# taz.de -- Kampf um Aleppo: Rebellen in der Defensive | |
> Assads Armee kontrolliert offenbar einen wichtigen Stadtteil der Stadt im | |
> Osten. Eine faktische Dreiteilung des Landes wird wahrscheinlicher. | |
Bild: Bomben fallen auf Aleppo | |
Genf taz | In Aleppo geraten die syrischen Rebellen immer mehr in die | |
Defensive: Die Regierungsarmee eroberte am Montag einen strategisch | |
besonders wichtigen Stadtteil im Osten, wie staatliche Medien und die | |
oppositionsnahe Beobachterstelle für Menschenrechte übereinstimmend | |
mitteilten. Sie trieb damit einen Keil in das Gebiet, das die | |
Aufständischen halten. | |
Dies sei die schwerste Niederlage der Aufständischen in der einstigen | |
Handelsmetropole seit langer Zeit, hieß es. Sollten sich die Angaben | |
bestätigen, wären die Regierungsgegner erheblich geschwächt. Diese haben | |
seit Monaten versucht, die Offensive der Armee zurückzuschlagen. | |
Ein Vertreter der Aufständischen bestritt, dass der Bezirk Sakhour gefallen | |
ist. Ein weiterer erklärte jedoch, die Lage sei nicht klar. Das syrische | |
Staatsfernsehen berichtete dagegen unter Berufung auf Militärinformanten, | |
der gesamte Stadtteil sei von der Armee mit Unterstützung ihrer Verbündeten | |
erobert worden. Derzeit werde das Gebiet von Minen geräumt. | |
Ein Kämpfer der Regierungstruppen sagte, das Rebellenterritorium sei in | |
zwei Teile gespalten. Man habe einen Korridor gelassen, durch den die | |
Aufständischen aus dem nördlichen Bereich in den südlichen gelangen | |
könnten. Zwischen 6.000 und 10.000 Menschen sind in den vergangenen Tagen | |
vor den Kämpfen geflohen. | |
## Eine Dreiteilig wird wahrscheinlich | |
Mit der Rückeroberung der bislang von Rebellen gehaltenen Stadtteile | |
Aleppos durch syrische Regierungstruppen rückt ein bereits seit geraumer | |
Zeit absehbares Szenario immer näher: die faktische Dreiteilung des | |
syrischen Territoriums. Dabei würde die Regierung Assads mit Unterstützung | |
der russischen Armee das westliche Drittel entlang der Mittelmeerküste | |
kontrollieren – mit fast allen größeren Städten des Landes sowie den | |
russischen Marine- und Luftwaffenbasen Tartus und Latakia. Die | |
Nordostgrenze zur Türkei fiele an die Kurden. Und der „Islamische Staat“ | |
(IS) würde die restlichen und überwiegend aus Wüste bestehenden knapp 50 | |
Prozent des Landes weitgehend beherrschen. | |
Eine Folge des jetzt wahrscheinlich bald vollständigen militärischen Siegs | |
über alle gegnerischen Kräfte in Aleppo: Die – seit Beginn ihrer | |
Großoffensive gegen die nordsyrische Stadt am 15. November verstärkt von | |
russischen Kampfflugzeugen sowie erstmals auch von Seestreitkräften | |
unterstützten – syrischen Regierungstruppen könnten sich wieder auf andere | |
Regionen konzentrieren. Dabei ginge es zunächst vor allem um die | |
Rückeroberung der wenigen, überwiegend ländlichen, Regionen im westlichen | |
Drittel Syriens. Diese, zum Beispiel in der Provinz Idlib, werden derzeit | |
noch von gegnerischen Milizen kontrolliert. | |
Das militärische Vorgehen der syrischen und russischen Streitkräfte hat | |
bereits in den letzten zwei Wochen dazu geführt, dass mehr Menschen in die | |
Nachbarländer Türkei, Libanon und Jordanien flüchteten. Diese Entwicklung | |
dürfte sich in den kommenden Wochen noch erheblich verschärfen. Damit würde | |
auch die Zahl syrischer Flüchtlinge in Europa weiter ansteigen – zumal, | |
wenn der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan seine jüngste Drohung | |
wahrmacht und den Flüchtlingsdeal mit der EU aufkündigt. | |
Außerdem ist zu befürchten, dass sich die bislang von Saudi-Arabien, Katar, | |
der Türkei und den USA unterstützten islamischen/islamistischen | |
Oppositionmilizen in Syrien weiter radikalisieren: Der IS und die | |
Al-Nusra-Front könnten neuen Zulauf erhalten. Die säkularen | |
Oppositiongruppen in Syrien – die mit 3.000 bis 5.000 Kämpfern ohnehin nur | |
noch ein bis zwei Prozent aller bewaffneten Akteure im Land stellen – | |
würden wohl völlig aufgerieben. | |
## Pflichtschuldige Routinekritik | |
Dennoch dürfte diese Entwicklung in Washington, Berlin und anderen | |
westlichen Hauptstädten auf stillschweigende Zustimmung stoßen und | |
höchstens noch pflichtschuldige Routinekritik an den katastrophalen Folgen | |
für die syrische Zivilbevölkerung hervorrufen. | |
Die Regierung von Barack Obama hat jegliches Engagement wenigstens für eine | |
Waffenruhe in Syrien aufgegeben, nachdem die Verhandlungen mit Moskau Mitte | |
September gescheitert sind. Obamas designierter Nachfolger Trump räumt dem | |
Kampf gegen den IS in Syrien „oberste Priorität“ ein und hält die | |
Präsidenten Baschar al-Assad und Wladimir Putin dabei für geeignete und | |
unverzichtbare Partner. | |
Bis zu Trumps Amtsantritt am 20. Januar dürfte die Dreiteilung Syriens | |
abgeschlossen sein. Die Hoffnung, dann werde sich Präsident Assad auf die | |
Wiederaufnahme der seit April dieses Jahres suspendierten Genfer Gespräche | |
mit der Opposition einlassen, ist unrealistisch. Eher ist zu befürchten, | |
dass Assad und seine Sicherheitskräfte rigoros gegen alle noch im | |
westlichen Drittel Syriens verbliebenen Menschen mit tatsächlicher oder | |
vermeintlicher oppositioneller Gesinnung vorgehen werden, wenn sie dort die | |
volle militärische Kontrolle wiedererlangt haben. (mit Reuters) | |
28 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Andreas Zumach | |
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