| # taz.de -- Von wegen Bewegung: Kein Platz für den Sport | |
| > In Berlin gibt es zu wenige Sportstätten. Nun ist in Tempelhof-Schöneberg | |
| > ein Streit zwischen zwei Amateurfußballvereinen entbrannt. | |
| Bild: Wenigstens das Olympiastadion ist hui | |
| Im Bezirk Tempelhof-Schöneberg ist nicht genug Platz für Sport. Es braucht | |
| kein Mathe-Talent, um das Problem zu sehen: neun Sportanlagen, auf denen | |
| 113 Trainingseinheiten pro Woche für die Fußballteams der Erwachsenen zur | |
| Verfügung stehen. Und 121 Mannschaften, die die Einheiten untereinander | |
| aufteilen müssen, davon rund ein Drittel Großfeldmannschaften. Wie man es | |
| dreht, jeder bekommt zwangsläufig zu wenig. Es ist ein Schicksal, das der | |
| Bezirk mit fast ganz Berlin teilt. Und der Grund, warum die Fußballvereine | |
| FC Internationale und der Friedenauer TSC Nachbarschaftsstreit haben. | |
| Ende Januar demonstrierten rund 300 Mitglieder des FC Internationale, kurz | |
| FC Inter, vor dem Schöneberger Rathaus. „Bezirk wächst – Sport schrumpft�… | |
| stand auf den Plakaten, oder „Plätze statt Playstation“. Eine Kampagne, die | |
| nach großem Ansatz klang, allerdings geführt mit einer gehörigen Portion | |
| Eigeninteresse: In der neuen Aufteilung der Trainingszeiten hatte der FC | |
| Inter drei Trainingstage am Sportplatz Eisackstraße abgezogen bekommen, die | |
| dem Friedenauer TSC zugeschlagen wurden. | |
| Weil der FC Inter parallel lautstark drohte, juristisch gegen die | |
| Entscheidung vorzugehen, klang die Demo dann doch eher nach | |
| Partikularinteresse denn nach gemeinsamer Rebellion. Andere Vereine wurden | |
| nicht eingeladen. Ein Verteilungskampf unter Nachbarn – aber auch das | |
| Symptom eines Mangels. | |
| ## Gezerre um Ressourcen | |
| Seit Jahren ist Sportstättenmangel in Berlin ein Problem, und das | |
| Bevölkerungswachstum macht es drängender. Vor allem in den zentralen | |
| Bezirken und im Nordosten fehlt es laut einer Studie von 2013 an Anlagen. | |
| Und während Hallen wegen der Schulen noch einigermaßen gleichmäßig verteilt | |
| sind, sind offene Sportplätze oft völlige Mangelware. Innerhalb des | |
| S-Bahn-Ringes ist für neue Anlagen kaum Platz, und wegen Lärmschutzes darf | |
| nicht zu nahe an die umliegenden Häuser gebaut werden. | |
| Sein Verein wolle eine Grundsatzdiskussion anstoßen, sagt Gerd Thomas, | |
| zweiter Vorsitzender des FC Inter. „Es geht nicht gegen andere Vereine, | |
| sondern für den Sport. Die Stadt wächst, die Sportstätten wachsen nicht | |
| mit.“ Sport müsse ein Stadtentwicklungsthema werden. Auch der Berliner | |
| Fußballverband tue zu wenig, um neue Sportstätten zu finden. | |
| Beim rivalisierenden Nachbarn teilt man die Grundsorge, ist aber wenig | |
| angetan vom Vorgehen. „Ich kann den Protest nachvollziehen, wir haben eine | |
| Unterversorgung“, sagt Christian Wille, erster Vorsitzender des Friedenauer | |
| TSC. „Es wurde in den letzten Jahren verschlafen, neue Flächen zu | |
| erschließen.“ Bei der Demo aber gehe es um Inters Eigeninteressen. „Ich | |
| bezweifle den Kerngedanken“, so Wille. | |
| Wegen der großen Nachfrage müssten Vereine zumindest teilweise | |
| Aufnahmestopps verhängen, aber das ist nicht leicht zu vermitteln; keiner | |
| will Kinder abweisen, keiner will in seinem Wachstum zurückstecken. So | |
| kommt es zu einem Gezerre um Ressourcen, wo man eigentlich gemeinsam ums | |
| große Ganze streiten sollte: die Unterversorgung mit Sportstätten. | |
| Rund 620.000 BerlinerInnen sind in Sportvereinen aktiv, dazu kommen | |
| Freizeitsportler und Betriebssportler. Um allein dem Bevölkerungswachstum | |
| gerecht zu werden, so der Senat, bräuchte die Stadt 60 zusätzliche | |
| Großspielfelder und 115 Hallenteile. Aber es fehlt an Flächen, an Geld und | |
| an einem Plan. | |
| „Wir haben einen Mangel zu verwalten“, sagt Elisabeth Korte-Hirschfeld, | |
| Vorsitzende des Bezirkssportbundes (BSB). Das heizt Spannungen an; auch | |
| solche, die ohnehin zwischen dem politisch engagierten, sich geschickt | |
| vermarktenden FC Inter und den alten Clubs existieren. „Der FC | |
| Internationale nimmt eine Menge Trainingszeiten für sich in Anspruch, ohne | |
| Rücksicht zu nehmen, dass andere Clubs auch Bedürfnisse haben“, so | |
| Korte-Hirschfeld. | |
| „Sie sind der Meinung, man müsse sie ständig bevorzugen“, sagt auch | |
| Christian Wille vom Friedenauer TSC. „Sie tun ganz viel für Flüchtlinge, | |
| aber das machen andere Clubs auch. Nur nicht so laut.“ Wille spricht sogar | |
| von Beleidigungen unter der Gürtellinie bei Diskussionen: „Wenn das | |
| Sportamt nicht mehr gern mit Inter spricht, liegt das auch an Inters | |
| eigenem Verhalten.“ | |
| Sein Verein wolle Dinge verändern, hält Gerd Thomas vom FC Inter dagegen. | |
| Aber es fehle eine Grundsatzdebatte. „Wir fühlen uns wie in einer | |
| Gummiwand“, so Thomas. | |
| Nun soll es ein offizielles Gespräch geben, auch mit dem neuen | |
| Sportstadtrat Oliver Schworck (SPD). Der hatte kritisiert, dass Inter über | |
| die Presse und Politik Druck ausübe, ohne mit ihm persönlich zu reden. „Ich | |
| wurde von allen angesprochen, ich solle doch mal was machen, aber es gab | |
| lange kein Gesprächsangebot an mich“, sagt Schworck. | |
| Thomas vom FC Inter hofft, dass alle Vereine an einen Tisch kommen. Und auf | |
| langfristige Lösungen für den Bezirk, die vielleicht auch Berlin helfen | |
| könnten. Im neuen Koalitionsvertrag heißt es, dass es einen | |
| Entwicklungsplan für Sport geben soll; ein sinnvoller Ansatz, aber bisher | |
| nichts Konkretes. | |
| Mehr Schulhallen nutzen, Trainingspläne besser takten oder doch noch | |
| Flächen finden? Manchmal hakt es schon im Kleinen: Ältere | |
| Vereinsmitglieder, heißt es oft, stellen sich stur, wenn ihre | |
| Trainingszeiten verschoben werden sollen, und niemand will Krach riskieren | |
| mit denen, die die Vereinskneipe am Leben halten. Und die Politik hat es | |
| verpasst, Sportstätten bei großen Projekten mitzuplanen. Das rächt sich | |
| nun. | |
| „Vielleicht finden wir die eine oder andere Fläche“, so Sportstadtrat | |
| Schworck. „Aber wir werden es unter den derzeit bestehenden Bedingungen | |
| nicht mehr hinkriegen, eine angemessene Ausstattung im Bezirk zu | |
| gewährleisten.“ Da sind die maroden alten Anlagen noch gar nicht | |
| mitgedacht: Bis 2020 steigt der Sanierungsbedarf in Berlin laut Senat auf | |
| 173 Millionen Euro. | |
| 19 Feb 2017 | |
| ## AUTOREN | |
| Alina Schwermer | |
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