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# taz.de -- Kommentar Räumung des „Dschungels“: Die zynische Inszenierung …
> Frankreich verteilt Geflüchtete symbolisch über das Land. Sie werden
> weiterhin nach England geschleust, doch jetzt sieht sie niemand mehr.
Bild: Sie werden über das Land verteilt, ihr Schicksal bleibt ungewiss
Was für ein groteskes Schauspiel! Jahrelang hatten die französischen
Behörden zugelassen, dass sich am Rande der Hafenstadt Calais am Ärmelkanal
eine Flüchtlingsstadt bildete, mit Tausenden Menschen in Schlamm und Dreck.
Gerichtsurteile, wonach der französische Staat zur Herstellung
menschenwürdiger Zustände im „Dschungel“ verpflichtet sei, wurden
ignoriert, Helfer wurden kriminalisiert, der Front National wurde in Calais
stärkste Kraft, die Autobahn zum Hafen wurde zum Kriegsschauplatz.
[1][Und nun schauen Journalisten zu,] wie französische Polizisten zerlumpte
Afrikaner und Asiaten in Busse stecken und irgendwohin deportieren, ohne
Gewissheit um ihr Schicksal, ohne ihren gewohnten Zusammenhalt, aber mit
neuen Koffern und dem Versprechen, sie dürften Asyl beantragen.
Wenn die Flüchtlinge aus Calais wirklich in Frankreich Asyl beantragen
wollten und könnten, hätten sie das längst getan. Aber Frankreich hat
anders als Deutschland kein Aufnahmesystem für Geflüchtete, das diesen
Namen verdient, sondern lässt sogar in Paris Flüchtlinge mittellos unter
Brücken schlafen. Und anders als in Großbritannien will in Frankreich auch
kaum noch ein dunkelhäutiger Migrant freiwillig bleiben, in diesem Land des
Ausnahmezustands und der Polizeiwillkür, der Islamophobie und des
Rechtsnationalismus, der Ausländergettos und der Massenarbeitslosigkeit.
Die medial inszenierte Aktion in Calais ist darüber hinaus eine rein
symbolische Maßnahme. Das Schleuserwesen aus Frankreich nach Großbritannien
hat sich den fast unüberwindbaren Kontrollen längst angepasst. An der
Tunneleinfahrt auf Lastwagen springen – das versuchen nur noch die
Verzweifelten, die kein Geld und keine Kontakte haben. Die meisten werden
von den Schleusern quer durch Frankreich verteilt, bevor sie ein
Verkehrsmittel nach England mitbenutzen. Mitunter Hunderte Kilometer legen
sie innerhalb Frankreichs zurück, in komplizierten Absprache- und
Vorkassesystemen mit Akteuren auf beiden Seiten des Kanals. Nun tut ihnen
der französische Staat den Gefallen und verteilt sie selbst.
Es werden also höchstwahrscheinlich nach der Räumung genauso viele
Flüchtlinge aus Frankreich britischen Boden erreichen wie vorher. Man wird
sie bloß nicht mehr sehen. Der Schein stimmt wieder. Die Menschen sind
egal.
25 Oct 2016
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## AUTOREN
Dominic Johnson
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