# taz.de -- Alter Adel abgewählt: Wersichs letztes Gefecht | |
> Ex-Sozialsenator Dietrich Wersich darf nicht für die CDU nach Berlin. Der | |
> 31-jährige Christoph Ploß hat ihm die Bundestagskandidatur im Bezirk Nord | |
> weggeschnappt. | |
Bild: Wird von seiner Partei abgesägt: Dietrich Wersich, Ex-Senator. | |
HAMBURG taz | Die 334 Stühle in der Aula des Alsterdorfer | |
Heilwig-Gymnasiums reichen nicht aus, um den Andrang zu fassen. Für viele | |
Mitglieder der Union gibt es nur Stehplätze. Beide Kandidaten haben nach | |
Kräften mobilisiert. Es geht um ihre politische Zukunft, darum, wer im | |
bezirk Hamburg-Nord für die CDU als Bundestagskandidat in die Wahlschlacht | |
zieht. Der Favorit heißt Christoph Ploß, ein 31-jähriges Polittalent mit | |
Ambitionen. | |
Und es geht auch um das womöglich letzte Gefecht des Gegenkandidaten | |
Dietrich Wersich. Der Mann, von dem die Hamburger CDU noch vor der | |
Bürgerschaftswahl 2015 meinte, er sei so unglaublich gut, dass die | |
Hamburger ihn zum Bürgermeister küren müssten. Nach der krachenden | |
Wahlniederlage ist Wersich nun nicht einmal gut genug für Hamburgs CDU. | |
Systematisch wurde der 52-Jährige degradiert. Er verlor den | |
Fraktionsvorsitz im Hamburger Rathaus, verlor – gegen Ploß – den | |
CDU-Kreisvorsitz in Nord und seinen Sitz im CDU-Landesvorstand. In der | |
Führung der Hamburger CDU ist kein Platz mehr für den ehemaligen | |
Sozialsenator – deshalb will er nach Berlin, in den Bundestag. | |
Doch da sieht sich auch der 21 Jahre jüngere Ploß. Ein aufstrebender | |
Politiker mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein, dem man nachsagt, er | |
fühle sich zu Größerem berufen. Deshalb will er mit 31 Jahren als | |
Abgeordneter in die Hauptstadt. Was natürlich nur eine Zwischenstation | |
seiner politischen Karriere sein kann. Im Gespräch stemmt Ploß die Hände in | |
die Hüften. Das macht ihn breiter. Wersichs Körpersprache ist dezenter. | |
Wenn er spricht, verschränkt er die Hände vor dem Körper. | |
Beide Kandidaten haben in der Schulaula zehn Minuten Zeit, sich zu | |
präsentieren. Ploß inszeniert sich als Mann der Zukunft, Wersich versucht | |
mit politischer Erfahrung zu punkten. Newcomer gegen Parteisoldat. Man | |
könnte es auch böser formulieren: Karrierist gegen Versorgungsfall. Ploß | |
ist kein großer Redner, Wersichs Bewerbung erntet den länger anhaltenden | |
Applaus. Kurz keimt Hoffnung bei ihm auf. | |
Nachfragen zu den Reden werden von den erschienenen Mitgliedern nicht | |
gewünscht. Wer hier ist, weiß, wen er wählen wird. Und trägt bevorzugt – | |
das sticht ins Auge – Hemden mit kleinkariertem Muster. | |
Vorn in der ersten Reihe – ohne Karos – und direkt neben Ploß, sitzt noch | |
ein anderer in Ungnade gefallener Unionist – Ex-Bürgermeister Christoph | |
Ahlhaus. Auch er wurde vier Jahre vor Wersich nach verlorener | |
Bürgerschaftswahl innerparteilich entsorgt. Der Mann, der schon immer zehn | |
Jahre älter aussah, als er ist, hat sich einen weißgrauen Vollbart wachsen | |
lassen, was ihn noch einmal etliche Jahre älter wirken lässt. Welchem der | |
beiden Kandidaten er zuneigt, verrät er nicht. | |
Um 20.36 Uhr – nur anderthalb Stunden nach Versammlungsbeginn – verkündet | |
der Wahlleiter das Ergebnis. 225 Stimmen für Ploß, nur 158 für Wersich. | |
Deutlicher als erwartet. Der Sieger versucht jede Geste des Triumphs zu | |
unterdrücken, der Verlierer seine Enttäuschung – was Wersich nur mäßig | |
gelingt. Die Mimik des Aussortierten wirkt versteinert. Noch wird ihm als | |
Bürgerschafts-Vizepräsident sein politisches Gnadenbrot gewährt. Und als | |
Fachsprecher seiner Fraktion: für Kirchenangelegenheiten. | |
17 Nov 2016 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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