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# taz.de -- Verfassungsänderung in der Türkei: Präsidialsystem wäre „Sult…
> Der Chef der türkischen Anwaltskammer warnt mit drastischen Worten vor
> dem möglichen Systemwechsel. Er hält ihn für „Selbstmord“.
Bild: Erdogan – bald ein Sultan?
Ankara dpa | Der Chef der türkischen Anwaltskammer befürchtet unter dem von
Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebten Präsidialsystem ein Ende der
Demokratie in dem Land. „Die Türkei wurde fast 600 Jahre lang mit solch
einem System regiert“, sagte der Jurist Metin Feyzioglu am Mittwochabend in
Ankara. „Wir haben in unserer Literatur einen Fachbegriff dafür: Das nennt
sich Sultanat.“ Feyzioglu zeigte sich allerdings zuversichtlich, dass die
Verfassungsänderungen bei einem Referendum keine Mehrheit erhalten würden.
„Dieses Volk wird keinen Selbstmord begehen“, sagte er.
Seit Mittwoch stimmt das Parlament in Ankara in zweiter Lesung über die
insgesamt 18 Änderungs-Artikel ab, die Erdogan mit deutlich mehr Macht
ausstatten würden. Die ersten sieben Artikel erhielten in der Nacht zu
Donnerstag nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu jeweils
die notwendige Dreifünftelmehrheit. In Artikel sieben wird unter anderem
festgelegt, dass der Präsident künftig einer Partei angehören kann.
Über das Gesamtpaket soll voraussichtlich in der Nacht zum Samstag
abgestimmt werden. Auch dafür ist die Zustimmung von mindestens 330 der 550
Abgeordneten notwendig. Sollten die jeweiligen Mehrheiten erzielt werden,
soll es im Frühjahr zu einem Referendum kommen.
Feyzioglu sagte, falls bei einer Volksabstimmung entgegen seiner Erwartung
die notwendige einfache Mehrheit erreicht werden sollte, „dann werden es
die letzten freien Wahlen“ sein. Der Anwalt kritisierte besonders, dass der
ohnehin große Einfluss des Präsidenten auf die Justiz durch die Reform
nochmals deutlich verstärkt würde. „Man möchte die Gewaltenteilung gänzli…
abschaffen“, sagte Feyzioglu. Ein solcher Systemwechsel würde zu
„Instabilität und Chaos“ führen.
Feyzioglu steht dem Dachverband der 79 Anwaltskammern in der Türkei vor. Er
äußerte sich nach einem Treffen mit dem Präsidenten des Deutschen
Anwaltvereins (DAV), Ulrich Schellenberg. Schellenberg sicherte seinen
türkischen Kollegen Solidarität zu: Grund seines Besuches sei es, „Flagge
zu zeigen für die türkische Anwaltschaft, für eine freie türkische
Anwaltschaft“. Er sei in großer Sorge, dass die Unabhängigkeit der Justiz
in der Türkei nicht gewährleistet sei.
Die von Erdogan seit langem angestrebte Verfassungsreform würde dem
Präsidenten deutlich mehr Befugnisse verleihen und das Parlament schwächen.
Erdogan würde zugleich als Staats- und Regierungschef amtieren und könnte
weitgehend per Dekret regieren.
[1][Am vergangenen Sonntag hatten die Abgeordneten in Ankara die erste
Abstimmungsrunde über die Reform beendet.] Alle 18 Artikel erhielten die
erforderliche Dreifünftelmehrheit. Die AKP, die über 316 Sitze im Parlament
verfügt, erhielt dabei Unterstützung aus der Opposition. Der Chef der
ultranationalistischen MHP, Devlet Bahceli, und mehrere Abgeordnete seiner
Partei unterstützen die Reform. Die größte Oppositionspartei CHP und die
pro-kurdische HDP sind gegen das Präsidialsystem und warnen vor einer
„Diktatur“ in der Türkei.
19 Jan 2017
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