# taz.de -- Säkularisierung in Bremen: Tanzen verboten | |
> Innensenator Mäurer wird für einen Gesetzentwurf zum dauerhaften | |
> Tanzverbot an stillen Feiertagen von einem Parteikollegen angegriffen. | |
Bild: Karfreitag bleibt die Kirmes zu, es sei denn, es gab wie 2015 Sturm: Dann… | |
Als einen „Schlag ins Gesicht für alle Delegierten“ bezeichnet SPD-Mitglied | |
Maurice Mäschig das Verhalten von Innensenator und Parteikollege Ulrich | |
Mäurer. Der hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Beibehaltung des | |
Tanz- und Veranstaltungsverbots an den sogenannten stillen Feiertagen | |
Karfreitag, Totensonntag und Volkstrauertag beinhaltet. | |
Derzeit dürfen in Bremen am Karfreitag zwischen sechs und 21 Uhr und an den | |
beiden anderen stillen Feiertagen zwischen sechs und 17 Uhr keine | |
kommerziellen und ruhestörenden öffentlichen Vergnügungsveranstaltungen | |
stattfinden. Damit gemeint sind Tanzveranstaltungen in Diskotheken, aber | |
auch Konzerte oder Sportwettkämpfe. | |
Der Senat segnete den Gesetzentwurf bereits am Dienstag ab. Wenn nun auch | |
die Bürgerschaft zustimmt, bleibt das Tanzverbot an stillen Feiertagen | |
dauerhaft bestehen. | |
Mäschig, der sich seit 2011 für dessen endgültige Abschaffung einsetzt, | |
kritisiert den Kurswechsel: „Die rot-grüne Regierung hat bereits 2013 eine | |
Lockerung in Form einer Stundenreduzierung des Tanzverbots beschlossen, | |
sowie die Abschaffung zum 28. Februar 2018“, so Mäschig. „Es wäre | |
wünschenswert gewesen, wenn man dies auch wie geplant umgesetzt hätte“, | |
sagt Mäschig. | |
Mäurer, seit 2008 Senator für Inneres, begründet den Gesetzentwurf wie | |
folgt: „Das ist eine sehr moderate Regelung, die sich bewährt hat.“ Sie | |
nehme Rücksicht auf die religiösen Gefühle eines großen Teils unserer | |
christlichen Gesellschaft und schränke zugleich die nichtchristliche | |
Bevölkerung nicht sonderlich ein. Zudem verfüge Bremen über die wenigsten | |
stillen Feiertage im Bundesvergleich. | |
Mäschig, der seit November 2016 zu den Sprechern der Säkularen | |
SozialdemokratInnen gehört, reicht das nicht: „Mit dem Verbot nimmt man den | |
Bremer Bürgern ihr Recht, den Feiertag frei zu gestalten.“ Dass dieses | |
Bedürfnis vielfach vorhanden sei, habe die Öffnung der Osterwiese am | |
Karfreitag 2015 gezeigt. | |
Als Ausgleich für außerplanmäßige Schließungen infolge eines Sturms durften | |
die Schausteller am Karfreitag 2015 ihre Buden ab 18 Uhr öffnen. „Die Leute | |
strömten in Scharen auf das Volksfest“, so Laizist Mäschig. Das zeige, dass | |
die Diskussion um das Verbot geführt werden müsse. | |
Das Unterbezirksmitglied greift den Innensenator scharf an: „Das Verhalten | |
Mäurers beweist ein innerparteiliches Demokratiedefizit, er ignoriert die | |
Beschlüsse der Parteibasis.“ Im November 2012 hatte sich der SPD- | |
Unterbezirksparteitag Bremen-Stadt für eine Abschaffung des Tanz- und | |
Veranstaltungsverbots ausgesprochen. | |
„Dieser Beschluss wird nun nicht respektiert. Das ist eine Entwertung der | |
Delegierten“, kritisiert Mäschig. Man hätte den nächsten Parteitag abwarten | |
sollen und dann über das Verbot diskutieren sollen. „Es bestand kein | |
Zeitdruck, der Senator und der Landesvorstand haben die Diskussion | |
absichtlich vermieden.“ | |
Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des Senators, begründete den Zeitpunkt | |
des Gesetzentwurfes mit dem diesjährigen 500. Jubiläum der Reformation. | |
„Die Debatte sollte nicht mit den Veranstaltungen im Reformationsjahr | |
kollidieren“, so die Sprecherin. Ferner sei der Gesetzentwurf mit der | |
SPD-Fraktion und dem Koalitionspartner besprochen worden. „Die Mehrheit | |
steht hinter dem Tanzverbot. Dass bestimmte Gruppen oder Personen dagegen | |
sind, kann man trotz der liberalen Regelung nicht verhindern“, sagt | |
Gerdts-Schiffler. Die Gesetzesänderung von 2013 sei eine befristete | |
Übergangsregelung gewesen. Der Innensenator habe nicht auf den letzten | |
Drücker handeln wollen. | |
Anders als Mäurer sieht Mäschig die Diskussion nicht als beendet an. | |
„Unabhängig von der Abstimmung im Parlament wird das Thema auch in den | |
nächsten Jahren eine Rolle spielen. Dafür sorgt der Innensenator mit | |
Ausnahmegenehmigungen für Veranstaltungen wie das traditionelle | |
Galopprennen am Karfreitag oder der kommerziellen Weihnachtsmesse | |
‚Christmas & more‘ am Totensonntag im letzten Jahr“, sagt Mäschig. Das | |
Rennen werde in diesem Jahr zwar letztmalig stattfinden, trotzdem | |
illustriere dieses Beispiel die Inkonsequenz Mäurers. | |
27 Jan 2017 | |
## AUTOREN | |
Vanessa Reiber | |
## TAGS | |
Feiertage | |
Religion | |
Tanzen | |
Ostern | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Nord-Süd-Gerechtigkeit: Bloß nicht noch ein Feiertag! | |
Niedersachsens Grüne und die SPD in Bremen wollen einen zusätzlichen | |
Feiertag. Ist das wirklich euer Ernst? Sind die existierenden nicht schlimm | |
genug? | |
Tanzverbot gelockert: Der einsame Kampf der CDU | |
Pferde dürfen rennen, Wetter zocken, Kirchenglocken läuten. Auch | |
Discobesucher dürfen an den „stillen Feiertagen“ demnächst ein wenig län… | |
ausgehen. | |
Säkularisierung in Bremen: Tanz den Jesus Christus | |
In Bremen wollen SPD und Grüne das Tanzverbot an Karfreitag und anderen | |
Feiertagen lockern. Kritik kommt von Christen und Gewerkschaftern, auch die | |
zum Teil stark protestantische SPD tat sich schwer. | |
Kommentar gelockertes Tanzverbot: Antiquiert und übergriffig | |
Dass mit Rückgriff auf die christliche Kirche immer noch Tanzverbote an | |
Feiertagen gelten, ist nicht mehr vertretbar. | |
Diskussion um Tanzverbot: Bitte nicht am Karfreitag! | |
In mehreren Bundesländern herrscht am Karfreitag Tanzverbot. Befürworter | |
verteidigen die gesetzliche Auszeit. Kritiker wollen demonstrieren – | |
tanzend. |