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# taz.de -- Die Wahrheit: Marmageddon wegen Brexit
> Die englische Leibspeise Marmite verschwindet aus den Supermarktregalen.
> Menschen mit Geschmack begrüßen diesen Effekt.
Bild: Ein Auslaufmodell: Marmite im Supermarktregal
Damit haben die Brexiteure nicht gerechnet: Weil das Pfund Sterling nach
dem Volksentscheid für den Austritt aus der EU in die Knie gegangen ist,
erhöhte der Multi Unilever den Preis für die englische Leibspeise Marmite.
Aber es kam noch schlimmer. Der Supermarktgigant Tesco akzeptierte die
Preissteigerung nicht und nahm Marmite aus dem Sortiment. „Marmageddon“,
titelte die englische Boulevardpresse.
Marmite ist ein Brauerei-Abfallprodukt. Die ausgemergelte Hefe wird
erhitzt, um sie streichfähig zu machen. Dann gibt man Unmengen Salz und
einige andere Produkte hinzu – fertig. Marmite enthalte weder Gluten noch
Soja, Mais, Milch, Ei, Nüsse, Farbstoff oder Konservierungsmittel, prahlt
Unilever. Meine Unterhose enthält ebenfalls keins dieser Produkte, aber
dennoch esse ich sie nicht.
Der Name des schwarzen Hefeschlamms beruht auf dem französischen Wort für
einen Tontopf. Das Unternehmen wirbt mit einem Slogan, den die Nazis der
British National Party für einen Wahlwerbespot missbrauchten, bis Unilever
ihnen das gerichtlich verbieten ließ: „Love it or hate it.“ Ich tendiere
bei beiden zu Letzterem.
Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Marmite als Strafe für ungezogene Kinder
eingesetzt, aber nach Protesten von Menschenrechtlern wurde die Paste durch
den humaneren Rohrstock ersetzt. Im Zweiten Weltkrieg wurden deutsche
Kriegsgefangene in Großbritannien mit Marmite gefoltert.
Viele Engländer streichen sich den Hefematsch freiwillig auf gebutterten
Toast. Fairerweise muss man erwähnen, dass es auch Engländer gibt, die sich
eher „geronnene Babykacke“ auf das Weißbrot schmieren würden, wie ein
Kritiker in einem Internetforum anmerkte: „Sollte mein Baby Marmite kacken,
würde ich es zur Adoption freigeben, weil ich den Gestank nicht aushalten
könnte.“
Unilevers Begründung für die Preiserhöhung steht auf wackligen Füßen.
Marmite wird seit 1902 in Burton upon Trent in Staffordshire hergestellt
und benutzt ausschließlich britischen Abfall zur Herstellung, so dass der
Fall des Pfunds keinerlei Einfluss auf die Produktionskosten hat. Tescos
Boykott von Marmite hat zu Panikkäufen geführt. Die anderen Supermärkte
verzeichneten einen Anstieg der Verkaufszahlen um 60 Prozent.
Bisweilen gibt Marmite limitierte Sonderausgaben heraus – etwa mit 30
Prozent Guinness-Hefe, aber ohne Alkohol. Umgekehrt wäre es vielleicht
genießbar. Zum Thronjubiläum der Queen konnte man 2012 Ma’amite kaufen,
denn laut Etikette spricht man die Königin beim ersten Mal mit „Your
Majesty“ an, danach reicht „Ma’am“. Zur Feier des Tages soll sie die
Toastreiterchen für ihre Corgis mit Marmite bestrichen haben, wofür sie von
Tierschützern gerüffelt wurde.
Selbst für Menschen ist der Aufstrich nicht ungefährlich, denn wer eine
bestimmte Sorte Antidepressiva einnehme, könne schwermütig werden, warnen
Ärzte. Bei mir geschieht das auch ohne: Sobald ich den Teerschlamm rieche,
verfalle ich in Trübsinn.
5 Dec 2016
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
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