# taz.de -- Türkei-Politik der EU: Posen gegen Erdoğan | |
> Abgeordnete protestieren vor dem Reichstag gegen Festnahmen in der | |
> Türkei. Die Bundesregierung hält sich zurück – in Berlin wie in Brüssel. | |
Bild: Solidarität mit den Abgeordneten der HDP: Aktion vor dem deutschen Bunde… | |
Berlin taz | Bei all den Repressionen kommen manche kaum mehr hinterher. | |
Inge Höger etwa, die am Dienstagmittag auf der Treppe zum Reichstag | |
posiert. In der Hand hält die Linken-Politikerin ein Foto von Çağlar | |
Demirel, Abgeordnete im türkischen Parlament, für deren Schutz sie im | |
Sommer eine symbolische Patenschaft übernommen hat. | |
Sie haben aber noch keinen engen Draht, die neueste Nachricht aus Ankara | |
hat Höger in diesem Moment noch nicht erreicht: Nach Angaben ihrer Partei | |
wurde die HDP-Abgeordnete Demirel am Montagabend festgenommen. | |
Schon nach dem gescheiterten Putsch im Juli hatten Sicherheitskräfte | |
mehrere HDP-Politiker inhaftiert. Seit den Anschlägen in Istanbul am | |
Samstag folgt die nächste Repressionswelle gegen die prokurdische Partei | |
mit bislang weit über 200 Festnahmen. Deshalb steht Höger nun mit rund | |
sechzig weiteren Abgeordneten aller Bundestagsfraktionen auf der Treppe. | |
Mit einem gemeinsamen Foto wollen sie ein Zeichen setzen. „Wir ersuchen die | |
türkische Regierung um sofortige Freilassung von Inhaftierten“, heißt es in | |
einer Erklärung der Politiker, die alle als Paten für türkische Kollegen | |
einstehen. | |
## Zur Besonnenheit gemahnt | |
So deutlich wie die Parlamentarier hat sich die Bundesregierung bislang | |
nicht positioniert. Kanzlerin Angela Merkel hatte die türkische Regierung | |
am Montag zwar ebenfalls zur Besonnenheit gemahnt, drückte sich aber | |
diplomatisch-vage aus. „Alle Maßnahmen – das kann ich nur ganz allgemein | |
sagen –, die erfolgen, um solch ein dramatisches, schreckliches Attentat | |
aufzuklären, müssen im Rahmen der Rechtsstaatlichkeit sein, im Rahmen der | |
Verhältnismäßigkeit“, sagte sie. | |
Der österreichische Außenminister geht da weiter. Sebastian Kurz | |
veröffentlichte am Dienstag gemeinsam mit dem CSU-Politiker Manfred Weber, | |
Vorsitzender der Konservativen im EU-Parlament, einen Gastbeitrag in der | |
Welt – und forderte konkrete Maßnahmen: „Ein Einfrieren der | |
Beitrittsverhandlungen wäre ein klares und angemessenes politisches Signal, | |
dass die EU als Wertegemeinschaft nicht bereit ist, über die negativen | |
Entwicklungen hinwegzusehen.“ | |
Auch auf dem EU-Außenministertreffen in Brüssel warb Kurz für diese | |
Position. Eine Mehrheit für einen Verhandlungsstopp gibt es unter den | |
europäischen Regierungen aber nicht. Die übrigen EU-Staaten einigten sich | |
am Dienstag lediglich darauf, keine weiteren Beitrittskapitel zu eröffnen. | |
Die Verhandlungen können fürs Erste also nicht ausgeweitet werden, laufende | |
Gespräche über bestimmte Politikbereiche gehen aber zunächst wie gehabt | |
weiter. | |
Nur auf einem Nebenschauplatz setze sich Kurz am Dienstag durch: In Brüssel | |
blockierte Österreich mit seinem Veto die Verabschiedung des sogenannten | |
Fortschrittsberichts, der den Stand der Beitrittsgespräche zusammenfasst. | |
Direkte Auswirkungen auf die Verhandlungen hat dieser Schritt aber nicht. | |
13 Dec 2016 | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
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