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# taz.de -- Schulen in Berlin: Zum Essen nach nebenan
> An einer Frohnauer Grundschule müssen Kinder ohne Hortvertrag getrennt
> von ihren Klassenkameraden Mittag essen. Schikane, sagt ein Vater.
Bild: Getrenntes Essen? Echt jetzt?
Tilman Heller hätte es sich leicht machen können. Er hätte für seinen Sohn,
Zweitklässler an der Frohnauer Renée-Sintenis-Grundschule, einen Vertrag
über eine Nachmittagsbetreuung im Schulhort abschließen können – und schon
hätte sein Sohn nicht mehr mit zwei Klassenkameraden separiert in einem
Nebenraum essen müssen, sondern hätte sich zu seinen anderen
Klassenkameraden in die Mensa setzen dürfen. Nur: die Familie benötigt den
Hortvertrag gar nicht. „Pure Schikane auf Kosten der Kinder“, wirft Vater
Heller nun der Schulleitung vor. „Die Eltern sollen so zum Abschluss eines
Hortvertrags gedrängt werden.“
Ein Leervertrag also – der aus Sicht der Schulleitung aber tatsächlich
vorteilhaft wäre. Denn das System Schulhort und Mittagessen funktioniert in
Berlin so: alle Grundschulen sind sogenannte Verlässliche
Halbtagsgrundschulen. Das heißt, das Kind wird in jedem Fall bis 13.30 Uhr
im Hortbereich der Schule betreut – auch, wenn der Unterricht früher endet.
Das Mensaessen ist für Kinder ohne Hortvertrag möglich, sofern die Eltern
bereit sind, den vollen, nicht vom Land bezuschussten, Preis von 65 Euro
Essensgeld im Monat zahlen – und wenn die Kapazität der Mensa ausreicht.
„Die Schulleitung hat uns gesagt, Platzmangel sei auch der Grund für die
Ausgrenzung der Nicht-Hortkinder“, sagt Tilman Heller. In einem Gespräch
mit der Hortleitung, dass der Vater als Wortprotokoll auch an die
Senatsverwaltung für Finanzen schickt und das der taz vorliegt, stellt sich
die Sache indes anders da. Dort erklärt die Hortleitung: Viele Eltern
hätten lediglich deshalb einen Vertrag abgeschlossen, „damit die Kinder
Mittagessen können“ – und bieten Hilfe bei der Antragstellung für einen
Scheinvertrag mit dem Jugendamt an.
Bleibt also die Frage: Warum sollte das vermeintliche Kapazitätsproblem
plötzlich keines mehr sein, sobald die Eltern einen Betreuungsvertrag
abschließen? Hier vermutet Heller den eigentlichen Grund für die
„Schikane“: Denn der Hortträger kann jeden mit dem Jugendamt
abgeschlossenen Betreuungsvertrag bei der Anmeldung des Personalbedarfs
geltend machen.
## Leere Verträge
Ein „leerer“ Vertrag ist für die Schule also sogar noch vorteilhafter: Er
wird bei der Personalplanung, die bei der Senatsverwaltung für Bildung
angesiedelt ist, berücksichtigt – obwohl es dann tatsächlich gar kein Kind
zu betreuen gibt. Den ohnehin von Elternverbänden und Gewerkschaften
kritisierten Betreuungsschlüssel in den Horten – derzeit liegt er bei
durchschnittlich einer Erzieherin für 22 Kinder – entlastet das. Die Eltern
und auch das Land, das die Hortverträge subventioniert, zahlen drauf.
Im Fall der Sintenis-Grundschule ist der Bezirk Träger des Horts – das
heißt, die Schule macht die Personalplanung selbst. Die Schulleitung weilt
am Dienstag auf Klassenfahrt beziehungsweise krank zu Hause. Die in der Not
eingesprungene Vertretung Annett Greulich mag das getrennte Mittagessen am
Dienstag weder bestätigen noch dementieren und verweist auf die
Senatsbildungsverwaltung.
Dort weiß man über den Frohnauer Fall allerdings Bescheid: „Wohl ein
Einzelfall“, sagt eine Sprecherin. Ein Mitarbeiter der zuständigen
Fachaufsicht sei am Freitag vergangener Woche bereits in der
Sintenis-Schule gewesen und habe „den Sachverhalt mit allen Beteiligten
besprochen. Zu einer Lösung ist man offenbar allerdings nicht gekommen:
Auch am Montag, sagt Heller, habe es wieder eine Separierung der drei
Nicht-Hortkinder in der Klasse seines Sohnes reden.
Ob krasser Einzelfall oder nicht: der Frohnauer Fall dürfte Wasser auf die
Mühlen derjenigen sein, die das Gutscheinsystem für die Horte ohnehin als
manipulationsanfällig und für eine sinnvolle Personalplanung völlig
ungeeignet kritisieren. Ein Bündnis „Qualität im Ganztag“ aus
Gewerkschaften und Elterngremien, das sich im Frühjahr gegründet hatte,
fordert denn auch die Abschaffung des Gutscheinsystems – alle Schüler
würden dann automatisch auch für die Personalplanung des Horts
berücksichtigt. Nach Berechnungen des Bündnisses würde der freie Zugang
etwa 20,3 Millionen Euro kosten.
Schulleitung Greulich sagte am Dienstag, man wolle sich nun nochmal mit dem
Vater zusammensetzen. Aus der Senatsbildungsverwaltung hieß es, man sei
weiter an dem Fall dran.
14 Sep 2016
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
Mensa
Grundschule
Hort
Mensa
Schwerpunkt Rot-Rot-Grün in Berlin
Schule
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