# taz.de -- Wehrpflicht in Schweden: Dienen ist wieder angesagt | |
> Die Regierung will wegen der Sicherheitslage die Wehrpflicht wieder | |
> einführen. Es gab bislang einfach zu wenig freiwillige SoldatInnen. | |
Bild: „Freiwillige vor!“ ist Vergangenheit in Schweden | |
Stockholm taz | Die Schweden müssen wieder dienen. Und die Schwedinnen | |
auch. Am Donnerstag hat die rot-grüne Regierung in Stockholm die | |
Wiedereinführung der Wehrpflicht zum 1. Juli 2017 beschlossen. 2010 war sie | |
nach mehr als 100 Jahren „ausgesetzt“ worden. Doch das mit der | |
Freiwilligenarmee klappte nie so richtig. | |
Das Militär beklagt seit Jahren, dass sich nicht genügend junge Leute für | |
den freiwilligen Waffendienst begeistern lassen. Die 9 bis 11 Monate | |
Grundausbildung beenden derzeit weniger als die Hälfte der Rekruten, die | |
man jährlich bräuchte, um die militärische Sollstärke von rund 20.000 | |
SoldatInnen zu halten. | |
Damit begründete der sozialdemokratische Verteidigungsminister Peter | |
Hultqvist die Wehrpflicht. Er verwies zusätzlich auf eine „neue | |
sicherheitspolitische Lage“. Konkret erwähnte er die „russische Annexion | |
der Krim“ und ein „provokatives Auftreten“ Russlands im Ostseeraum. Die | |
Abschaffung der Wehrpflicht hält Hultqvist nachträglich sowieso für „naiv�… | |
und „einen großen Fehler“: „Es gab ein unbegründetes Vertrauen, dass | |
Schweden nie mehr in einer Krisensituation landen könnte.“ | |
Für die Rückkehr zur Wehrpflicht zeichnet sich nun eine breite | |
parlamentarische Mehrheit ab. In ersten Reaktionen wurde diese von | |
SprecherInnen der konservativen und liberalen Oppositionsparteien begrüßt. | |
Mehrere bezeichneten den Versuch mit einer Freiwilligenarmee und den damit | |
einhergehenden kräftigen Abbau der Streitkräfte als misslungen. „Endlich!�… | |
twitterte auch der verteidigungspolitische Sprecher der Linken, Stig | |
Henriksson: „Wir waren ja immer gegen die Abschaffung der Wehrpflicht.“ | |
## 4.000 neue RekrutInnen | |
Ab Jahresmitte werden rund 90.000 18-jährige Männer und Frauen die | |
Aufforderung erhalten, sich einem Onlinetest zu unterziehen. Der soll | |
darauf abzielen, ihre Motivation, Interessen und Fähigkeiten zu erfassen. | |
Etwa 13.000 sollen sich dann zu einer eigentlichen Musterung einfinden. Aus | |
diesen werden dann die rund 4.000 Frauen und Männer für den Grundwehrdienst | |
ausgewählt werden. Schweden orientiert sich dabei an einem Modell, wie es | |
in Norwegen praktiziert wird. Dort gibt es seit 2015 ebenfalls eine | |
„geschlechtsneutrale Wehrpflicht“. | |
Mit der Wehrpflicht wird auch die Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung | |
wieder eingeführt. In der Praxis werde das vermutlich keine Rolle spielen, | |
erwartet Hultqvist, der selbst 1978 „waffenfreien Dienst“ leistete: Bei der | |
Musterung werde in erster Linie auf die Motivation abgestellt. Zum | |
Waffendienst werde deshalb wohl niemand gezwungen werden, glaubt der | |
Minister, der sich vom neuen System auch erhofft, „dass mehr Frauen zum | |
Militär finden“. | |
2 Mar 2017 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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