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# taz.de -- Islamistinnen in Indonesien: Emanzipation mit Bombe
> Sie arbeitete als Putzfrau und plante, sich in die Luft zu sprengen. Die
> nun Festgenommene ist nur ein Beispiel für ein neues Problem Indonesiens.
Bild: „Kalifat“ steht auf dem Mundschutz dieser Frau, die im Oktober in Ria…
Jakarta taz | Der Personalausweis in den Polizeiakten zeigt ein Gesicht,
das einem Kind gehören könnte. Doch Dian Yulia Novis unschuldiger Blick
täuscht. Die 27-jährige Indonesierin war kurz davor, Indonesiens erste
weibliche Selbstmordattentäterin zu werden.
Im Dezember war sie in Jakarta im Besitz einer aus einem Kochtopf
gefertigten Bombe verhaftet worden. Ein Mitglied der Terrororganisation
Islamischer Staat (IS) habe sie beauftragt, sich während der zeremoniellen
Wachablösung am Präsidentenpalast in Jakarta in die Luft zu sprengen. Seit
2016 ist die Parade der Leibwächter von Präsident Joko Widodo auch für die
Öffentlichkeit zugänglich.
Novi ist kein Einzelfall. Ebenfalls im Dezember wurde auf der Ferieninsel
Bali eine Frau festgenommen, die ähnliche Absichten gehabt haben soll.
Beide mutmaßlichen Terroristinnen arbeiteten als Reinigungskräfte und seien
über eine IS-freundliche Frauenhilfsorganisation in Kontakt mit der
Terrorgruppe gebracht worden.
„Das ist der Beginn einer neuen Entwicklung, nicht nur in Indonesien,
sondern der Region“, sagt Sidney Jones, Direktorin des Instituts für
Konfliktanalyse (Ipac) in Jakarta. Das Institut hat die wachsende
Bedeutung von Frauen im islamistisch motivierten Terrorismus in Südostasien
analysiert. Frauen, die als Mütter oder Gattinnen von Dschihadisten den IS
bisher aus dem Hintergrund unterstützt hätten, wollten jetzt eine aktivere
Rolle. „Sie drängen die Männer dazu, ihnen eine zu geben.“ Emanzipation m…
der Bombe.
## Frauengruppen fordern häufig den „Gottesstaat“
Während im Nahen Osten Frauen schon länger im terroristischen Kampf aktiv
sind und auch in Europa dabei zunehmend Frauen in Erscheinung treten, ist
dies in Indonesien neu. Fast 90 Prozent der 250 Millionen Bewohner des
Inselstaates sind Muslime. Der weitaus größte Teil von ihnen folgt einer
moderaten Auslegung des Glaubens. Die wachsende Rolle von Frauen im
islamistischen Terrorismus würde von einer stärker werdenden Präsenz
islamistischer Gruppen in Indonesiens Politik begleitet, so Jones.
Auch in der seit Monaten schwelenden Opposition von Islamisten gegen die
Wiederwahl des christlichen Gouverneurs von Jakarta, Basuki „Ahok“ Tjahaja
Purnama, nehmen Frauen eine immer prominentere Rolle ein. Bei Protesten
gegen den Politiker, dem radikale Muslime „Gotteslästerung“ vorwerfen,
vertreten häufig Frauengruppen fundamentalistische Koran-Interpretationen
und fordern die Schaffung eines „Gottesstaates“.
Bei einer Protestaktion der konservativen islamischen Organisation Hizb
ut-Tahrir in Jakarta machte die Aktivistin Ismah Cholil vor 3.000
Zuschauern klar, wie das Leben in einem „Kalifat“ aussehen würde. „Männ…
und Frauen, die vorehelichen Sex haben, müssen mit 100 Peitschenhieben
bestraft werden“, habe Cholil ins Mikrofon gebrüllt, berichtete ein
australischer Reporter. Homosexuelle sollten demnach wie Vergewaltiger und
andere Kriminelle behandelt werden: „Tötet sie! Damit wird ihre üble Tat im
Boden vergraben, vermischt mit den Bakterien und Würmern, und sie werden
keine Zeit haben, die Lebenden anzustecken.“
Von politischem und religiösem Engagement bis zur Ausführung eines
Terroranschlags sei zwar ein langer Weg, sagen Experten. Dabei spiele aber
der Kontakt mit Gruppen, die eine fundamentalistische Religionsauslegung
verfolge, eine wichtige Rolle.
## Mordauftrag per Sofortnachricht
Soziale Medien seien für Frauen heute das Instrument der Wahl, so das Fazit
von Ipac. „Frauen können an radikalen Chaträumen teilnehmen, Männer
treffen, IS-Propaganda lesen, ihre Wünsche ausdrücken und gleichgesinnte
Freunde finden – alles in der relativen Sicherheit verschlüsselter
Nachrichten“. Die Beinahe-Attentäterin Novi hatte den Mordauftrag über den
Sofortnachrichtendienst Messenger erhalten.
Indoktrinierte Begleiterinnen getöteter indonesischer IS-Dschihadisten, die
aus Syrien und Irak zurückkehren, könnten sich am ehesten dem Terrorismus
zuwenden. Laut Jones sind aber auch indonesische Arbeitsmigrantinnen im
Ausland potenziell anfällig.
„Sie haben ein größeres Selbstbewusstsein, eine bessere internationale
Perspektive, sprechen besser Englisch oder Arabisch und haben mehr
Erfahrung mit Computern als daheim gebliebene Frauen.“ Außerdem hätten sie
im Ausland ein starkes Bedürfnis gehabt, zu einer „Gemeinschaft“ zu
gehören. Das mache sie zum „attraktiven Ziel für die Anwerbung“ durch
männliche IS-Kämpfer.
Laut Jones sind Indonesiens Sicherheitskräfte schlecht auf die Gefahr
weiblicher Terroristinnen vorbereitet. Ein Hindernis sei die kulturell und
religiös motivierte Zurückhaltung der Sicherheitskräfte, Frauen auf
versteckte Waffen oder Sprengstoff hin zu kontrollieren.
21 Mar 2017
## AUTOREN
Urs Wälterlin
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