# taz.de -- Mobiler Druckraum in Neukölln: Neuer Fixpunkt für die Fixer | |
> Anwohner sind zunehmend genervt von den Junkies am S-Bahnhof Neukölln. | |
> Bezirk und Senat reagieren mit zwei Konsummobilen – und mehr | |
> Polizeipräsenz. | |
Bild: Döner und Heroin: Innensenator Andreas Geisel (SPD) und Bezirksbürgerme… | |
Zwei weiße Kleintransporter sollen ab dem heutigen Dienstag an der Ecke | |
Karl-Marx-Straße, Kirchhofstraße in Neukölln parken. „Mobile Konsumorte“ | |
nennt der Bezirk die umgebauten Fahrzeuge, in denen Menschen mit sauberen | |
Utensilien und unter Aufsicht Drogen konsumieren können. Damit wolle der | |
Bezirk verhindern, dass Drogen in Hauseingängen und Hinterhöfen rund um den | |
S-Bahnhof Neukölln konsumiert werden, erklärt Bezirksbürgermeisterin | |
Franziska Giffey (SPD). | |
Doch zusätzlich zum kontrollierten Konsum setzt der Bezirk auch weiterhin | |
auf Repression. Die Polizeipräsenz am Bahnhof sei um das Dreifache erhöht | |
worden, berichtete Innensenator Andreas Geisel (SPD) vergangene Woche bei | |
einem abendlichen Ortstermin. Man reagiere damit auf immer mehr Beschwerden | |
von Anwohner*innen, so Giffey. | |
Ein Spätkauf-Betreiber, der die Gegend seit acht Jahren vom Tresen seines | |
Ladens aus erlebt, erzählt, dass es schon lange viele Drogennutzer*innen in | |
der Gegend gebe. In den letzten Jahren seien aber mehr hinzugekommen. Zwei | |
Angestellte eines nahen Supermarktes berichten von herumliegenden Spritzen | |
und dem unverblümten Verkauf von weißem Pulver in der Bahnhofsvorhalle. | |
Bezirksbürgermeisterin Giffey und Innensenator Geisel hätten deshalb gern | |
mehr Videoüberwachung im Bahnhof. Doch bisher sei die dafür zuständige | |
Deutsche Bahn zurückhaltend mit solchen Maßnahmen – im Gegensatz zu den | |
Berliner Verkehrsbetrieben, die den U-Bahnhof mit Kameras ausgestattet | |
haben. | |
Allerdings meidet mancher den U-Bahnhof Neukölln als Drogenumschlagplatz | |
ohnehin: Sie nehme mittlerweile lieber den Bus, erklärt eine junge Frau aus | |
der Nachbarschaft. Denn auch wenn Kameras möglicherweise den offenen Handel | |
eindämmen könnten – der Konsum der Drogen würde wohl weitergehen, weiß au… | |
Giffey. | |
Dreimal wöchentlich sollen darum die Konsummobile im Einsatz sein. Träger | |
ist die Drogenberatungsstelle Fixpunkt. Man wolle in erster Linie die | |
Lebenssituation drogenabhängiger Menschen verbessern, sagt die | |
Sozialarbeiterin Nicola Blättner von Fixpunkt. Zugleich sehe man sich aber | |
auch „als Ansprechpartner für Anwohner“. Viele der Abhängigen seien | |
„Gestrandete, häufig arbeitssuchend und obdachlos“, erklärt Falko Liecke | |
(CDU), der Neuköllner Stadtrat für Gesundheit. | |
## Von den Hauseingängen fernhalten | |
Die Konsummobile sind Teil eines Modellprojekts, das der Bezirk in | |
Kooperation mit der Senatsverwaltung für Gesundheit und Fixpunkt entwickelt | |
hat. Eine Straßensozialarbeiterin ist seit März im Bezirk unterwegs. | |
Viermal wöchentlich soll sie Brennpunkte aufsuchen, die Gegend von | |
herumliegendem Drogenbesteck befreien, Konsument*innen aus den umliegenden | |
Hauseingängen fernhalten und sie auf das Konsummobil aufmerksam machen. | |
Geplant sind außerdem Spritzenmülleimer, die der Bezirk um den Bahnhof | |
herum anbringen will. Bisher gibt es für diese Mülleimer aber kein Modell, | |
in das die alten Spritzen sicher genug entsorgt werden können. | |
Auf die Agenda des Bezirks drängt das Thema seit Langem. Sozialarbeiterin | |
Blättner spricht von einem deutlichen Anstieg der Drogentoten in Neukölln | |
in den letzten Jahren. Zudem seien die Entwicklungen um den Bahnhof | |
alarmierend. Im vergangenen September hätten Bezirksvertreter*innen und die | |
Landesdrogenbeauftragte Christine Köhler-Azara auf Initiative einer | |
Hausverwaltung schließlich Anwohner*innen im Kiez getroffen. | |
Die Diskussion mit der Nachbarschaft überzeugte den Bezirk offenbar von der | |
Notwendigkeit zu handeln: Für das hernach beschlossene Konsummobil wurde | |
auf Erfahrungen aus einem Vorläuferprojekt des Neuköllner | |
Quartiersmanagements Richardplatz Süd zurückgegriffen. „Der Einsatz von | |
Straßensozialarbeit hat im Kiez gut funktioniert, darum haben wir | |
entschieden, das weiterzumachen“, sagt CDU-Stadtrat Liecke. | |
Bis zum geplanten Start Anfang Juni muss das Land noch sein Okay geben. | |
Auftraggeberin ist die Landesdrogenbeauftragte. Finanziert wird das Projekt | |
anteilig: Die 100.000 Euro für das Konsummobil trägt die Senatsverwaltung | |
für Gesundheit. Die Sozialarbeiter*innen finanziert der Bezirk mit 50.000 | |
Euro pro Jahr. Die mobilen Stationen sind vorerst ein Jahr lang im Einsatz, | |
die Sozialarbeiter*innen sind laut Liecke bis Jahresende finanziert. | |
6 Jun 2017 | |
## AUTOREN | |
Anne Pollmann | |
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