| # taz.de -- Die Wahrheit: Mayoranisches Glück | |
| > Der fränkische Künstler und komische Poet Philipp Moll ist tot. Bis | |
| > zuletzt blieb er seinem anarchischen und sanft spöttischen Humor treu. | |
| Bild: Heimische Milchseen und Butterberge verteidigte der Bayer Ertl erbittert … | |
| Gegen Ende eines Gesprächs, das Matthias Egersdörfer und ich mit Lina Moll | |
| über den Nationalsozialismus in Franken führten, regte sich ihr Sohn | |
| Philipp, einer der warmherzigsten Menschen, den ich jemals kennenlernen | |
| durfte, über die neue Friedhofsordnung unter dem Regiment des grünen | |
| Bürgermeisters von Lauf auf: „Diese ganzen alten Gräber, die schau’n jetzt | |
| aus, als wären des Soldatengräber. Da ham s’ alles komplett abg’stochen, | |
| den ganzen alten Bewuchs g’fällt, weil jetzt entspricht’s halt den | |
| Vorschriften.“ | |
| Mit Philipp Moll befreundet zu sein war ein Geschenk. Er entstammte einer | |
| Handwerkerfamilie, lernte Schreiner und war Meisterschüler an der | |
| Nürnberger Akademie der Bildenden Künste. Den Kunstbetrieb hielt er für | |
| einen Saustall voller ironieresistenter „Zuchteln“. Vor zehn Jahren | |
| gründete er mit Martin Fürbringer das aktionistische Institut der | |
| „Weltanschauungsbeauftragten“, in dem beide „über Kultursterbebegleitung, | |
| Paranoiaevaluation oder Müttermechanik“ forschten. | |
| Philipp war ein tiefhumaner Anarchist und ein zart ragender, genialer | |
| komischer Künstler und Poet, der außerhalb Frankens wohl nur wahrgenommen | |
| wurde, wenn er mit Fast zu Fürth, der Dadavolksmusikkrawallband, auftrat, | |
| stoisch das Waschbrett traktierend. Wenige seiner Texte und Werke sind auf | |
| [1][philipp-moll.de] zu finden, das Wunderbüchlein „Blumen und Wurst“ möge | |
| bitte jeder verständige Mensch lesen. | |
| Wenn Philipp zu erzählen begann, stets „mit einer grundlegenden | |
| Fröhlichkeit“ und einem ungeheuren Gespür für Pausen, in denen die | |
| Geschichten herrlich frei atmeten, fühlte man sich augenblicklich | |
| aufgehoben in der Welt – wie in einem Roman von Jean Paul. Als Matthias | |
| Egersdörfer und ich ihn vor ein paar Wochen in der Klinik in Erlangen | |
| besuchten, reihte er eine sanftfeine Pointe nach der anderen aneinander, | |
| verspottete die stümperhaften Drucke mit Herzmotiven auf der Station und | |
| dozierte über „die Sozialdemokratie und ihre Krankenhausarchitektur“. | |
| Ein andermal filmte der Lausbub, mit seinem Infusionsgestell auf sie | |
| zufahrend, die regelmäßig singenden Christen, zum Vergnügen der anderen | |
| Patienten. In einem seiner letzten Texte beschreibt er das Krankenhaus als | |
| „recht eigenartiges Gärtlein mit inwendig manch seltsamer Ausblühung von | |
| Humor, in dessen schattigen Winkeln man in kurzer Zeit und zur Gänze der | |
| vollständigen geistigen Verwahrlosung anheimfallen kann“. Ein Konzert von | |
| Fast zu Fürth im Foyer war verabredet. Die schwere Operation hat Philipp | |
| nicht überlebt. | |
| Manche seiner Prosapretiosen sind ergreifend wehmütig. In der | |
| „Wurstpredigt“ heißt es: „Kaum hineingeboren in ihr duftreiches Dasein a… | |
| Leberwurstringlein, haucht sie schon ihr farbarmes, aber aromareiches | |
| Leibchen aus und fließt hinein ins Kraut und mit dem Kraut an den Gaumen | |
| eines zu lächeln beginnenden Menschen hin, als Botin mayoranischen | |
| Glückes.“ | |
| Philipp, wir vermissen dich. Fürchterlich. | |
| 25 Oct 2016 | |
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| [1] http://www.philipp-moll.de/ | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Roth | |
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