| # taz.de -- Smalltalk in Bremen: Lächeln, immer nur lächeln | |
| > Hinter den Kulissen herrscht beinharte Konkurrenz, auf der Bühne aber | |
| > talken Radio Bremen und „Weser-Kurier“ nett miteinander. | |
| Bild: Stein des Anstoßes: Die Medien-Aktivitäten von Radio Bremen. | |
| BREMEN taz |Wenn Radio Bremen und der Weser-Kurier miteinander reden, dann | |
| tun sie das normalerweise streng vertraulich und berichten auch nicht | |
| darüber. In letzter Zeit sind solche Gespräche für Radio Bremen | |
| unerfreulich: Die Heimatzeitung zeige ihm „die kalte Schulter“, plauderte | |
| Radio-Intendant Jan Metzger am Mittwoch aus – bei einem freundschaftlichen, | |
| öffentlichen Talk, zu dem – erstaunlicherweise – beide Seiten erschienen | |
| waren. | |
| Eingeladen hatte die SPD-Fraktion. „Öffentlich-rechtlicher Rundfunk unter | |
| Druck“, war das Thema, „Wie geht es weiter mit dem öffentlich-rechtlichen | |
| Rundfunk?“ die Frage. Das klingt so, als hätten beide ein gemeinsames | |
| Problem. Eher das Gegenteil ist der Fall: Neuerdings reden sogar auch die | |
| Anwälte – der Verlag des Weser-Kuriers klagt gegen Radio Bremen. | |
| Kulturchefin Iris Hetscher für den Weser-Kurier, die auf Einladung der SPD | |
| gekommen war, gab sich dennoch besorgt – sie klagte über mangelnde Qualität | |
| in vielen Sendungen von ARD und ZDF. Dass der Weser-Kurier das | |
| öffentlich-rechtliche Radio eher als Konkurrenz betrachtet, spielte in der | |
| Diskussion kaum eine Rolle. | |
| Intendant Jan Metzger ließ durchblicken, dass bei bestimmten Sendungen sein | |
| persönliches Interesse auch eher gering sei, meinte aber, dass der | |
| öffentlich-rechtliche Rundfunk sich eben nicht nur an Zeit-LeserInnen | |
| richte, sondern auch Bild-KonsumentInnnen versorgen müsse. Er sei ja auch | |
| von allen finanziert. Daher müsse sowohl in dem Bereich der Unterhaltung | |
| wie in dem der Information ein breites Angebot sichergestellt werden. | |
| Wenn Sendungen, bei denen eher eine geringe Zuschauerzahl erwartet wird, | |
| vor allem nach 23 Uhr ausgestrahlt werden, dürfe das eigentlich kein | |
| Argument mehr sein – Interessenten könnten aus der Mediathek jederzeit das | |
| sehen, was sie interessiert. | |
| Auch das Argument von Hetscher, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei | |
| „nicht abhängig von Anzeigen“, zieht also nicht: Es warf eher die Frage | |
| auf, wie die Vertreterin des Weser-Kuriers dazu kommt, die „Abhängigkeit | |
| von Anzeigen“ würde die journalistischen Inhalte und das Programm | |
| beeinflussen. Die Gegenfrage, wie die „Abhängigkeit von Anzeigen“ sich beim | |
| Weser-Kurier auswirkt, wurde aber nicht gestellt. | |
| Selbst populäre Hörfunk-Massenprogramme wie Radio Bremen 1 oder „Vier“, d… | |
| sich von privaten Sendern kaum unterscheiden, kommen derweil nicht ohne | |
| erhebliche Zuschüsse aus den Fernsehgebühren aus, räumte Metzger ein. Beide | |
| Hörfunkprogramme „kosten“ zusammen mehr als fünf Millionen Euro, die | |
| Werbeeinnahmen – inklusive Fernsehen – machen aber nur 3,3 Millionen Euro | |
| des Etats von Radio Bremen aus. Eine genauere Zuordnung von Werbeeinnahmen | |
| und Sendern veröffentlicht Radio Bremen nicht. | |
| Bei dem Verfahren, das die regionalen Zeitungsverlage unter Federführung | |
| des Weser-Kuriers gegen Radio Bremen angestrengt haben, geht es um den | |
| Vorwurf, das Nachrichten-Portal von Radio-Bremen wäre zu „presseähnlich“. | |
| Warum ihr Verlag ausgerechnet gegen ein Element des Qualitätsjournalismus | |
| klage, während sie selbst über mangelnde Qualität klage, wollte Iris | |
| Hetscher nicht erklären – mit Verweis auf den laufenden Prozess. | |
| Intendant Metzger stellte zu dem Thema klar, dass die Internetseiten der | |
| Zeitungen mit ihren Videobeiträgen auch alles andere als „presseähnlich“ | |
| seien, dieser Begriff offenbar wenig tauge, um das Problem zu beschreiben. | |
| Bevor es möglicherweise zu dem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht | |
| kommen könne, würden voraussichtlich im Rundfunkrecht die Bestimmungen zum | |
| Verbot „presseähnlicher“ Internetbeiträge der Rundfunkanstalten geändert. | |
| Das Telemedienrecht müsse insgesamt den „Spielregeln der digitalen Welt“ | |
| angepasst werden, erklärte dazu der ARD-Sprecher Steffen Grimberg. Im | |
| September jedenfalls soll die ARD-Projektgruppe „Strukturen und Prozesse“ | |
| ihre Vorschläge für einen neuen Rundfunkstaatsvertrag vorlegen, Metzger | |
| selbst ist für Radio Bremen an deren Diskussionen beteiligt. | |
| Möglicherweise werden die Medienpolitiker der Parteien sich auch trauen, | |
| die Regelungen über die „Verweildauer“ von Sendungen in den Mediatheken zu | |
| lockern – auch Qualitätssendungen, die für den privaten Wettbewerb privater | |
| Anbieter keine Rolle spielen, dürfen bisher nicht dauerhaft in der | |
| Mediathek angeboten werden – auf Druck der privaten Medienunternehmen. | |
| Auch das spricht nicht für eine Sorge der Privaten um zu wenig Qualität der | |
| Öffentlich-Rechtlichen. Über alle Gräben der juristischen | |
| Auseinandersetzung hinweg sprach sich Hetscher dennoch am Ende „für eine | |
| Zusammenarbeit von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und Qualitätspresse“ | |
| aus. | |
| 1 Jun 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Wolschner | |
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