# taz.de -- Regionalkrimi auf den Färöer-Inseln: Bluttat passend zur Landscha… | |
> Ein Schotte flieht auf die Inseln. Er säuft und schlägt gern zu, doch ein | |
> Mörder ist er nicht. Wer hat das Walmesser in seiner Jackentasche | |
> deponiert? | |
Bild: Nicht nur beim Walschlachten geht es auf der Insel blutig zu | |
Die Leute auf den Färöer-Inseln haben ihre kulturellen Eigenarten. Dazu | |
gehört das Herstellen von sündhaft teuren Wollpullovern (europaweit berühmt | |
geworden durch „Kommissarin Lund“) wie auch das hartnäckige Bejagen | |
vorbeiziehender Grindwale, die von den Inselbewohnern zu Massen in seichte | |
Buchten abgedrängt und dort getötet werden. | |
Der schottische Autor C. R. Neilson hat diese und andere färöische | |
Besonderheiten wohl genau studiert; sein Krimi „Das Walmesser“ jedenfalls | |
steckt voller interessanter landeskundlicher Hintergrundinformationen. Das | |
Gute daran ist, dass das kein bisschen nervt. Neilson schafft es sehr gut, | |
die Waage zu halten zwischen den Anforderungen eines Regionalkrimis und den | |
Herausforderungen des Spannungsgenres. | |
Der landeskundliche Blick wirkt auch deshalb ganz natürlich, weil die | |
Hauptperson – der Ich-Erzähler – selbst von außen auf die Färöer-Inseln | |
kommt und die Perspektive des Fremden nie verliert. John Callum ist Schotte | |
aus Glasgow und hat dort etwas hinter sich gelassen, das so schrecklich | |
ist, dass er es unbedingt vergessen will, das ihn aber im Traum bedrängt. | |
Langsam lebt er sich in Tórshavn ein, findet Arbeit in einer Fischfabrik, | |
schließt Bekanntschaften, beginnt gar eine Liebesbeziehung mit der | |
temperamentvollen jungen Künstlerin Karis – da geschieht, ein unerhörter | |
Vorgang auf dem friedlichen Atlantik-Archipel, ein Mord! | |
John ist der Hauptverdächtige, da er sich zuvor mit dem Ermordeten | |
gestritten hat und zu betrunken war, als dass er sich im Nachhinein an die | |
Geschehnisse der Nacht erinnern könnte. In seiner Jackentasche findet er | |
ein Walmesser, das ihm nicht gehört und an dem Blut klebt. Derweil trifft | |
ein Ermittlerteam aus Dänemark ein, das dem Schotten unbedingt das Handwerk | |
legen will. | |
## Gut und Böse brauchen sich | |
John Callum ist kein „guter Mensch“, so wie eigentlich niemand in dieser | |
Geschichte durch und durch gut ist. Und C. R. Neilson ist kein großer | |
Psychologe unter den Autoren, doch er macht nachvollziehbar, dass | |
prinzipiell allen alles zuzutrauen ist und dass Kategorien wie Gut und Böse | |
nicht immer wirksam voneinander getrennt werden können. John mag sich | |
schuldig gemacht haben; aber jeder Mensch kann in eine Situation geraten, | |
in der das moralische Handeln aussetzt. Diesen Vorgang vor der umwerfenden | |
Naturkulisse einer Inselgruppe weit draußen im Meer zu zeigen, wo der | |
Mensch mehr als anderswo den Elementen ausgesetzt ist, macht diese | |
vielleicht sogar ziemlich normale, seelische Haltlosigkeit um so | |
sichtbarer. | |
Beim Lesen hat man das Gefühl, diesen Roman, diese Landschaft, tatsächlich | |
zu „sehen“. Ohne in langatmige Naturbeschreibungen zu verfallen, integriert | |
Neilson die ruppige Landschaft der Atlantikinseln organisch in die | |
Romanhandlung. Hier und da mag eine Szene so ein bisschen an den Haaren | |
herbeigezogen sein, nur damit eine weitere spektakuläre Szenerie als | |
Kulisse dienen und im Landeskunde-Parcours vorgestellt werden kann; dennoch | |
verliert der Roman dabei niemals an Grundspannung und Atmosphäre. | |
Etwas ermüdend sind lediglich die ausgedehnten Prügelszenen – die aber | |
wiederum dazu dienen, Johns tendenzielle Gewalttätigkeit zu demonstrieren | |
– sowie die zahlreichen Traumsequenzen. Aber das ist jetzt wirklich schon | |
Jammern auf ziemlich hohem Niveau. | |
1 Apr 2017 | |
## AUTOREN | |
Katharina Granzin | |
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