
Tories
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Jeremy Corbyn
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