# taz.de -- „Die Getriebenen“ von Robin Alexander: Manipulativer Politkrimi | |
> Alexanders Buch über den Herbst 2015 spitzt die „Flüchtlingskrise“ auf | |
> die Entscheidungsschwäche von Merkel & Co. zu. Es verengt den Blick. | |
Bild: Davon träumen auch viele Deutsche: Abschottung der Grenze, hier in Mazed… | |
Wenn ein Buch zur sogenannten Flüchtlingskrise innerhalb kürzester Zeit | |
Zehntausende von KäuferInnen findet und im Netz begeisterte Kommentare | |
erntet, dann hat das Buch die Stimmung vieler Menschen getroffen. Das kann | |
entlastend sein – oder bedrückend. | |
In seinem Buch „Die Getriebenen“ (Siedler Verlag) rekonstruiert der | |
Welt-Journalist Robin Alexander die Entscheidungen und Nichtentscheidungen | |
von Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihres Führungspersonals während der | |
sogenannten Flüchtlingskrise im Herbst 2015. Wer mit wem telefonierte, wer | |
nicht ans Handy ging, wer in den wichtigsten Stunden mit Fieber im Bett lag | |
– Alexander hat es sich von Insidern erzählen lassen. Diese Nahaufnahmen | |
aus den politischen Zirkeln ergeben im Gegenschnitt mit den | |
Hunderttausenden von Flüchtlingen, die sich auf den Weg nach Deutschland | |
machten, einen dramatischen Fernsehspiel-Effekt. | |
Zum wichtigsten Tag macht Alexander den 13. September, als die | |
Bundespolizei in Deutschland tatsächlich bereitstand, die Grenzen zu | |
schließen und Tausende von Asylsuchenden nicht mehr nach Deutschland | |
durchzulassen. Die Kanzlerin sorgte sich um mögliche Gewaltszenen, die | |
Grenze blieb offen. „Es findet sich in der entscheidenden Stunde schlicht | |
niemand, der die Verantwortung für die Schließung übernehmen will“, | |
schreibt Alexander. | |
## Futter für Merkel-Hasser | |
Das Buch kommt als Dokumentation einer Entscheidungsschwäche von Merkel, | |
Thomas de Maizière & Co daher, wirkt aber gerade dadurch manipulativ. Es | |
suggeriert, Merkel hätte den Flüchtlingszuzug von Hunderttausenden und | |
damit Schaden von Deutschland abwenden können, hätte sie die Grenze im | |
September rechtzeitig geschlossen. Diese Personalisierung verengt den | |
Blick, sie ist ein Vereinfachungsangebot, das der Vorgeschichte des Zuzugs, | |
der Historie und politischen Rolle Deutschlands zu wenig Beachtung schenkt. | |
In Syrien herrschte Krieg, in den Flüchtlingslagern das Elend, andere | |
EU-Länder winkten Geflüchtete weiter, das Verfassungsgericht hatte einen | |
relativ hohen Sozialstandard für Asylsuchende in Deutschland fixiert, | |
Tausende Flüchtlinge waren bereits Monat für Monat nach Deutschland | |
unterwegs. Hätte man im September 2015 versucht, 800 Kilometer deutscher | |
Grenze mithilfe von bewaffneten Uniformierten zu schließen, vielleicht noch | |
mit Zäunen, Stacheldraht und Tränengas, letztlich nach der Methode Ungarns, | |
wären die politischen und humanitären Folgen ungleich dramatischer gewesen | |
als später in Mazedonien. | |
„Die Getriebenen“ ist eine dramaturgische Bearbeitung, jedoch nicht die | |
letzte „Wahrheit“ über die „Flüchtlingskrise“. Die KommentatorInnen b… | |
„Amazon“ lesen das Buch aber als „Chronologie des Staatsversagens“ und | |
sehen sich in ihrem Hass auf Merkel bestärkt. Dahinter steht der Wunsch | |
nach einer starken Führungskraft, die Deutschland abschottet und vom | |
„Flüchtlingsproblem“ befreit. Und das ist beklemmend. | |
6 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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Schwerpunkt Flucht | |
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) | |
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