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# taz.de -- NGO über Flucht in Gambia: „Die Jugend ist weg“
> „Action Aid“ ist keine klassische Organisation für Entwicklungshilfe,
> sondern mischt sich ein und unterstützt Kleinbauern dabei, ihre
> Interessen zu vertreten.
Bild: Hoffnung: Ein junger Mann freut sich über die Abwahl des Präsidenten Ja…
taz: 14.000 Flüchtlinge aus Gambia bei zwei Millionen Einwohnern im Jahr
2015. Herr Badji, ihre NGO „Action Aid Gambia“ will diesen Trend umkehren,
aber warum wollen überhaupt alle weg?
Omar Badji: Migration hat eine jahrhundertelange Tradition. Heute geht es
um bezahlte Beschäftigung. Das ist die Triebfeder. Vielen jungen Menschen
fehlt eine Ausbildung, mit der sie Arbeit finden können, deswegen suchen
sie woanders. Und da es in der Vergangenheit immer wieder Leute gegeben
hat, die mit viel Geld aus Europa zurückgekommen sind, und immens zum
Wohlstand ihrer Familie beigetragen haben, da sind natürlich alle ganz
aufgeregt und wollen sich auch aufmachen.
Wenn man sich in Gambia umschaut, sieht man überall Spuren von den
Investitionen der Auswanderer: Häuser, Villen, Autos, Taxis und Busse, die
von Familienangehörigen betrieben werden. Das ist eine große Motivation,
eine große Zugkraft für die Jugend. Aber es gibt auch Auswanderer, die
keine gutbezahlte Arbeit gefunden haben. Die schicken dann Bilder, Selfies,
in einer wunderschönen Umgebung, wovon die Leute hier nur träumen können.
Die Botschaft ist klar: mir geht es gut, ich habe Arbeit und ich habe so
viel Geld. Der Wechselkurs macht viel aus: 100 Euro, 100 Pounds, das ist
für uns sehr, sehr viel Geld.
Selbst wenn du nicht wirklich viel verdienst und nur 50 oder 100 Euros
schicken kannst, sind die Familien sehr zufrieden. Und diejenigen, die
nicht viel beitragen können, die sind wirklich sehr frustriert. Und diese
Frustration stärkt die Bereitschaft Risiko einzugehen und sich aufzumachen.
Es heißt, im Norden gibt es, genauso wie im Senegal, ganze Dörfer ohne
Männer?
In den abgelegenen Dörfern, die man nur zu Fuß erreichen kann, da finden
sich kaum noch junge Männer. Meistens sind es ja die jungen Männer, die
weggehen, aber die Mädchen machen sich jetzt auch schon auf. Die Jugend ist
weg. Man fragt nach den jungen Leuten, und die Antwort ist: Die sind alle
weg! Früher war das eine Gegend mit Rekord-Ernten und jetzt liegt das Land
brach. Und zwar hauptsächlich, weil es keine Arbeitskräfte gibt, um das
Land zu bestellen. Das ist dann ein Teufelskreis: das Land verödet aufgrund
des Klimawandels und niemand ist da, um es gegen die Wüste zu schützen. Die
fehlende Bewässerung und Anpflanzung kurbelt noch einmal den Prozess der
Erosion an.
Das heißt der Klimawandel forciert Migration?
Im Norden ist das Voranschreiten der Wüste wirklich ein Problem. Der Anteil
des unfruchtbaren Bodens wird immer größer. Der Boden wird sandig,
ungeeignet für den Ackerbau. Im Großen und Ganzen ist es noch nicht
aussichtslos. Es gibt nach wie vor Menschen, die Ackerbau betreiben. An
vielen Orten würde der Boden mit ein bisschen Investition wieder etwas
hergeben und wir könnten eine gute Ernte einfahren. Aber schon jetzt sagen
viele Leute: „Der Boden ist tot“. Das heißt, er ist nicht mehr fruchtbar.
Da muss man schon richtig was investieren.
Es geht ja auch darum, guten Dünger in der richtigen Menge anzuwenden. Das
kostet und die Bauern haben dafür kein Geld. Action Aid will die
Landwirtschaft von der reinen Subsistenzwirtschaft zur einem
gewinnorientierten Geschäft entwickeln, damit wir auch ins Ausland
verkaufen können. Das kreiert dann Arbeitsplätze, die die Jugend zum
Bleiben bewegt.
Im Moment ist immer noch der Weg durch die Wüste attraktiver, was kann man
dagegen tun?
Meine größte Sorge ist, dass die abwandernde Jugend ein großes Vakuum
hinterlässt. Selbst wenn wir Geld für Investitionen hätten, finden wir
niemanden mehr, der diese Projekte umsetzt. Wenn diese Tendenz in den
nächsten zehn, 15, 20 Jahren anhält, werden wir alles verlieren. Dann sind
wir von Kindern und Alten abhängig, die wirtschaftlich nicht viel beitragen
können.
Dieser „Brain Drain“ oder besser „Labour Drain“ ist ein zentrales Anlie…
da müssen wir gegensteuern. Ich persönlich halte das für das
Allerwichtigste. Ich will mich mit der Jugend darüber auseinandersetzen,
und eine Perspektive aufbauen, so dass sie hierbleiben und wir das Land
gemeinsam aufbauen.
12 Dec 2016
## AUTOREN
Andrea Stäritz
## TAGS
migControl
Gambia
Gambia
Schwerpunkt Gender und Sexualitäten
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