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# taz.de -- Zur UN-Megastadtkonferenz: Die Unbewohnbare
> Smog, Zersiedelung und Autoverkehr machen Peking zu schaffen. Nun setzt
> die Stadtverwaltung auf Dezentralisierung.
Bild: Eine schöne Stadt … irgendwo da … zwischen dem … wo, was? Smog in …
PEKING taz | Bauarbeiter zerren zwei Meter hohe Jungbäume von einem
Lastwagen. Sie mühen sich mit den sperrigen Ästen. Die Bäume sollen eine
vierspurige Straße säumen, die erst vor Kurzem fertig gestellt wurde.
Dahinter erstreckt sich eine gigantische Baustelle. Auf einer großen
Plakatwand ist zu sehen, was geplant ist: ein komplett neuer Stadtteil aus
Wohnsilos, Einkaufszentren, Schulen und mittendrin ein Vergnügungspark mit
Lagunen und Palmen.
Diese Baustelle, rund 70 Kilometer südöstlich vom Stadtzentrum entfernt,
ist eine von vielen hundert. Im gesamten Umland der chinesischen Hauptstadt
vermessen Ingenieure derzeit Flächen, Bauarbeiter heben Gruben aus und
errichten Stelzen aus Beton für die Schienen der Hochgeschwindigkeitszüge.
„Je früher wir Parkanlagen, Einkaufszentren und U-Bahn-Linien einplanen,
desto lebenswerter wird es werden“, ist Stadtplaner Huang Zhiwei überzeugt.
„Die Leute sollen möglichst von sich aus kommen.“
Über 20 Millionen Einwohner zählt Peking derzeit. Geht es nach dem Willen
der chinesischen Führung, soll die chinesische Hauptstadt noch größer
werden und mit der benachbarten Hafenmetropole Tianjin und den Städten der
umliegenden Provinz Hebei zu einem gigantischen Ballungsraum
zusammenwachsen. Einen Namen für die Megametropole gibt es schon: Jingjinji
(abgeleitet von Beijing, Tianjin und Ji, dem traditionellen Namen der
Provinz Hebei). Kommen die Pläne zustande, werden in diesem Ballungsraum
mehr als 130 Millionen Menschen leben, mehr als in Deutschland, Schweiz,
Österreich und Polen zusammen.
Diese Pläne entstammen keineswegs den Federn größenwahnsinniger
Parteisekretäre. Sie sind aus der Not geboren. Noch vor 35 Jahren galt
Peking als Musterbeispiel chinesischer Städteplanung. Zwischen dem
Kaiserpalast im Zentrum der Stadt und der alten Stadtmauer reihten sich
symmetrisch die damals für Peking so typischen Hutong-Viertel:
traditionelle Hofhäuser (Siheyuan) entlang kleiner Gassen, dazwischen jede
Menge Parks und Tempelanlagen. In den Hutongs war es angenehm still. Das
Leben spielte sich auf den Hauptstraßen zwischen den Hutong-Vierteln ab.
## Kaum mehr zu behebende Fehler
Zwar hatte Peking bereits unter Mao damit begonnen, viele dieser
traditionellen Hutong-Viertel durch eintönige Plattenbauten zu ersetzen. Er
ließ zudem die alte Stadtmauer einreißen und eine achtspurige Ringstraße
errichten. Die großen städtebaulichen Sünden kamen aber mit dem
wirtschaftlichen Aufschwung und dem massiven Zuzug ab Mitte der achtziger
Jahre.
Und die Pekinger Stadtverwaltung beging Fehler, die kaum mehr zu beheben
sind. Das ebenfalls zeitgleich boomende Schanghai versah die neu
entstehenden Stadtzentren frühzeitig mit einem dichten U-Bahn-Netz. Peking
hingegen setzte auf breite Schnellstraßen für dicke Autos. Während
Schanghai vor allem in die Höhe wuchs, ging Peking in die Breite.
Das Pekinger Stadtgebiet misst heute über 15.000 Quadratkilometer. Wegen
der langen Anfahrtswege sind die Straßen ständig verstopft. Zweistündige
Staus im Morgenverkehr sind die Regel. Alle paar Monate eröffnet zwar eine
neue U-Bahn-Linie. Im Nachhinein die urbanenen Knotenpunkte mit einem
Schienensystem zu verbinden ist jedoch kompliziert und teuer. Weil die
Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel umständlich bleibt, setzen die Pekinger
weiter auf das eigene Auto.
Hinzu kommt der Smog. Autos tragen offiziellen Angaben zu rund einem
Viertel der Luftverschmutzung bei, der Löwenanteil der hohen
Feinstaubbelastung geht auf die Schwerindustrie zurück. Doch die
Mengemacht’s: Seit 2008 hat sich in Peking die Zahl der Autos auf fast
sechs Millionen mehr als verdreifacht. Die regierungsnahe Akademie der
Sozialwissenschaft stellte Anfang 2015 in einer Studie fest, dass der
dichte Verkehr und die extreme Schadstoffbelastung Peking „praktisch
unbewohnbar“ mache.
## Der große Zwangsumzug
Pekings Stadtobere haben die Probleme erkannt. Doch die Stadt zurückzubauen
und so das hohe Verkehrsaufkommen zu senken lässt sich nach Ansicht von
Experten nicht bewerkstelligen. Dazu sei die Stadt zu groß. Daher setzt die
Stadtverwaltung nun auf Dezentralisierung.
So ist sie derzeit dabei, sämtliche ihrer Verwaltungseinheiten nach
Tongzhou zu verlegen, einen ländlichen Vorort im Südosten der Hauptstadt.
Um mehr als zwei Millionen Einwohner soll die Pekinger Innenstadt durch
diesen Umzug entlastet werden. Auch Universitäten und Staatsunternehmen
sind angehalten, ihre Sitze ins Umland zu verlegen.
Eine Wahl haben die Betroffenen nicht. Wollen sie ihre Jobs behalten,
müssen sie mitziehen. Immerhin soll ihnen der Zwangsumzug ein Stück weit
schmackhaft gemacht werden: mit Palmen und Lagunen.
18 Oct 2016
## AUTOREN
Felix Lee
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