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# taz.de -- Irische Filme in Berlin: Vom Hoffen und Verlieren
> Das „Shebeen Flick – Irish Film Festival“ im Kreuzberger Kino Movimento
> zeigt Klischees und Realitäten des grünen Inselstaates.
Bild: Im Oscar-prämierten Kurzfilm „Stutterer“ hat ein stotternder Mann An…
Ireland in a nutshell – das gibt es in Kev Cahills „The Nation Holds Its
Breath“, einem Kurzfilm, der sich unverhohlen irischer Klischees bedient:
Die vorherrschenden Farben sind Varianten eines kräftigen Grün, zumindest
die Protagonistin trägt rotes Haar und geguckt wird natürlich: Fußball.
Aber nicht irgendein Match, sondern das wichtigste der irischen Geschichte
– das Viertelfinale bei der WM 1990 gegen Italien. Ein junges Paar hat sich
vor dem Fernseher aufgebaut, um es mitzuverfolgen. Sein Vokuhila fällt
würdevoll auf seine Schultern, ihr Babybauch spannt unter einem Kleid aus
Jeansstoff.
Doch mit Spielanpfiff setzen zugleich auch die Wehen ein und es gilt, ein
anderes Match auszutragen, allerdings im Krankenhaus, wo die Schwestern
rauchen (es sind schließlich die 90er) und alles ein bisschen surreal ist.
Der Wirklichkeit entnommen wie enthoben ist nicht nur dieses Szenario, das
sich während „Shebeen Flick – Irish Film Festival Berlin“ vom 16. bis zum
19. März auf der Leinwand des Kinos Movimento in Kreuzberg abspielen wird.
## Mattress Mick als Marketing-Superheld
Ziemlich denkwürdig ist nämlich auch der Dokumentarfilm „Mattress Men“ von
Colm Quinn, der in das Dubliner Matratzen-Discount-Geschäft einführt.
Dieses läuft offenbar eher mittelprächtig, weswegen sich Inhaber Michael
Flynn (eine Frohnatur in den Sechzigern, wallende graue Locken) und sein
Freund und Marketing-Beauftragter Paul Kelly (Glatze, pleite, muss aber
eine Familie ernähren) sich eine Internetpräsenz einfallen lassen: Mattress
Mick.
Mit billiger Software und einem Greenscreen im Hinterzimmer erschaffen sie
die Welten dieses Superhelden der Matratzen, der fiktiv gegen Dinosaurier
kämpft, real aber gegen den Ruin. Sie engagieren außerdem eine arme Socke,
die sich verkleidet als Matratze durch die Straßen schleppt und noch mehr
Aufmerksamkeit generieren soll als die Videoclips. Und tatsächlich scheint
der Plan aufzugehen, denn plötzlich twittert der Brite Stephen Fry
(Fernsehmoderator, Dichter, Schauspieler – public person mit derzeit über
12 Millionen Followern) über Mattress Mick und beide, Flynn und Kelly,
sehen schon die große Wende nahen.
Wo die einen noch hoffen, haben sich die anderen längst verloren: Im
Eröffnungsfilm „History’s Future“ von Fiona Tan hat ein Mann (Mark
O’Halloran) sein Gedächtnis eingebüßt und durchwandert Europa nun wie ein
Außerirdischer. Dinge, Menschen, Handlungen erscheinen sinnlos; Regisseurin
Tan versetzt ihren Spielfilm mit einem Bewusstseinsstrom verstörender
Bilder, in dem gottverlassene Schiffe von Wellen umhergeworfen werden,
indes Autos auf seiner Ladefläche von einer Seite zur anderen rutschen. Ein
Gespensterbild.
## Glamouröse Dragqueen Panti Bliss
Was hätte dieser Mann, der in „History’s Future“ den „Namen“ MP (Mis…
Person) trägt, wohl zu Panti Bliss zu sagen? Sie ist „The Queen of Ireland“
in Conor Horgans gleichnamigen Dokumentarfilm. Die imposante Dragqueen
verteilt in Kostümen und reich geschmückt Küsschen und setzt sich für die
Gleichbehandlung aller Menschen ein. Horgan wirft einen Blick in
Familienalben und auf ihren Schminktisch, ist zu Gast bei Panti Bliss’
Comedy Show und fährt bei Demonstrationen auf dem Wagen mit.
Panti Bliss ficht ihre Kämpfe glamourös aus, was man von zwei anderen
Personen innerhalb des Filmprogramms nicht behaupten kann. Im
Oscar-prämierten Kurzfilm „Stutterer“ (Benjamin Cleary) verliebt sich ein
introvertierter Typograf via Internet in eine Frau, die nach sechsmonatiger
Onlinebeziehung endlich ein gemeinsames Treffen anstrebt – ein Moment der
Zuspitzung, der dem jungen Mann Schlaf und Verstand zu rauben droht.
Anders läuft es für Mary (Seana Kerslake) in Darren Thorntons „A Date For
Mad Mary“. Sie sucht vielmehr nach einer Verabredung, aber nicht, weil sie
sonderlich scharf darauf wäre, jemanden kennenzulernen – ihre beste
Freundin Charlene (Charleigh Bailey) heiratet und erwartet von Mary eine
anständige Begleitung. Doch die gerade aus der Haft entlassene Mary ist gar
nicht allzu sehr an Männern interessiert. Es zischen einige Bierdosen, bis
bei Mary der Groschen endlich fällt. Das passiert zwar nicht in einem
„Shebeen“, also einer illegal betriebenen Kneipe, sondern eher in einem Pub
– etwas dramatisch mitanzusehen ist es aber trotzdem.
Dieser Text erscheint im taz.plan. Mehr Kultur für Berlin und Brandenburg
immer Donnerstags in der Printausgabe der taz
15 Mar 2017
## AUTOREN
Carolin Weidner
## TAGS
Irland
Filmfestival
Film
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