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# taz.de -- Kolumne Stadtgespräch: Da hört der Spaß auf
> Die südkoreanische Unterhaltungskultur war in China mit K-Pop und
> Seifenopern sehr beliebt. Jetzt sind die Plakate weg. Offiziell gibt es
> keinen Boykott.
Bild: War bisher in China sehr beliebt: der südkoreanische Sänger Psy mit sei…
Peking taz | Die große Leuchtanzeige über dem Einkaufszentrum 3.3 im
beliebten Pekinger Vergnügungsviertel Sanlitun ist bekannt für rote
Propaganda. Wenn China etwa wegen der Aufschüttung künstlicher Inseln im
Südchinesischen Meer im Ausland in der Kritik steht, werden auf dem
Monitor Sequenzen von protzigen Kriegsschiffen unter chinesischer Flagge
gezeigt. Wenn sich die Volksrepublik mal wieder mit dem Nachbarland Japan
zofft, gibt es Clips aus antijapanischen Kriegsfilmen.
Damit die eher spaßorientierte Pekinger Mittelschicht beim Bummeln durch
das ansonsten quietschfidele Viertel nicht ständig Kampfjets, Panzer und
Soldaten im Stechschritt zu sehen bekommt, werden in konfliktärmeren Zeiten
gern auch lustige Comicstrips gezeigt, Tierszenen oder südkoreanische
Popmusikvideos. Letztere galten bislang als politisch unverdächtig, doch
das ist nun nicht mehr der Fall.
Seit Chinas Führung mit der Regierung in Seoul über die Stationierung des
US-Raketenabwehrsystems Thaad auf südkoreanischem Boden streitet, gilt
plötzlich alles als verpönt, was irgendwie mit dem Nachbarland im
Zusammenhang steht.
Dabei hatte Südkoreas Unterhaltungskultur noch vor Kurzem das chinesische
Alltagsleben so durchdrungen wie keine andere. Nicht nur die Seifenopern
mit viel Herzschmerz, untreuen Ehemännern und bösen Schwiegermüttern haben
es dem chinesischen Publikum angetan. Auf großflächiger Werbung in Peking
posieren berühmte südkoreanische Models und werben für Schönheitskliniken.
In den Abendstunden schwingen auf Pekings Plätzen chinesische Omas ihre
Hüften zum Beat des Gangnamstyles.
Die jungen Damen von Bambino, einer südkoreanischen Tanzgruppe, heizten
bei ihrem letzten Auftritt in der Konzerthalle Zehntausenden jungen
Pekingern ein. Und die südkoreanische „Ajae Game Show“, vor allem bekannt
für Obszönitäten, war in den chinesischen Streamingdiensten noch vor Kurzem
einer der größten Klickbringer überhaupt.
All das ist plötzlich weg. Im Pekinger Stadtteil Wangjing, wo mehrere
Zehntausend Südkoreaner leben und es Hunderte koreanische Geschäfte, Café-
und Konditoreifilialen, Kosmetiksalons und Restaurants gibt, sind die
meisten Werbeplakate mit koreanischer Schrift überdeckt.
## „Südkorea – Marionettenstaat der US-Imperialisten“
Offiziell gibt die chinesische Führung nicht zu, dass es derzeit einen
landesweiten Boykott gegen Südkorea gibt. Laut südkoreanischer Botschaft in
Peking mussten chinaweit inzwischen 55 der insgesamt 99 Einkaufszentren des
südkoreanischen Großkonzerns Lotte ihre Pforten schließen. Die
Streamingdienste haben zudem alle koreanischen Seifenopern aus ihrem
Angebot genommen. Selbst in den Musikmaschinen der Karaokebars findet sich
kein K-Pop mehr.
„Ich habe diesen ganzen Familienschnulz noch nie gemocht“, behauptet eine
64-jährige Pekingerin, die sich aber bei der Schilderung einer besonders
bekannten südkoreanischen Serie dann doch erstaunlich gut über den
Handlungsstrang auszukennen scheint. Ein älterer Mann neben ihr poltert:
„Südkorea – Marionettenstaat der US-Imperialisten.“
Einige Hundert Meter vor einem Laden für junge Mode stehen zwei 23-Jährige
in kurzen Röcken, beide geschminkt, die eine mit gepunkteter Schleife im
Haar, die andere mit schief geschnittenem Pony. „Bambino?“, sagt die eine.
„Wir haben die viel besser aussehenden Tänzerinnen.“ Die andere kichert.
China hat Erfahrung mit dem Boykott ganzer Länder. Als sich 2012 der Streit
mit Japan um die unbewohnten Senkaku/Diaoyu-Inseln im Ostchinesischen Meer
zuspitzte, kam es in Peking zu tagelangen, zum Teil gewalttätigen
Protesten. Auch damals gab es Aufrufe zum Boykott japanischer Geschäfte und
Restaurants.
Eine Szene kursiert bis heute im Internet: Als ein junger Chinese in einem
Sushirestaurants nach beendeter Mahlzeit die Rechnung überreicht bekommt,
entrollt er ein Plakat mit der Aufschrift „Free Diaoyu“, steht auf und
geht, ohne zu bezahlen, raus.
13 Mar 2017
## AUTOREN
Felix Lee
## TAGS
China
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