| # taz.de -- Deutscher in Griechenland verurteilt: Das Urteil bleibt ein Skandal | |
| > Ein deutscher Rentner, der syrische Flüchtlinge über die Ägäis | |
| > transportierte, wurde in der Revision vor einem Gericht schuldig | |
| > gesprochen. | |
| Bild: Rentner Bernd Keller kann sich wenigstens über seine Freilassung freuen | |
| Berlin taz | Die gute Nachricht zuerst: Bernd Keller kommt auf freien Fuß. | |
| Die schlechte gleich danach. Der Pensionär aus Deutschland ist dennoch | |
| wegen Einschleusens von 6 Personen ohne Einreiseerlaubnis zu 3,5 Jahren | |
| Haft verurteilt worden. Das hat ein Gericht auf der griechischen Insel | |
| Rhodos am Mittwoch im Revisionsverfahren entschieden. Weil Keller schon | |
| zweieinhalb Jahre in Haft sitzt, wurde er sofort freigelassen. | |
| In der Revision wurde das ursprüngliche Strafmaß von 16,5 Jahren aus dem | |
| ersten Verfahren erheblich verkürzt. Bernd Keller wird auch kein | |
| Profitstreben mehr unterstellt. Er habe nicht aus Geldgier gehandelt und | |
| sei auch kein „Mehrfachtäter“. Seine Frau wurde freigesprochen. Dem Ehepaar | |
| wird das beschlagnahmte Geld und vor allem das beschlagnahmtes Boot | |
| zurückgegeben. | |
| Seit September 2014 saß der 69-jährige deutsche Rentner in griechischer | |
| Haft. Der pensionierte Beamte aus Hessen hatte auf seinem Holzboot eine | |
| syrische Flüchtlingsfamilie von der Türkischen Riviera auf die griechische | |
| Insel Symi mitgenommen (die taz berichtete). Nach Meinung der griechischen | |
| Justiz hatte er damit den Tatbestand des Menschenschmuggels erfüllt. | |
| ## Verhör mit Google Translate übersetzt | |
| Grundlage seiner ersten Verurteilung war ein Verhörprotokoll, dessen | |
| Richtigkeit Keller stets angefochten hatte. Dies sei nach einer Befragung | |
| durch einen gebrochen Deutsch sprechenden griechischen Vernehmungsbeamten | |
| zustande gekommen. Der Polizist habe seine Notizen mit Hilfe von Google | |
| Translate ins Griechische übersetzt. Keller, mit dem die taz mehrfach im | |
| Gefängnis telefonieren konnte, meint, dass sich so Fehler und | |
| Missverständnisse in das Strafverfahren gegen ihn eingeschlichen hätten und | |
| das erstinstanzliche Urteil somit auf falschen Annahmen beruhe. | |
| Anders als im Urteil ausgeführt, habe er von den syrischen Flüchtlingen | |
| kein Geld bekommen. Außerdem habe er nicht „wiederholt“, wie im Urteilstext | |
| steht, Flüchtlinge auf die griechische Insel Symi gebracht. Richtig sei | |
| lediglich, dass er mit seiner Frau die Insel, die wenige Kilometer vor der | |
| türkischen Küste liegt, mehrfach besucht habe. | |
| Unstrittig ist, dass Keller und seine Gattin am späten Vormittag des 14. | |
| September 2014 sechs Syrer im Alter von 2 bis 36 Jahren von Bozburun nach | |
| Symi mitnahmen. Keller betont, dies aus „humanitären Gründen“ getan zu | |
| haben. Nach der Überfahrt ließ sich das Ehepaar in einem Hafenrestaurant | |
| nieder und bestellte Mittagessen. Dort wurden der Deutsche und seine | |
| 57-jährige, von den Philippinen stammende Frau von der griechischen Polizei | |
| festgenommen. | |
| Der Fall wirft schwerwiegende menschenrechtliche Fragen auf. Wie weit | |
| möchte die Europäische Union in der Strafverfolgung von „Schleppern“, die | |
| Kriegsflüchtlinge über die EU-Außengrenze transportieren, gehen? Darf ein | |
| deutscher Urlauber, der einmal eine syrische Familie sicher von der Türkei | |
| nach Griechenland geschippert hat, in einem EU-Mitgliedstaat zu mehr als 16 | |
| Jahren Gefängnis verurteilt werden? Außerdem weckt der Ablauf des | |
| Gerichtsverfahrens Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit. Der wichtigste | |
| Belastungszeuge, der Polizist, der das Verhörprotokoll aufgenommen hatte, | |
| erschien erst gar nicht vor Gericht. | |
| 16 Mar 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Buchen | |
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