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# taz.de -- Die Woche in Berlin II: Symbolische Debatte mit Zweifel
> Ist ein Kreuz auf der Schlosskuppel eine Reminiszenz an alte
> Machtverhältnisse? Oder symbolisiert es heute eher noch deren Untergang?
Bild: Noch ist oben alles frei auf der Kuppel des rekonstruierten Berliner Stad…
Die Geschichte, sie lässt einen nicht so einfach los. Seit Generationen
gibt es im deutschen Sprachraum keine Könige mehr. Doch immer noch
beschreibt die deutsche Sprache mit Krönung einen erhebenden, ja
beglückenden Moment.
Dass nun die Kuppel der neu aufgebauten Stadtschlossreplik historischen
Vorlagen entsprechend ein Kreuz krönen soll, daran hat sich in den
vergangenen Wochen eine hitzige Debatte entzündet. Dass das gar nicht gehe
mit dem Kreuz, meinen die einen, nicht zuletzt mit Hinweis auf das
staatliche Neutralitätsgebot. Andere wollen so ein Kreuz als Teil des
historischen und kulturellen Erbes sehen, das man nicht hopplahopp und
geschichtsvergessen tilgen solle. Manche meinen, dass man in dem Kreuz,
wieder eher religiös aufgeladen, das Gebot der Nächstenliebe sehen müsse.
Und wer könne wohl etwas gegen die Nächstenliebe haben?
Es ist halt auch eine Frage, was man glauben will am Beispiel des Kreuzes.
Für den Kunsthistoriker Horst Bredekamp wäre das Weglassen des Kreuzes
durchaus eine Form von Ikonoklasmus, also ein kleiner Bildersturm. Weil:
wenn schon Rekonstruktion, dann richtig. Und in seiner luziden
Argumentation würde das Kreuz auf dem Schloss zeigen, dass es, ins Heute
gestellt, eben nicht mehr das Kreuz von dunnemals ist mit seiner
unheilvollen Engführung von Staat und Religion. „Das Kreuz bezeugt das
Fehlen dessen, wofür es steht“, sagte Bredekamp in einem Interview.
Das ist ein bestens aufgeklärtes Geschichtsverständnis, dem man unbedingt
folgen möchte. Wenn es nur um die Hülle, also um das Stadtschloss, ginge.
Aber drinnen in dem wiederaufgebauten Barockschloss soll ja mit dem
Humboldt-Forum ein Museum der Weltkulturen mit den außereuropäischen
Sammlungen entstehen. Die dann, mit dem alles krönenden Kreuz, doch wieder
einer – sagen wir ruhig: christlich-abendländischer – Regentschaft
untergeordnet wären, aus der sie eben entlassen sein sollten.
Vielleicht auch deswegen hat die Gründungsintendanz des Humboldt Forums, zu
der auch Bredekamp zählt, diese Woche vorgeschlagen, das Kreuz mit einer
Kunstinstallation zu kontern, die zuletzt den Palast der Republik zierte.
Ein Schriftzug ist das. Er lautet: Zweifel.
Und Zweifel ist ja wiederum etwas, gegen das man wenig haben kann – fast
wie die Nächstenliebe.
Das eigentlich Charmante an diesem neuen Beitrag zur Kreuzdebatte aber ist,
dass damit wenigstens ein klitzekleines Erinnerungsfitzelchen an den
Palast, der einst an der Stelle des Stadtschlosses stand und den viele als
DDR-Erbe am liebsten als ungeschehen betrachten würden, doch noch einen
Platz im Schloss fände.
10 Jun 2017
## AUTOREN
Thomas Mauch
## TAGS
Humboldt Forum
Stadtschloss
Deutscher Kolonialismus
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Zoo Berlin
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