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# taz.de -- Chef des Bayerischen Rundfunks hört auf: Aus tiefschwarzer Hölle
> Sigmund Gottlieb, Chefredakteur des Bayrischen Rundfunks, geht in Rente.
> Sein erzkonservatives Dahermeinen wird uns fehlen – nicht.
Bild: SPD-Kandidat Christian Ude (rechts) beim Rededuell mit Horst Seehofer (li…
Die nächste Flutkatastrophe wird sich gut überlegen, ob sie wirklich kommen
soll. Welchen Sinn haben Überschwemmungen noch, wenn sie nicht von Sigmund
Gottlieb in einem Brennpunkt gewürdigt werden? Der langjährige
Chefredakteur des Bayerischen Rundfunks geht in Rente. Der Wackeldackel des
deutschen Fernsehens mit seiner unverwechselbaren Chow-Chow-Frisur, der
immer so schön genickt hat bei jedem Wort, das ihm wichtig war, verlässt
den Bildschirm. Es ist ein Jammer.
Gottlieb war es, der die Erinnerung daran wachgehalten hat, aus welch
tiefschwarzer Hölle der Bayerische Rundfunk kommt. Seine, nun ja, höflichen
Interviews mit CSU-Größen waren wie ein Trip mit der Zeitmaschine in jene
Epoche, als der Bayerische Rundfunk noch mit Fug und Recht als
öffentlich-rechtlicher Arm der bayerischen Staatsregierung bezeichnet
werden durfte. „Ist es nicht so, sehr verehrter Herr Ministerpräsident,
dass …“ – Im deutschen Fernsehen gab es keinen besseren Stichwortgeber als
Gottlieb.
Auf die Spitze getrieben hat er diese Kunst, als ihm die Ehre zuteil wurde,
nach dem Putschversuch in der Türkei für die ARD ein ausführliches
Interview mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayip Erdoğan führen
zu dürfen. Die Säuberung im Justiz- und Bildungswesen war da längst im
Gange und die ersten Journalisten aus dem Verkehr gezogen. „Aber müssen Sie
nicht dafür sorgen, dass es eine gute Bildung in der Türkei gibt?“ So
Fragen halt.
Schon bevor das Interview ausgestrahlt wurde, meinten nicht wenige, bei der
Meldung, Sigmund Gottlieb werde dem türkischen Präsidenten auf den Zahn
fühlen, könne es sich nur um einen schlechten Scherz handeln. Irgendwie war
es dann ja auch einer. Der Gottlieb hat gemacht, was er eben kann. Wir
haben sehr gelacht. Und da war sie wieder, die Erinnerung an den
liebedienerischen bayerischen Propagandakanal. Alte Schule eben.
Den Mut, die Lage der drangsalierten Journalistenkollegen in der Türkei
anzusprechen, hatte er jedenfalls nicht. Dafür hat er ein Buch über
Zivilcourage geschrieben. „Mutprobe“ heißt es. „Zum Helden sind die meis…
Menschen – wie gut – nicht geboren“, schreibt er da. Ein Moment der
Selbsterkenntnis?
Dass Gottlieb ganz nett lächeln kann, hat er bei seinem vielleicht
berühmtesten Auftritt unter Beweis gestellt. Es war der Tag der
Landtagswahl in Bayern. Die Wahlberichterstattung war beim Auftritt des
damaligen SPD-Chefs Sigmar Gabriel angekommen. Doch dem wird mitten im Satz
der Saft abgedreht. Gottlieb grinst, meint, das sei doch alles recht
erwartbar, und darum wolle man für ein wenig Abwechslung sorgen.
Womit? Mit einem Portrait des wiedergewählten Ministerpräsidenten Horst
Seehofer, das lobhudeliger nicht hätte ausfallen können. Und wieder war sie
da, die Erinnerung an den guten, alten Propagandafunk aus München, der sich
einst aus dem ARD-Programm ausgeklinkt hat, weil im Ersten allzu kritisch
über den Rhein-Main-Donau-Kanal gewitzelt worden ist.
Sigmund Gottlieb wird auch als Kommentator fehlen, als einer, der
zuverlässig erzkonservativ das dahermeint, was auch im CSU-Programm stehen
könnte, der nicht viel von Griechen hält, für den Integration kein Angebot
sondern eine Forderung ist, und der Angst schürt, wenn der islamistische
Terror in Europa wütet. Und wenn er mal die Forderung des
CSU-Generalsekretärs Andreas Scheuer, dass in Einwandererfamilien
gefälligst deutsch zu sprechen sei, als „bescheuert“ bezeichnet, dann vor
allem deswegen, weil er dachte, dass sie der CSU zum Nachteil gereichen
könnte.
Was bleibt nun noch vom guten, alten bayerischen Staatsfernsehen ohne ihn?
Mit Gottliebs Verschwinden aus dem Fernsehen stirbt das letzte Stück des
hassgeliebten Schwarzfunks. Wird das bayerische Fernsehen jetzt ein ganz
normaler Teil des öffentlich-rechtlichen Normalitariats? Das kann niemand
wollen, der auf gute Unterhaltung in Fernsehen steht.
Deshalb ist Wehmut angebracht angesichts seiner Verrentung. Und weil
Gottlieb Franke ist, sagen wir zum Abschied leise: „Ade!“
31 Mar 2017
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
## TAGS
Bayerischer Rundfunk
CSU
Horst Seehofer
Propaganda
Bayerischer Rundfunk
CSU
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