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# taz.de -- Reformkurs der Fifa: Rückfall in alte Muster
> Vor dem Fifa-Kongress legt das oberste Gremium die Ethikkommission mit
> einem Personalaustausch lahm. Die Kontrolleure waren zu lästig.
Bild: Gelernt ist gelernt: Fifa-Chef Gianni Infantino (r.) lächelt auch beim K…
Berlin taz | Weniger Kontrolle für die höchsten Funktionäre! Das ist
sicherlich die spektakulärste Botschaft, welche die Fifa vom Inselstaat
Bahrain im Persischen Golf aus in die weite Welt sendet. Angesichts des
massiven Verfolgungsdrucks der schweizerischen und vor allem
US-amerikanischen Ermittlungsbehörden, die in diesen Tagen mit Argusaugen
nach Bahrain blicken, um den vielfach beschworenen Reformkurs der Fifa in
Augenschein zu nehmen, zeugt dieser rückwärtsgewandte Beschluss von einem
ganz exklusiven Inselbewusstsein.
Schon vor der Eröffnung des Fifa-Kongresses in Bahrains Hauptstadt Manama
setzte das Council, das oberste Fifa-Entscheidungsgremium, in seiner
fünfstündigen Mammutsitzung am Dienstag ein wegweisendes Signal. Die beiden
Hauptverantwortlichen der Ethikkommission, der deutsche Richter
Hans-Joachim Eckert sowie der Schweizer Chefermittler Cornel Borbely,
wurden nicht für eine weitere Amtszeit vorgeschlagen und können deshalb von
den Kongressmitgliedern am Donnerstag nicht bestätigt werden. Stattdessen
stehen mit der Kolumbianerin María Claudia Rojas und dem Griechen Vassilios
Skouris, früher Präsident des Europäischen Gerichtshofs, zwei neue
Kandidaten zur Wahl.
Die Ethikkammer hat sich in den vergangenen Jahren mit ihren Ermittlungen,
die über 60 Funktionäre betrafen – unter anderem auch den Fifa-Chef Gianni
Infantino selbst – nicht gerade beliebt gemacht. Infantino soll sich und
seine Council-Kollegen in internen Gesprächen als „Geiseln“ der
Kontrollgremien bezeichnet haben, was er allerdings bestreitet.
Von ihrer Absetzung erfuhren Eckert und Borbely eigenen Angaben zufolge
erst nach ihrer Landung in Bahrain durch die Medien. Bis auf zwei
Mitglieder der beiden Ethikkammern wird das Personal komplett ausgetauscht.
„Das wirft die Reformen um Jahre zurück, die Fifa wird deswegen leiden“,
sagte der frühere Chef-Ermittler Cornel Borbely am Mittwoch in Manama auf
einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Es gebe keine Phase des
Übergangs. „Mehrere hundert Fälle sind noch offen. Wir haben viele laufende
Untersuchungen.“ Borbely sprach von einer „ausschließlich politisch
motivierten“ Entscheidung.
DFB-Präsident Reinhard Grindel beteuerte, er hätte sich bei Council-Sitzung
für den Verbleib von Eckert und Borbely eingesetzt. Als einzige inhaltliche
Begründung für deren Abberufung habe Fifa-Präsident Infantino angeführt, es
habe Beschwerden über die europäische Dominanz gegeben.
## Noch billigen US-Behörden der Fifa den Opferstatus zu
Zu tun gibt es jedenfalls weiterhin reichlich im skandalumtosten
Weltverband. Vor knapp zwei Wochen erst gestand Richard Lai, Mitglied der
Fifa-Audit und Compliance-Kommission, vor einem New Yorker Bundesgericht,
Schmiergelder von knapp einer Million Dollar angenommen zu haben. In diesem
Zusammenhang geriet der wohl mächtigste Strippenzieher der
Sportfunktionäre, der kuwaitische Scheich Ahmad al-Fahad al-Sabah ins
Zwielicht und trat daraufhin von seinem Sitz im Fifa-Council zurück. Seine
Unschuld beteuert al-Sabah, der auch Chef des Verbunds aller olympischen
Komitees ist, nach wie vor.
Vor dem Hintergrund dieser und weiterer brisanter Ermittlungen erstaunt die
Unbekümmertheit, mit der sich die Fifa seiner internen Ermittler
entledigte. Noch wird dem Weltverband von den amerikanischen Behörden der
Opferstatus zugebilligt. Würde die Fifa bald als Täterorganisation
angeklagt, könnte sich das verheerend auf die ohnehin schon schlechter
werdenden Bilanzen auswirken. Für das Jahr 2016 wurde gerade ein Verlust
von knapp 350 Millionen Euro verbucht und unter anderem mit den
Verfehlungen der Ära Blatter begründet. Auch den Schwund der Sponsoren hat
man bislang nur unzureichend kompensieren können. Nur in ausgewählten
Regionen hat man keine Berührungsängste mit der Fifa. Qatar Airways aus dem
Gastgeberland der WM 2022 unterzeichnete jüngst einen Vertrag in der
höchsten Sponsorenkategorie mit dem Weltverband.
Angesichts der finanziellen Misere ist es umso verwunderlicher, dass auf
dem Kongress in Manama über eine veritable Anhebung der Bezüge der
Council-Mitglieder diskutiert werden soll. Statt 300.000 soll es jährlich
450.000 Dollar geben.
Um der Schwarzmalerei zu begegnen, hob DFB-Chef Grindel die „ermutigenden“
Signale der Council-Sitzung vor dem Fifa-Kongress hervor. Eine Vorvergabe
der WM 2026 an die USA, Kanada und Mexiko sei ebenso abgelehnt worden wie
der Antrag, ein kleineres Council-Gremium, das aus dem Fifa-Chef und den
Kontinentalpräsidenten bestehen sollte, zu schaffen und mit mehr Macht
auszustatten. „Die Sensibilität, nicht in alte Verhaltensmuster
zurückzufallen, ist durchaus vorhanden“, bilanzierte Grindel.
Dass diese Sensibilität ausgerechnet bei der Besetzung der Kontrollgremien
aussetzt, lässt die von Grindel beschriebenen Erfolge allerdings nur wie
kosmetische Veränderungen erscheinen. Die alten Verhaltensmuster sind in
der Fifa noch quicklebendig. In seinem letzten Jahresrückblick erklärte
Gianni Infantino: „Beim nächsten Rückblick wird sich der Fußball weltweit
prächtig entwickeln und die Fifa wieder volles Vertrauen genießen.“
Ex-Fifa-Chef Sepp Blatter hätte es nicht besser formulieren können.
11 May 2017
## AUTOREN
Johannes Kopp
## TAGS
Fifa
Fifa-Ethikkommission
Sepp Blatter
Fußball
Confed Cup
Fußball
Fußball-WM 2006
Deutscher Fußballbund (DFB)
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