| # taz.de -- NSU-Tribunal in Köln: Referent soll zurückkommen | |
| > Die OrganisatorInnen des NSU-Tribunals fordern die Rückkehr eines | |
| > Referenten. Der Roma-Aktivist wurde am Dienstag ins Kosovo abgeschoben. | |
| Bild: Selami Prizreni protestiert gegen Abschiebungen | |
| Bremen taz | Er sollte am Wochenende [1][beim NSU-Tribunal in Köln] dabei | |
| sein: Doch am Dienstag wurde der Essener Roma-Aktivist Selami Prizreni | |
| morgens von der Polizei abgeholt und per Sammelflieger ins Kosovo | |
| abgeschoben. Die OrganisatorInnen des NSU-Tribunals fordern nun, den | |
| 28-Jährigen rechtzeitig zu seinen Veranstaltungen am Wochenende | |
| zurückzuholen. Tim Klodzko, Sprecher des [2][Aktionsbündnisses „NSU-Komplex | |
| auflösen“], erklärte: „Die Abschiebung folgt einer rassistischen Praxis, | |
| die wir mit dem Tribunal anklagen.“ | |
| Das fünftägige NSU-Tribunal begann am Mittwoch mit einer | |
| Auftaktveranstaltung im Schauspiel in Köln. Angehörige der NSU-Opfer und | |
| UnterstützerInnen wollen noch bis Sonntag in Workshops und | |
| Podiumsveranstaltungen über die NSU-Verbrechen und ihre Ursachen wie | |
| strukturellen Rassismus diskutieren. | |
| Prizreni, der sich in Essen in der Gruppe „Roma Arts Aktion“ für die Rechte | |
| der Minderheit engagiert, hätte am Freitag im Hauptprogramm mit anderen | |
| über die Perspektiven antirassistischer Initiativen diskutieren sollen. Am | |
| Samstag sollte er auf einem Workshop über „Institutionellen und | |
| gesellschaftlichen Rassismus gegen Sinti und Roma und den Widerstand | |
| dagegen“ sprechen. Zudem war am Sonntag auf der „Abschluss-Parade“ des | |
| Tribunals in der Keupstraße ein Auftritt von Prizreni geplant, der mit | |
| seinem Bruder in der HipHop-Combo „K.A.G.E“ Musik macht. | |
| Prizreni ist in Deutschlad aufgewachsen und zur Schule gegangen. In den | |
| 1990er Jahren war er mit seiner Familie vor dem Jugoslawienkrieg nach | |
| Deutschland geflohen. 2010 wurde er bereits einmal mit einem seiner Brüder | |
| ins Kosovo abgeschoben. Ein Gericht stellte im Nachhinein fest, dass die | |
| Abschiebung nicht rechtmäßig war. Doch die Gerichtsentscheidung blieb ohne | |
| Konsequenzen. 2014 kehrte Prizreni in seine Heimat zurück. Ein Geschichte, | |
| die der Dokumentarfilmer Sami Mustafa im [3][Film „Trapped by Law“] | |
| festgehalten hat. | |
| Am Donnerstagnachmittag erklärte die Stadt Essen zu dem Fall: „Selami | |
| Prizreni ist 2014 ohne Aufenthaltsgenehmigung oder Visum eingereist, | |
| bisherige Asylanträge sind negativ beschieden worden“. Sein Fall sei in | |
| unterschiedlichen Gremien behandelt worden, unter anderem in einem | |
| Petitionsverfahren. „Der Petitionsausschuss hat die Empfehlung zur | |
| freiwilligen Ausreise ausgesprochen“, erklärte Silke Lenz, Sprecherin der | |
| Stadt Essen. Da er „diese Möglichkeit nicht wahrgenommen“ hat, habe er sich | |
| „illegal in Deutschland“ aufgehalten. „Aufgrund dieses vorliegenden Status | |
| kann auch mit der künstlerischen Tätigkeit kein Aufenthaltsrecht erteilt | |
| werden.“ | |
| ## „Sicheres Herkunftsland“ Kosovo | |
| Prizreni ist in Essen bestens integriert und vernetzt. Eine Petition des | |
| Roma Center Göttingen für seine Rückkehr [4][hatte bis Donnerstag 1.300 | |
| Unterschriften]. | |
| Um seine Abschiebung zu stoppen, hatte sich die nordrhein-westfälische | |
| Europaabgeordnete Terry Reintke noch am Dienstag vergeblich mit einem Brief | |
| an die Essener Ausländerbehörde und den Oberbürgermeister gewandt. Reintke | |
| ist mit Prizreni persönlich bekannt. Auf ihre Einladung hin war er am 8. | |
| April im Rahmen überfraktionell organisierter Feierlichkeiten zum | |
| Internationalen Roma-Tag im EU-Parlament in Brüssel aufgetreten. | |
| „Eine Abschiebung in diesem Fall ist nicht nur integrationsfeindlich, | |
| sondern vor allem auch unmenschlich“, erklärte Reintke. Als Mitglied der | |
| EU-Kosovo-Delegation im Europäischen Parlament habe sie sich wiederholt von | |
| der Situation überzeugen können, dass viele Roma im Kosovo in | |
| unmenschlichen Zuständen lebten und bewusst von gesellschaftlicher Teilhabe | |
| ausgegrenzt würden, erklärte Reintke. „Roma können im Kosovo nicht frei von | |
| Diskriminierung leben.“ | |
| Ungeachtet der schlechten Lage der Roma-Minderheit gilt das Kosovo seit | |
| 2015 als „sicheres Herkunftsland“. Etwa 5.000 Menschen wurde 2016 ins | |
| Kosovo abgeschoben, bei weiteren rund 5.500 Menschen wurde eine | |
| „freiwillige Rückkehr“ gefördert. | |
| 18 May 2017 | |
| ## LINKS | |
| [1] /!5406634 | |
| [2] http://www.nsu-tribunal.de/ | |
| [3] https://trappedbylawmovie.wordpress.com/ | |
| [4] https://www.openpetition.de/petition/online/bleiberecht-fuer-selami-prizren… | |
| ## AUTOREN | |
| Jean-Philipp Baeck | |
| ## TAGS | |
| Abschiebung | |
| Roma | |
| Geheimdienst | |
| Schwerpunkt Rassismus | |
| Schwerpunkt Rechter Terror | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| NSU-Tribunal im Schauspiel Köln: „Ich fühle mich so schuldig“ | |
| Fünf Tage lang klagt das erste NSU-Tribunal an: laut und präzise. Nach viel | |
| Recherche werden Agenten, Neonazis und Politiker der Beihilfe beschuldigt. | |
| Dokumentarfilm über den NSU: Momente der Fassungslosigkeit | |
| Sobo Swobodnik bleibt mit „6 Jahre, 7 Monate und 16 Tage. Die Morde des | |
| NSU“ nüchtern. So driftet er nicht ins Spekulative oder Emotionale ab. | |
| Tribunal zur NSU-Mordserie: „Die Opfer sind keine Statisten“ | |
| Das Leid und die Erfahrungen der Hinterbliebenen spielen in der Justiz nur | |
| eine geringe Rolle. Deshalb haben sie nun in Köln ein eigenes Tribunal | |
| organisiert. |