# taz.de -- Trauer um Etienne Tshisekedi: Ein Toter bewegt sein Volk | |
> Tausende haben in Belgien Abschied vom toten Oppositionsführer des Kongo | |
> genommen. Stirbt auch der Zusammenhalt der zivilen Opposition? | |
Bild: In der Messehalle von Heysel, Brüssel, defilieren Kongolesen an Tshiseke… | |
BRÜSSEL taz | Drei Tage lang war der Saal zum Bersten voll. 5.000 Menschen | |
passen in den „Palais 2“ des Messegeländes Heysel bei Brüssel, und von | |
Freitag bis Sonntag drängelten sich die Trauernden, um Abschied von ihrem | |
Helden zu nehmen: Étienne Tshisekedi wa Mulumba, Präsident von Kongos | |
größter Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und sozialen | |
Fortschritt), der am 1. Februar in einer belgischen Klinik verstorben war. | |
An die Seite der Witwe Marthe und des politisch aktivsten Sohnes Felix trat | |
Prominenz aus Kinshasa wie der Oppositionsführer Olivier Kamitatu. | |
Belgische Politiker machten ihre Aufwartung, so Sozialistenchef Elio Di | |
Rupo und Brüssels Bürgermeister Yvan Mayeur. Außenminister Didier Reynders, | |
dem Tshisekedi-Anhänger eine zu große Nähe zu Kongos Präsident Joseph | |
Kabila vorwerfen, zog einen Privatbesuch bei der Tshisekedi-Familie vor. | |
Am Freitag, erklärt André Kabanda, UDPS-Repräsentant in den | |
Benelux-Ländern, soll Tshisekedis Leichnam in die Heimat überführt | |
werden. Vorher soll es eine Trauermesse in der riesigen Brüsseler Basilika | |
Koekelberg geben, wo Belgiens Königsmessen stattfinden. | |
## Ein Mausoleum in Kinshasa? | |
Was nach der Rückkehr des Toten in den Kongo geschieht, ist offen. Die UDPS | |
gründete am Samstag ein Trauerkomitee in Kinshasa, mit nicht weniger als | |
sechs Arbeitsgruppen. Aus logistischen Gründen ist eine Beisetzung | |
Tshisekedis in seiner entlegenen Heimat im Osten Kasais schwer vorstellbar; | |
laut Kabanda soll er in Kinshasa begraben werden. „Die Idee ist, dass man | |
ihm ein Mausoleum errichtet, damit seine Angehörigen und seine sehr | |
zahlreichen Anhänger ihn verehren können.“ | |
Die UDPS-Jugendaktivisten, die seit dem Tod ihres Führers vor seinem Haus | |
in Limete in Kinshasa sammeln, verlangen überdies, dass nur ein von der | |
UDPS gestellter Premierminister des Kongo den Toten in Empfang nehmen und | |
beisetzen darf. Es gibt aber im Kongo noch keinen von der UDPS gestellten | |
Premierminister. | |
Das „Silvesterabkommen“, das Regierung und Opposition im Kongo unter | |
Vermittlung der katholischen Bischofskonferenz am 31. Dezember 2016 | |
schlossen, sieht zwar vor, dass eine Übergangsregierung bis Ende 2017 | |
Wahlen organisiert, geführt von einem Premierminister aus den Reihen des | |
Oppositionsbündnisses „Sammlung“, in dem die UDPS sitzt. Aber das | |
Kabila-Lager besteht darauf, dass die Opposition lediglich Namen | |
unterbreitet und Kabila dann einen aussucht. | |
## Die Söhne und die Partei | |
Am häufigsten wird Tshisekedis Sohn und Vertrauter Felix Tshisekedi | |
genannt, Vizegeneralsekretär der UDPS. Aber manche Oppositionelle halten | |
ihn für zu kompromissbereit. Genannt wird auch der andere Sohn Christian. | |
Protokollarisch kommen beide nach UDPS-Generalsekretär Jean-Marc Kabund. | |
Aber er ist erst 35 und er gehört zur Lunda-Volksgruppe aus Katanga – | |
beides Minuspunkte in den Augen der „alten Garde“ – Tshisekedi-treue Luba | |
aus Kasai. | |
Offen ist jetzt auch der Vorsitz des im Silvesterabkommen vereinbarten | |
„Begleitkomitees“ zur Überwachung der Wahlvorbereitung, der für Étienne | |
Tshisekedi vorgesehen war. Jetzt muss das neu verhandelt zu werden – in | |
einem Kontext der Blockade bei der Umsetzung des Abkommens insgesamt. | |
Die Gespräche über die Regierungsbildung waren am 29. Januar unterbrochen | |
worden. Nicht nur die Ernennung des Premierministers war strittig | |
geblieben, auch die Verteilung der Ministerposten. | |
## Tshisekedis Tod „stärkt Kabila“ | |
Tshisekedis Tod hinterlässt auf jeden Fall eine schwer zu füllende Lücke. | |
Die anderen Schwergewichte der Opposition stehen kurzfristig nicht zur | |
Verfügung: Jean-Pierre Bemba sitzt in Den Haag im Gefängnis, Moise Katumbi | |
ist im Exil. So stärkt Tshisekedis Tod kurzfristig Kabila, analysiert der | |
Politologe Bob Kabamba. | |
Sein Kollege Jean Omasombo geht noch weiter: Die UDPS, seit ihrer Gründung | |
1982 vom Tshisekedi-Familienclan zusammengehalten, sei „am Ende“, meint | |
er. Machtkämpfe in der Opposition machen es aber noch unwahrscheinlicher, | |
dass das Silvesterabkommen umgesetzt wird und die bereits auf 2017 | |
verschobenen Wahlen tatsächlich dieses Jahr stattfinden. | |
7 Feb 2017 | |
## AUTOREN | |
François Misser | |
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