Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Black Lives Matter“ in Berlin: Ein Monat gegen Rassismus
> In einer Veranstaltungsreihe zeigen sechs Berlinerinnen ab Samstag
> afrodeutsche Realitäten. Damit führen sie eine Tradition fort.
Bild: Schon im vergangenen Jahr gingen schwarze Berliner*innen gegen Rassismus …
Im Frühjahr 1984 wurde die afroamerikanische Denkerin und Aktivistin Audre
Lorde als Gastprofessorin an die Freie Universität Berlin berufen. Am
John-F.-Kennedy-Institut lehrte sie kreatives Schreiben, trug Gedichte von
Schwarzen Amerikanerinnen wie Nikki Giovanni und Carolyn Rodgers vor. Mit
ihren Studierenden sprach sie über die Identität von Schwarzen Menschen und
ihre Erfahrungen als Schwarze Frau in den USA.
Lorde wollte mehr über das Leben afrodeutscher Frauen in Berlin erfahren.
Einmal rief sie die Schwarzen Studentinnen deshalb auf, im Hörsaal zu
bleiben. Sie hatte bemerkt, dass die Frauen sich untereinander nicht
kannten. „Ihr müsst euch zusammentun und zeigen, dass ihr da seid“,
forderte Lorde, „eure Stimme erheben.“
Inspiriert durch Audre Lorde, fand sich im Sommer 1984 eine Gruppe junger
Frauen zusammen. Sie teilten die gemeinsame Erfahrung, nicht als deutsch
wahrgenommen zu werden, obwohl sie hier geboren und aufgewachsen waren.
In ihrem Alltag im Westberlin der 80er Jahre waren sie ständig mit
Rassismus konfrontiert. So kleidete sich etwa die damals 23-jährige Abena
Adomako beim Ausgehen bewusst unauffällig, weil sie auf keinen Fall
aufreizend wirken wollte. Trotzdem erwarteten männliche Discobesucher, dass
sie als Schwarze Frau sexuell besonders freizügig sei. „Alle Frauen werden
angemacht, aber bei mir gibt es keine Zurückhaltung mehr“, erzählt Adomako
im Buch „Farbe bekennen“, in dem die Gruppe um Audre Lorde 1986
Lebensrealitäten afrodeutscher Frauen dokumentierte.
30 Jahre später erleben Schwarze Menschen weiterhin Rassismus im Berliner
Alltag. So auch Josephine Apraku, Schwarze Deutsche,
Afrikawissenschaftlerin und Antirassismusexpertin. „Ich werde immer noch
gefragt, warum ich so gut Deutsch spreche, wo ich eigentlich herkomme oder
wo meine Eltern herkommen“, erzählt sie.
Dass die deutsche Kolonialgeschichte in Schulen und Universitäten nur
lückenhaft behandelt werde, beeinflusse bis heute das Bild von Schwarzen
Deutschen. So stamme auch die Vorstellung, Schwarze Menschen seien
hierzulande fremd, aus der Kolonialzeit. Es müsse endlich akzeptiert
werden, so Apraku, dass Schwarze Menschen Teil der deutschen Gesellschaft
sind.
## Vielseitiges Monatsprogramm
Gemeinsam mit fünf weiteren Frauen organisiert Josephine Apraku diesen Juni
erstmals eine Veranstaltungsreihe in Berlin unter dem Motto „Black Lives
Matter“ – Schwarze Leben zählen auch. An diesem Wochenende finden erste
Filmvorführungen statt, zum Beispiel des diesjährigen Oscargewinners
„Moonlight“. Apraku erklärt: „Unser Ziel ist es, Schwarze Perspektiven u…
Realitäten ins Zentrum zu stellen und die Vielfalt innerhalb dieser
Lebenserfahrungen sichtbar zu machen.“
Deshalb hat sie mit ihrem Team ein vielseitiges Monatsprogramm aus
Poesieabenden, Konzerten, einer Lesung der [1][Bachmann-Preisträgerin
Sharon Dodua Otoo], Diskussionsrunden, Tanz- und Selbstakzeptanzworkshops
und einem postkolonialen Stadtrundgang zur Rolle von Frauen im
Kolonialismus zusammengestellt. Höhepunkt ist eine Demonstration gegen
Rassismus durch Mitte und Kreuzberg mit anschließender Soliparty am 24.
Juni.
„Rassismus bedeutet, dass auch weiße Menschen entmenschlicht werden“,
erläutert Apraku. Indem sie Schwarzen Personen die Menschlichkeit
absprechen und sie erniedrigen, verlieren weiße Menschen letztlich auch
ihre eigene Menschlichkeit. Deshalb sind alle Berliner*innen zur
Veranstaltungsreihe eingeladen.
Die Organisatorinnen möchten den Grundstein für eine aktive
Black-Lives-Matter-Gruppe in Berlin legen. Künftig sollen regelmäßige
Aktionen eine stärkere Vernetzung von bestehenden Initiativen in Berlin und
ganz Deutschland bewirken, darunter auch Adefra (Afrodeutsche Frauen) und
die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland, die sich seit über 30
Jahren gegen Rassismus einsetzen.
Auch weltweite Kooperationen mit Black-Lives-Matter-Gruppen sollen
entstehen. „Rassismus gegen Schwarze Menschen ist international, und
deswegen muss auch unser Widerstand global gedacht werden“, so Apraku.
Für die 30-Jährige gibt es noch einen persönlichen Grund, warum sie sich
ehrenamtlich in der Black-Lives-Matter-Gruppe engagiert: Anders als sie
selbst es in ihrer Schulzeit erlebt hat, soll ihre 15-jährige Schwester ein
breites Angebot an Vorbildern kennenlernen und sich in ihrer Identität als
afrodeutsche Frau selbst definieren dürfen.
3 Jun 2017
## LINKS
[1] /Kommentar-Bachmann-Preistraegerin/!5318615
## AUTOREN
Saida Rößner
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Protest
Diskriminierung
Schwerpunkt Rassismus
Karneval der Kulturen
Schwerpunkt Rassismus
Horror
## ARTIKEL ZUM THEMA
Autorin über Rassismus in Beziehungen: „Unsere Gesellschaft definiert Lieben…
Rassismus und Vorurteile können Liebesbeziehungen prägen. Die Autor*in
Josephine Apraku erklärt, wie sich mit diesem Problem umgehen lässt.
Karneval der Kulturen in Berlin: Der Karneval der anderen
Gegen Rassismus ist der Karneval der Kulturen einst angetreten.
Reproduziert das Massenevent mittlerweile selbst rassistische Strukturen?
Berliner Kolonialgeschichte: Diskriminierung mit langer Tradition
Die Kolonialzeit hat Spuren im Stadtbild hinterlassen. Eine Ausstellung
macht sichtbar, wie ein Berliner Bezirk in die Kolonialpolitik verwickelt
war.
Horrorkomödie über kulturelle Aneignung: Der Rassismus der Freundlichen
Jordan Peeles Debütfilm „Get Out“ handelt vom weißem Hunger nach schwarzer
Lebenskraft. Der Horrorfilm liefert eine gute Zeitdiagnose
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.