# taz.de -- Berlinale-Kolumne: Was bisher geschah: Auf der Suche nach Sound | |
> Wabernde Melodien, sphärische Gesänge, analoge Töne: Zwei Sound-Künstler | |
> kreieren ein Sound-Gemälde und lobpreisen die Geräusche des Alltags. | |
Bild: Sound-Designer Nicolas Becker nimmt seit 25 Jahren Geräusche aus der Nat… | |
Das Anstrengendste an der Berlinale ist das Schlangestehen, sagte kürzlich | |
ein Kollege. Recht hat er. Ob am Kaffeeautomaten, beim Ticketschalter oder | |
vorm Kino. Ständig steht man an. Auch Montagnachmittag. Bis zum nächsten | |
Stockwerk zieht sich die Schlange im HAU 2. Immerhin haben sie hier einen | |
Wasserspender und Pappbecher. | |
Endlich im Saal, sind alle Stühle schnell besetzt. Äußerst diszipliniert, | |
dieses sehr junge, sehr internationale, sehr hippe Publikum. Es geht um | |
Sounddesign. „Body Experience: Sounds from Inside“ heißt die Veranstaltung | |
mit Künstler und Multiinstrumentalist Robert Aiki Aubrey Lowe und | |
Sounddesigner Nicolas Becker, der schon für Filme von Roman Polanski, Danny | |
Boyle und David Cronenberg gearbeitet hat. Gemeinsam haben sie zuletzt die | |
Geräusche im Science-Fiction-Film „Arrival“ gemacht. | |
Sie stehen hinter einem Pult voller Kabel, Knöpfe, Regler, Laptops und | |
beginnen ihre Performance. Wassertropfen, knarzende Türen, springende | |
Bälle. Im Hintergrund wabern Töne, entstehen Melodien. Lowe singt | |
sphärische Laute ins Mikro, wiederholt sie. Becker holt Töne aus seinem | |
Macbook, manche entstehen auch analog mit Metalllöffeln oder Murmeln. | |
Tatsächlich entstehen Bilder zu den Tönen, als betrachte man eine Art | |
Soundgemälde. | |
15 Minuten dauert ihr Auftritt, dann versuchen die Künstler, ihr Schaffen | |
zu erklären. Seit 25 Jahren ist Becker mehrere Monate im Jahr unterwegs, um | |
die Natur und seine Umgebung aufzunehmen. „Das Meer, explodierende Häuser, | |
Tiere. Meine Sounddatenbank ist riesig“, sagt er. Wenn ein Regisseur nicht | |
wisse, welche Geräusche sein 20 Meter großes Monster machen könnte oder wie | |
es im All klinge, rufe er häufig bei ihm an. | |
## Ihr müsst nur hinhören | |
„Gerade jüngere Regisseure legen heute mehr Wert auf Sound statt auf Musik | |
im Film“, sagt Becker. „Ich liebe die Konfusion, die entsteht, wenn das | |
Publikum nicht weiß, ob Töne natürlich sind oder künstlich“, sagt Lowe. U… | |
Becker hat noch eine Message: „Das Hirn täuscht uns, filtert ständig Sounds | |
aus dem Alltag. Dabei ist die Straße voll damit. Rhythmen, Melodien, | |
Harmonien. Ihr müsst nur hinhören.“ | |
Draußen versuche ich, den Filter auszuschalten. Klappt so mäßig. | |
Presslufthammer, Hundegebell, Lkw-Bremsen. Zurück am Potsdamer Platz spielt | |
jemand schief Trompete. Großstadtlärm eben. Im nächsten Film konzentriere | |
ich mich auf die Sounds. „Helle Nächte“, wahnsinnig ruhig, kaum Dialoge, | |
viele Naturaufnahmen – und Geräusche. Ein ideales Spielfeld für die | |
Sounddesigner. Wind, Sand, Wasser. Kann mich kaum auf die Handlung | |
konzentrieren. Gut, dass es davon ohnehin wenig gibt. | |
14 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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