# taz.de -- Worldcup auf Sylt: Windsurfen in der Flaute | |
> Steffi Wahl ging trotzdem ins Wasser. Die 38-Jährige will ihre Karriere | |
> möglichst lange fortsetzen, auch wenn sie statt im Hotel im Bus schlafen | |
> muss. | |
Bild: Geht auch bei wenig Wind ins Wasser: Surferin Steffi Wahl. | |
SYLT taz | Rasante Ritte über die Wellen, waghalsige Sprünge in der | |
Brandung, meterhohe Drehungen mit dem Board in der Luft und aufspritzende | |
Gischt – das sind die Bilder, die vom Windsurfen gemeinhin transportiert | |
werden. Hier und heute Nachmittag in Westerland auf Sylt beim Windsurf | |
Worldcup stellt sich die Situation allerdings ein klein wenig anders dar. | |
Am Brandenburger Strand liegen Dutzende grellbunter Surfboards | |
nebeneinander im Sand – griffbereit für die Athleten, falls der Wind doch | |
noch mal aufrauen sollte. Windsurfen ist nicht nur Action, das ist auch | |
ganz oft, vor allem auf Sylt, zähes Warten. | |
Und so sitzt der Großteil der Athleten aus aller Welt wenige Schritte | |
entfernt im Kopfbereich eines riesigen Partyzeltes, das die Organisatoren | |
auf der Westerländer Promenade für den zehntägigen Wettbewerb aufgebaut | |
haben. „Sailors Club“ heißt diese kleine, schmucklose Nische, die nur | |
Surfern zugänglich ist. Zum Glück für sie ist dieser Bereich weit genug | |
entfernt von den Frittierfett-Dunstwolken eines Fischgastronoms, die vom | |
anderen Ende kommend durch das Zelt wabern. | |
Im Sailors Club ist ein Flachbildfernseher an der Zeltwand angebracht. Nur | |
eine Bildeinstellung ist darauf zu sehen. Sie zeigt die Surfbretter im | |
Sand, die Nordsee und die Fahnen der Sponsoren, die vom Wind zwar ganz | |
ordentlich bewegt werden, dies allerdings nicht in der notwendigen Stärke. | |
Sie müssten knattern, damit heute noch der Slalom stattfinden könnte. Auf | |
dem Bildschirm des Fernsehers aber steht ein Schriftzug, der sich nur | |
marginal verändert. „Next possible start at 13.20“ – danach 14, 14.30 und | |
so weiter. Die Sportlerinnen und Sportler sitzen auf Bierbänken an den | |
Tischen, quatschen oder spielen Tischkicker. | |
Die Kielerin Steffi Wahl ist nur selten im Sailors Club zu Gast. Das sei | |
nicht so ihre Sache, auf engem Raum mit den anderen zu hocken – auch wenn | |
sie mit den meisten Surferinnen und Surfern gut zurechtkomme. Aber sie | |
versuche lieber, die Zeit sinnvoll zu nutzen. Am besten sei es, mit dem | |
Board aufs Wasser zu gehen, selbst wenn der Wind nur wenig zulasse. | |
Die 38-Jährige gilt nicht nur seit einiger Zeit als beste deutsche | |
Windsurferin in der Disziplin Wellenreiten. Es gelingt ihr bei Weltcups | |
auch immer wieder, in die Nähe des Podiums zu gelangen oder aufs Treppchen | |
zu springen. Vor Teneriffa schlug sie unter anderem die elfmalige | |
Weltmeisterin Daida Moreno aus Spanien und wurde Dritte. Auf Sylt belegte | |
sie in ihrer Disziplin den fünften Rang. | |
„Ich bin mit dem Ergebnis nicht so zufrieden“, sagt die Norddeutsche, die | |
als Teilzeitprofi in der Elite weit nach oben gekommen ist. Sie hat sich | |
mit einer Internetfirma selbstständig gemacht. Die Prämien bei den | |
Windsurf-Veranstaltungen sind für sie ein Zubrot, sie decken die Kosten für | |
die Reisen ab. Sie schläft nicht im Hotel, sondern im Bus. Der aber habe | |
eine Standheizung, sagt Wahl und lächelt. | |
So nervig machmal das Warten auf den Wettkampf sei, sie wolle noch so lange | |
wie möglich bei den Weltcups dabei sein. Sylt ist für Wahl eine ganz | |
besondere Station. Hier war sie 1998, kurz nachdem sie von Ravensburg nach | |
Kiel umgezogen war, erstmals am Start. „Sie brauchten damals ein paar | |
Mädels, um den Wettbewerb aufzufüllen. Ich bin im Wettbewerb völligst | |
abgesoffen“, erinnert sich Wahl. | |
Die 38-Jährige hat neben dem Sport noch andere Interessen: Ein Wunsch von | |
ihr wäre, eine Woche lang die Bundespolitik unmittelbar zu erleben, um zu | |
erkennen, was alles zum Beruf eines Abgeordneten dazugehört. „Es wird mir | |
einfach zu viel über die Politiker in Berlin gemeckert. Ich glaube, viele – | |
nicht alle – opfern sehr viel Zeit. Und die brauchen ein dickes Fell.“ | |
Gedankenspiele während der Wartezeit in Westerland. | |
Der Kieler Vincent Langer hält sich derweil dort auf, wo die Surfbretter im | |
Sand liegen. In zehn Minuten soll der nächste Startversuch unternommen | |
werden. Zwei Tage zuvor hatte der 29-Jährige in der zweiten Tages-Wettfahrt | |
im Slalom einen beeindruckenden zweiten Platz errungen. „Das ist | |
unglaublich, ich bin total happy darüber“, sagt er. Den Weltcup auf Sylt | |
mag Langer, auch wenn er dem Trubel auf der Promenade aus dem Weg geht. | |
„Ich bin da eher der sture Norddeutsche, der lieber die Ruhe hat und für | |
sich ist, anstatt im Sailors Club zu sitzen.“ | |
Am Weltcup auf Sylt gefalle ihm besonders, dass sich hier sehr viele | |
Besucher wirklich für die Wettbewerbe auf dem Wasser interessierten, sagt | |
Langer und hält dann kurz inne. Die nächste Durchsage kommt. Der Start | |
wurde erneut verschoben, um eine weitere halbe Stunde. Der Kieler nickt, | |
dann sagt er: „Das wird heut’nix mehr.“ | |
9 Oct 2016 | |
## AUTOREN | |
Christian Görtzen | |
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