# taz.de -- Stadt will Arbeiter loswerden: Hafenfirma manövriert sich aus | |
> Das Arbeitsgericht Lübeck verdonnert die Lübecker Hafengesellschaft zur | |
> Übernahme der 150 Leiharbeiter des Hafenbetriebsvereins. Dabei wollte sie | |
> Geld sparen. | |
Bild: Arbeitsplätze in Gefahr: Skandinavienkai der Lübecker Hafens | |
Hamburg taz | Der Konflikt ist verworren und kompliziert: Denn das | |
Management der Lübecker Hafen-Gesellschaft (LHG) könnte sich durch | |
Tricksereien zwecks Kostendämpfung womöglich selbst ins Knie geschossen | |
haben. Fünf von sechs Kammern des Arbeitsgerichts Lübeck verdonnerten die | |
Hafengesellschaft dazu, die 150 Beschäftigten des insolventen | |
Tochterunternehmens Hafenbetriebsverein (HBV) zu übernehmen. Es sei denn, | |
es kommt zu einer sozialtarifvertraglichen Lösung mit der Gewerkschaft | |
Ver.di. | |
Die LHG ist mit 300 Beschäftigten der größte Hafeneinzelbetrieb Lübecks. | |
Ihre Hauptgesellschafter sind die Stadt Lübeck und die | |
Deutsche-Bank-Tochter „Reef Pan European Infrastructure Two Luxe“. Zusammen | |
mit sieben weiteren Hafenbetrieben war die LHG Gesellschafter beim | |
Hafenbetriebsverein, dessen vornehmliche Aufgabe es ist, Hafenarbeiter als | |
Leiharbeiter den Hafenunternehmen in Stoßzeiten zur Verfügung zu stellen – | |
die letzten Jahre fast ausschließlich für die LHG. | |
Im vergangenen Sommer musste der HBV Insolvenz anmelden, weil die acht | |
Gesellschafter keine Erhöhung der Umlagen zwecks Finanzierung beschließen | |
wollten. Als Insolvenzverwalter war der Hamburger Rechtsanwalt Klaus Pannen | |
eingesetzt. | |
## Wurde die Insolvenz der LHG bewusst herbeigeführt? | |
Der HBV-Betriebsrat vermutet, dass die Insolvenz von der LHG bewusst | |
betrieben worden ist, um billigere private Leiharbeitsfirmen in Anspruch | |
nehmen zu können. Deren Mitarbeiter müssen nicht – wie beim HBV – nach den | |
Hafentarifen der Gewerkschaft Ver.di bezahlt werden. „Man kann eine | |
Insolvenz selbst provozieren, um die Mitarbeiter möglichst günstig | |
loszuwerden“, sagt der Hamburger Arbeitsrechtsanwalt Klaus Bertelsmann, der | |
zusammen mit Ver.di die 150 HBV-Beschäftigten vertritt. Diese klagen auf | |
Festanstellung beim LHG vor dem Lübecker Arbeitsgericht. | |
Denn nach der Eröffnung der Insolvenz stellte sich heraus, dass der HBV bis | |
Ende 2013 keine Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit zur | |
Arbeitnehmerüberlassung hatte. Wenn ein Verleiher keine Erlaubnis für die | |
Arbeitnehmerüberlassung besitzt, entsteht nach | |
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ein Arbeitsverhältnis zwischen dem | |
Arbeitnehmer und dem Entleiher. „Wir sind der Auffassung, dass ein solches | |
Arbeitsverhältnis mit der LHG entstanden ist, da der HBV jedenfalls nach | |
Auflösung des Gesamthafenbetriebs 1999 eine Genehmigung zur | |
Arbeitnehmerüberlassung hätte haben müssen“, sagt Bertelsmann. | |
Im Klartext: Alle zwischen 1998 und 2013 bei der LHG beschäftigten | |
HBV-Malocher sind formal bei der LHG beschäftigt gewesen. Die LHG | |
argumentiert indes, nach der Auflösung des Gesamthafenbetriebs 1998 habe | |
der HBV die Aufgabe übernommen und genieße einen Sonderstatus nach dem | |
Hafengesetz von 1950. | |
Die Lübecker ArbeitsrichterInnen folgen der Argumentation der | |
Beschäftigten. Damit hat die LGH ein zusätzliches Problem. Wenn sie alle | |
vor 2013 eingesetzten HBV-Hafenarbeiter übernehmen muss, kommen diese zu | |
den LHG-Beschäftigten hinzu, die nach 2013 eingestellt worden sind und die | |
LHG hätte – trotz plötzlichen Umsatzrückgangs – nunmehr 450 Beschäftigte | |
auf den Gehaltslisten, weit mehr als sie braucht. | |
Die LHG werde daher nach dem Urteil der letzten und sechsten Kammer und | |
vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründungen Beschwerde beim Kieler | |
Landesarbeitsgericht einlegen, kündigte LHG-Sprecherin Natascha Bumenthal | |
der taz an. | |
Im Moment herrscht faktisch ein Moratorium. Die HBV-Beschäftigten hätten | |
zwar Anspruch auf eine Zwangsvollstreckung der Arbeitsgerichts-Urteile, die | |
bis zu einer endgültigen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine | |
Festanstellung garantieren, sagt Anwalt Bertelsmann. Sie nehmen aber davon | |
bislang Abstand. Denn der HBV bezahlt seine Beschäftigten, die fast | |
ausnahmslos bei der LHG arbeiten, bisher weiter – sogar zu besseren | |
Konditionen als die LHG. „Der Betrieb läuft weiter“, sagt | |
Insolvenzverwalter Klaus Pannen der taz. | |
Eine Lösung könnte ein Sozialtarifvertrag sein. Nach ersten Gespräche sind | |
die Verhandlungen aber ins Stocken geraten. „Wir hoffen alle, dass es eine | |
vernünftige Lösung zwischen der LHG, der Gewerkschaft Ver.di und unter | |
Einziehung des Insolvenzverwalters gibt“, sagt Anwalt Bertelsmann. „Mit | |
einer solchen Lösung muss gewährleistet sein, dass vielleicht ein Teil der | |
Beschäftigten des HBV über einen Sozialplan sozialverträglich abgebaut | |
wird, dass aber der größte Teil der Beschäftigten von der LHG zu den | |
bisherigen Bedingungen übernommen wird.“ | |
9 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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