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# taz.de -- Justiz und Vorurteile: „Nicht-Weißen glaubt keiner“
> Eine Frau steht wegen Verleumdung von Polizisten vor Gericht. Der Fall
> zeigt, wie mit Opfern von Polizeigewalt umgegangen wird, sagt Biplab Basu
> von Reachout.
Bild: Wer hat wem Gewalt angetan? Richter glauben meist den Polizisten
taz: Herr Basu, vor dem Landgericht sitzt am Donnerstag eine Rentnerin,
Ayfer H., auf der Anklagebank. Sie hat Polizisten wegen Körperverletzung im
Amt angezeigt und wurde mit Gegenanzeigen überzogen. Können Sie den Fall
schildern?
Biplab Basu: Sie war mit ihrer Freundin in der Schule ihres Sohns: Er hatte
dort Probleme und sollte rausgeschmissen werden. Es kam zum Streit mit dem
Direktor. Der beendete das Gespräch und holte die Polizei. Die Polizisten,
sagt Ayfer H., bedrängten sie, sie fühlte sich nicht verstanden. Später vor
Gericht sagte ein Polizist, er habe Frau H. die Hand auf die Schulter
gelegt, um sie hinauszubegleiten; sie sagt, die Berührung war so heftig,
dass sie gegen die Wand fiel. Dabei habe sie wohl mit den Armen gerudert,
vielleicht sei ihre Handtasche beim Fallen hochgeflogen. Aber sie habe
niemals einen Beamten schlagen wollen. Am Ende jedenfalls hatte sie
Prellungen an Brust und Hand, ihre Lippe war aufgeplatzt.
Aber in einem ersten Verfahren wurde sie wegen „Körperverletzung“
verurteilt.
Ja. Ihre Anzeige gegen die Beamten wurde sehr schnell eingestellt, sie aber
wurde verurteilt. Das finde ich schon mal sehr ungerecht. Dazu kommt: In
diesem zweiten Verfahren will der Staatsanwalt sie auch noch wegen
„Verleumdung“ drankriegen. Das ist schon sehr ungewöhnlich. Es kommt ja
manchmal – leider nicht so oft – vor, dass Menschen vor Gericht
freigesprochen werden, die von Polizisten wegen Körperverletzung angezeigt
worden waren. Aber ich habe noch nie erlebt, dass anschließend die
Polizisten wegen Verleumdung angezeigt werden. Doch diesen Fall verfolgt
jetzt sogar der Oberstaatsanwalt. Ich habe den Eindruck, er kämpft richtig
gegen Ayfer H.
Wie kommen Sie darauf?
Er selbst hat jetzt die Berufung angestrengt. Frau H. wurde bereits voriges
Jahr wegen Verleumdung verurteilt. Dem Staatsanwalt reicht aber das
Strafmaß nicht, obwohl es über 100 Tagessätze liegt und sie damit sogar
vorbestraft ist. Auch der Richter, der Frau H. im Verfahren, in dem es um
die Körperverletzung ging, verurteilt hat, und der im ersten
Verleumdungsprozess als Zeuge geladen war, hat ausgesagt, dieser
Oberstaatsanwalt sei „ein harter Hund“. Und er wisse nicht, warum er Frau
H. noch weiter verfolgt. Ich verstehe das auch nicht: Die Frau hat schwere
Behinderungen, ist Rentnerin und hatte nie ein Problem mit der Polizei.
Ist das Ihrer Meinung nach eine Strategie der Polizei, Menschen, die
Polizisten wegen Körperverletzung anzeigen, ebenfalls anzuzeigen?
Ja, und das ist auch der Grund, warum die meisten Menschen, die zu uns
kommen, von einer Anzeige absehen. Die meisten spüren und haben das auch
schon von anderen gehört: Gegen Polizeigewalt kannst du nicht ankommen.
Niemand wird dir glauben. Sogar Richter sagen: Warum sollte ein
Polizeibeamter lügen? Wenn man regelmäßig zu Gericht geht und solche
Prozesse verfolgt, merkt man schnell, dass normalen Menschen, die gegen
Polizisten aussagen, nicht geglaubt wird. Vor allem, wenn es Schwarze,
Türken, Araber oder gar Roma sind. So ist es leider, auch wenn das niemand
wahrhaben will.
5 Oct 2016
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Polizei
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