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# taz.de -- Nachruf auf Fernsehpfarrer: Der keine Bomben werfen musste
> Mit Jörg Zink ist ein populärer Theologe der Nachkriegszeit gestorben.
> Jahrelang sprach er das Wort zum Sonntag.
Bild: Ein Urgestein der alten Bundesrepublik: Jörg Zink
Berlin taz | Bischöfe sind nur selten Stars auf Evangelischen Kirchentagen.
Den vielhunderttausendfach besuchten Laientreffen des deutschen
Protestantismus war ohnehin nie eigen, Leitfiguren emporzuheben. Die
jeweils heranwachsende christliche Jugend, die auf Kirchentagen erfahren
konnte, dass unterhalb ihrer Amtskirche ein ziemliches Menschenbasisgewusel
obwaltet, liebte dafür die Außenseiter, und seien es solche, die sich dafür
hielten: Jörg Zink, geboren 1922 in einem christlichen Elternhaus in
Schlüchtern, aufgewachsen jedoch in frömmelnd-schwäbischer Atmosphäre, war
einer der populärsten evangelischen Figuren der Nachkriegszeit. Mehr als
200 Bücher publizierte er während seines theologischen Lebens.
Seine Popularität wuchs ihm zu, weil er beinah unzählige Male in der ARD
das „Wort zum Sonntag“ sprach – mehr jedoch, weil er zur Schar jener
Theologen zählte, die innerhalb des deutschen Protestantismus mit der
Tradition der „deutschen Kirche“, mit Führerkult und Vaterlandsaufopferung
brach.
Zink selbst, Soldat der Wehrmacht, eingesetzt zuletzt in Algier, dort in
einem Flugzeug abgeschossen und schließlich in Kriegsgefangenschaft der
USA, erzählte viele Jahre später über seine gymnasialen Schuljahre in der
NS-Zeit, es sei ihm und Schulkameraden sehr zu Herzen gegangen, dass ihre
jüdischen Freunde fliehen mussten – inwiefern er selbst mithilfe seines
christlichen Glaubens der scheinbar gottgegebenen Botschaft des
Nationalsozialismus anhing, fragte er sich selbst während all der Jahre
nach der Freilassung aus der Gefangenschaft.
Er bekannte viel später, kurz nach seinem neunzigsten Geburtstag: „Ich
wollte kein Infanterist werden und meldete mich also freiwillig zur
Fliegerei. Dort habe ich fünf Jahre Dienst getan und musste zum Glück keine
Bomben werfen.“ Zink war ein Mann, der sein In-die-Welt-geworfen-Sein auch
als Verkettung für ihn nicht und gar tragischer Umstände beschrieb.
## Ein Versöhnungsbeauftragter
Und eben dies machte Zink für seine in die Millionen gehende Anhängerschaft
nicht nur im Protestantismus der Bundesrepublik so attraktiv: Er war ein
Grüblerischer, keiner, der Wahrheiten predigen wollte. Dieser Schwabe
verstand sich als Versöhnungsbeauftragter.
Jede der politischen und kulturellen Fragen, die den Diskurs der
Bundesrepublik bestimmten, machte er zu seiner Sache. Versöhnung mit
Jüdischem, mit Israel, die Wichtigkeit militärischen Friedens an sich, das
Gespräch mit dem Anderen schlechthin – all dies waren ebenso seine Themen
wie er sich auch die Ostpolitik der sozialliberalen Regierung zu eigen
machte.
Zink war kein Intellektueller, er war ein Stichwortgeber zur Zeit, ein
Philologe des Herzensguten, aber zugleich auch kein
Allen-wohl-und-niemand-weh-Waschlappen mit lutherisch weichgeknetetem
Timbre: Ihm machte zuletzt das Religiöse schlechthin Sorge, die
Vereinbarkeit verschiedener konfessioneller Bekenntnisse.
## Der Islam gehört zu Deutschland
Der Islam, so lautete seine These, sei nicht weniger gut oder schlecht als
das Christliche oder das Jüdische, gar ebenso gut wie ein Naturglaube: Über
die Welt, die Jenseitige, staunten doch alle gleich, fand er – und dieses
Überraschtsein über das Wunder des friedlichen Miteinanderlebens hätten
doch alle gemeinsam. Der Islam gehörte für ihn zu Deutschland wie jede
andere Glaubensauffassung auch. Nur wie das Miteinander zu leben sei, das
müsste Tag für Tag geprüft und errungen werden.
Zink, ein irgendwie immer väterlicher Sprecher des
antinationalsozialistischen Protestantismus, ist am 9. September in
Stuttgart gestorben. Man wird ihn in Erinnerung behalten.
12 Sep 2016
## AUTOREN
Jan Feddersen
## TAGS
Pfarrer
Nachruf
Wehrmacht
Theologie
Historiker
Hamburg
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