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# taz.de -- Trainerwechsel beim VfL Wolfsburg: Rollensuche in der neuen Realit�…
> Wolfsburg verabschiedet sich vom Spitzenfußball und von der einzigen
> Identifikationsfläche. Eine komplizierte Aufgabe für den neuen Coach.
Bild: Der neue Cheftrainer bei VfL Wolfsburg: Andries Jonker
WOLFSBURG taz | Es ist einen Wimpernschlag her, da spielte der bessere
Ronaldo im Trikot des VfL Wolfsburg. In einer fantastischen
Champions-League-Nacht schlugen die Wölfe im letzten April Real Madrid mit
2:0. Das lag an der Spielstruktur und an Julian Draxler, der an diesem
Abend der beste Spieler auf dem Platz war. Ansonsten holperte es aber
damals schon. Und, tja, knapp elf Monate später: keine Struktur, kein
Draxler, keine Champions League, kein Trainer Dieter Hecking, kein Clubchef
Klaus Allofs – und bald auch keine Bundesliga mehr?
Der Spitzenfußball, den man seit 2012 nachhaltig aufzubauen schien, ist
zerbröselt: Die VW-Tochter VfL Wolfsburg-Fußball GmbH ist heute nah am
Abstieg wie selten in den mittlerweile 20 Jahren Oberklasse. Am vergangenen
Montag hat der VfL bereits seinen dritten Cheftrainer der laufenden Saison
vorgestellt, den Niederländer Andries Jonker, 54. Er war zu Heckings
Anfangszeiten dessen Co-Trainer, ehe er als Jugendkoordinator zu Arsenal
wechselte.
Im VfL-Team schätzte man ihn als Taktikfachmann und als Ausbilder der
jungen Spieler, heißt es. Seine Verpflichtung zeigt also den Willen, die
Linderung der unmittelbaren Not und eine mittelfristige Perspektive
jenseits des geplatzten Großmachttraums zusammenzubringen.
Das größte Problem ist vermutlich, wirklich zu verstehen, was
schiefgelaufen ist, nachdem man als Vizemeister und Pokalsieger im Sommer
2015 richtig loslegen wollte. Personell hat der Klub den
Superrekordtransfer seines Tempodribblers Kevin De Bruyne Ende August 2015
nie verkraftet. Das heißt nicht, dass man eine bessere Wahl gehabt hätte,
als ihn für 70 Millionen Euro zu verkaufen. Es heißt aber, dass das eine
Dynamik und auch Fehlerkette einleitete, die zur heutigen Lage führte.
Manche Einkäufe von Klaus Allofs sahen großartig auf Fotos mit Autos aus,
brachten aber eine erfolgreiche Modifizierung von Heckings Spielidee ohne
De Bruyne nicht voran.
Nach dessen Entlassung wurde das Strukturierte dann noch weniger.
Nachfolger Valerien Ismael gelang es nicht, Zugriff auf das Potenzial des
Kaders zu bekommen, der zu den bestbezahlten hinter den Bayern gehört. Er
dokterte zwar heftigst am Team herum, aber in der Rückschau erscheint das
als ein aktionistisches Hü-hott. Ironischerweise gibt es längst den
Gedanken im Klub, man hätte mal besser an Hecking festhalten sollen.
## Hausbau in Wolfsburg
Und dann verpasste man es vor der Saison auch noch, die zentrale
Vorurteilsgeschichte gegen Wolfsburg als trübsten Standort ever zu
dementieren. Gerade hatte der Spitzenprofi und Sympathiefußballer Naldo
angefangen, ein Haus in Wolfsburg zu bauen, weil er hier seine
Lebenszukunft sah, da schob man ihn zu Schalke weiter. Was blieb, war die
alte Nichts-wie-weg-Story mit Julian Draxler in der Hauptrolle. Und einigen
anderen Profis, die sich hinter ihm versteckten.
Man sollte auf keinen Fall populistische Ressentiments gegen Fußballer
pflegen, die angeblich nur abkassieren wollen. Aber weil der VfL seine
Neupositionierung als Topklub eben nur mit Erfolg begründete, bleibt für
manche Topspieler bei ausbleibendem Erfolg keine Identifikationsfläche, mit
der man etwa beim BVB oder bei Schalke sportliche Krisen wieder herumdrehen
kann. Die energiespendende Identifikation dieser Spieler ist der
Champions-League-Klub, nicht der VfL Wolfsburg. Dadurch kommt es zu einem
Spannungsabfall im ganzen Team, der ganz schwer zu bearbeiten ist.
Im Moment kann von einer klaren Spielidee, etwa im Sinne von Rangnicks
durchkonzipiertem RB Leipzig, keine Rede mehr sein. Auch der VfL kann sich
dem Trend der Liga nicht widersetzen, dass außer Bayern München niemand
mehr gegen eine formierte Abwehr Ballbesitz durchbringt. Man braucht
möglichst kurze Wege zum gegnerischen Tor, dafür muss man hoch pressen, das
wiederum macht das nicht immer kompakte Team anfällig.
So muss Jonker nun einen Klub übernehmen, der so wenig systematische
Lösungsmöglichkeiten hat wie seit vielen Jahren nicht. Zum Beispiel ist es
bisher kaum gelungen, die speziellen Qualitäten von Mario Gomez ins Spiel
zu bringen. Meist lässt man ihn schlecht aussehen.
## Zu „gut“ für den Abstieg
Es wird immer noch oft gesagt, dieses Team sei trotzdem einfach zu „gut“
für den Abstieg. Im Gegenteil: Diese Paradoxie macht den Abstieg
wahrscheinlicher. Der für die Champions League zusammengestellte und sich
im Abstiegskampf wiederfindende Kader kriegt diesen Widerspruch bisher
nicht aufgelöst. Die Spieler und der Klub finden ihre Rolle in der neuen
Realität nicht.
Insofern ist die Ankündigung, künftig weniger Geld von Volkswagen zum VfL
fließen zu lassen – von 60/70 statt 80/90 Millionen Euro im Jahr ist die
Rede –, Symbolpolitik in schweren Unternehmenszeiten: 20 Millionen spielen
für VW überhaupt keine Rolle, aber Fußball ist in dieser Gesellschaft von
hoher Symbolkraft.
Andererseits ist es Symbolpolitik vom und für den VfL: Wir konkurrieren
nicht mehr um die Plätze 2 und 3, heißt das. Wir wollen eine neue und
kleinere Rolle. Immer noch größer als Klubs wie Köln, Frankfurt, Hertha,
aber kleiner als der BVB.
Aber das bemisst das Eigene nur durch den Abgleich von anderen. Wer sind
wir? Wer bin ich über das ökonomisch Vernünftige hinaus, wenn ich als
Klassefußballer bei Wolfsburg spiele? Das ist die zentrale Frage.
4 Mar 2017
## AUTOREN
Peter Unfried
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Fußball
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