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# taz.de -- Politische Krise in Mazedonien: Der Sturm aufs Parlament
> Die nationalistische Regierung und ihre Anhänger wollen in Skopje den
> Machtwechsel verhindern – mit einem brutalen Sturm aufs Parlament.
Bild: Den Demonstranten missfällt der Plan des Oppositionsführers Zaev, sich …
Sarajevo Die Menschen, die am Donnerstagabend das Parlament in Mazedonien
stürmten, waren nicht irgendwelche aufgebrachten Bürger. Sie machten
regelrecht Jagd auf Abgeordnete der Sozialdemokraten und der
Albanerparteien, die sich anschicken, die Regierung zu übernehmen. Sie
gingen mit Stühlen und Fäusten auf ihre Gegner los. Der designierte
Ministerpräsident Zoran Zaev wurde an der Stirn verletzt, seine
Mitarbeiterin Radmilla Sekerinska an den Haaren zu Boden gerissen. Der
albanischstämmige Abgeordnete Zijadin Sela soll mit blutverschmierten Kopf
durch den Plenarsaal gezogen worden sein. Dutzende Abgeordnete suchen vor
dem Mob Schutz im Presseraum. Journalisten, die als oppositionsnah gelten,
bezogen Prügel, während regierungstreue Medienvertreter feixend
danebenstanden.
Nach den vorliegenden Informationen waren vermummte Geheimdienstleute und
Schlägertrupps der Regierungspartei VMRO an dieser Aktion beteiligt. Die
Polizei hielt sich auffällig zurück. Erst nach Stunden setzten
Spezialeinheiten dem Treiben ein Ende.
Die Gründe für den Angriff liegen auf der Hand. Der konservative
Exregierungschef Nikola Gruevski kann sich wie seine Partei, die
nationalistische Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation (VMRO),
nicht mit dem drohenden Machtverlust abfinden. Bei den Wahlen im Dezember
2016 hatte die VMRO zwar 51 der 120 Sitze im Parlament erringen können,
doch die oppositionellen Sozialdemokraten lagen mit 49 Sitzen fast
gleichauf. Zünglein an der Waage ist seitdem die Albanerpartei DUI. Sie
hatte bis zu den Wahlen mit Gruevski eine Koalition gebildet, aber dann
beschloss ihr Chef, Ali Ahmeti, die Fronten zu wechseln.
Er hatte dafür sehr lange gebraucht. Während der Verfassungskrise 2015,
[1][als Wahlfälschungen ruchbar geworden waren] und die Regierung danach
alles versucht hatte, Neuwahlen zu vermeiden, war Ahmeti in der
Regierungskoalition geblieben. Doch im Sommer 2016 bröckelte seine
Loyalität. Der immer sichtbarer werdende Einfluss Russlands auf Gruevski
zwang den für die Integration Mazedoniens in die EU und Nato eintretenden
albanischstämmigen Politiker dazu, die Seiten zu wechseln.
## Verhinderung der Regierungsbildung
Seit ihrer Wahlniederlage versuchten die Anhänger Gruevskis mit Tricks, die
Bildung einer neuen Regierung zu verhindern. Der Gruevski nahestehende
Staatspräsident Gjorge Ivanov weigert sich bis heute, den Regierungsauftrag
an die Sozialdemokraten zu geben. Am Donnerstag gelang es schließlich, den
Albaner Talat Xhaferi zum neuen Parlamentspräsidenten zu wählen. Noch am
selben Tag kam es zu dem Sturm auf das Parlament.
Der Sozialdemokrat Zoran Zaev wird jetzt versuchen, mit Ahmeti zusammen
eine neue Regierung zu bilden. Er hat dafür die Sympathie der EU-Staaten.
Doch die VMRO ist noch nicht geschlagen. Sie wird nun verstärkt mit
antialbanischen und antiislamischen Parolen die orthodox-christliche und
slawische Mehrheitsbevölkerung mobilisieren und das Schreckgespenst einer
albanisch-islamischen Machtübernahme an die Wand malen.
Die Kampagne dafür hat schon begonnen. Die Forderung der Albaner, endlich
die im Vertrag von Ohrid 2001 zugesicherten Minderheitenrechte der Albaner
vollständig umzusetzen und in Bezirken mit mindestens 20 Prozent
Albaneranteil die albanische Sprache als zweite Amtssprache zuzulassen,
wird von der VMRO als Bedrohung der ethnischen Mazedonier dargestellt.
Der Konflikt hat zudem eine internationale Dimension. Nikola Gruevski
spielt mit der russischen Karte. Die zunehmende Krise in der EU hat den
Einfluss der „orthodoxen Brüder“ aus Moskau steigen lassen. Und Putin
möchte verhindern, dass Mazedonien und auch Montenegro in die Nato
eintreten.
28 Apr 2017
## LINKS
[1] /Parlamentswahl-in-Mazedonien/!5364731
## AUTOREN
Erich Rathfelder
## TAGS
Mazedonien
Nationalismus
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