| # taz.de -- Porträt Fabio Reinhardt (Piraten): Der gute Lobbyist | |
| > Er war flüchtlingspolitischer Sprecher der Piraten – nach der Wahl will | |
| > Fabio Reinhardt Chefs davon überzeugen, Flüchtlinge einzustellen. Das | |
| > Porträt eines Überzeugten. | |
| Bild: Fabio Reinhardt im Mai im Berliner Abgeordnetenhaus | |
| Es begann mit einer kleinen Demo am Oranienplatz 2013. Etwa 25 Flüchtlinge | |
| aus der besetzten Gerhard-Hauptmann-Schule protestierten dort an einem | |
| Montagmorgen im April gegen „Pauschalkriminalisierung“ und gegen einen | |
| Einsatz, bei dem Polizisten die Schule auf der Suche nach Straftätern | |
| gestürmt hatten und dabei brachial vorgegangen waren. | |
| Eigentlich sollte die Demo an der Stresemannstraße – wo die Bannmeile um | |
| das Berliner Abgeordnetenhaus anfängt – enden. Doch Fabio Reinhardt | |
| erklärte die Teilnehmer kurzerhand zu seinen Gästen und lud sie zur | |
| Diskussion in das Parlament ein. Bis in die Sitzung des Innenausschusses, | |
| um dort Innensenator Frank Henkel (CDU) zur Rede zu stellen, gelangten die | |
| Flüchtlinge zwar nicht. | |
| Doch immerhin stand die Aktion am nächsten Tag in allen Zeitungen. | |
| „Flüchtlinge von öffentlicher Sitzung ausgesperrt“, titelten Zeitungen – | |
| dank Reinhardts spontaner Einladung. Zu seinem Thema ist der | |
| flüchtlingspolitische Sprecher der Berliner Piratenfraktion schon im | |
| Studium gekommen. An der TU Braunschweig war er als Mitglied im | |
| Studierendenparlament im Finanzausschuss, der kleinere Darlehen an | |
| Studenten vergeben konnte. „Es waren sehr viele Studierende dabei mit | |
| unsicherem Aufenthaltsstatus, viele aus Afrika, die sich das Studium ohne | |
| die Unterstützung nicht leisten konnten. Da habe ich angefangen, mich mit | |
| Aufenthaltsrecht, Status und Migration zu beschäftigen.“ | |
| Dass er damit bei den Piraten landete, hat sich eher nebenbei ergeben. Zu | |
| der Partei ist er über sein Interesse an Informationsfreiheit und | |
| Datenschutz gekommen. Das Thema Flucht und Migration hat er dann in die | |
| Piratenpartei hereingetragen. „Damals hat sich ja kaum jemand mit | |
| Asylpolitik beschäftigt, und wenn, dann war das sehr links besetzt“, sagt | |
| er. | |
| ## „Zugang, Partizipation, gleiche Rechte“ | |
| Reinhardt wollte das Thema aus der ganz linken Ecke herausholen. Die | |
| Piraten boten ihm seiner Ansicht nach dafür eine gute Basis. „Letztendlich | |
| ging es um Zugang, Partizipation und darum, dass alle Menschen gleiche | |
| Rechte haben. Und im Asylbereich klaffen der menschenrechtliche Anspruch | |
| und das gelebte Recht in der Praxis ja am krassesten auseinander“, sagt | |
| Reinhardt. Aus der Partei hat er dafür viel Zuspruch bekommen. | |
| Flucht und Migration – das sind für Reinhardt derzeit zentrale | |
| gesellschaftliche Konfliktlinien. „Gerade bei den Geflüchteten am | |
| Oranienplatz konnte man das gut sehen: Wenn Menschen mehr Rechte und mehr | |
| Beteiligung wollen, müssen sie sich das selbst erkämpfen. Das war bei der | |
| Arbeiterbewegung so, bei der Frauenbewegung – und ist jetzt bei den | |
| Refugee-Protests auch so.“ | |
| Die O-Platz-Proteste seien wichtig gewesen, um die Probleme sichtbar zu | |
| machen. Reinhardt glaubt, dass es wieder zu Protesten kommen wird: „Bei den | |
| neu angekommenen Geflüchteten fehlt noch der Funke. Das wird aber noch | |
| kommen, da werden sich Gruppen finden und Emanzipationsbewegungen | |
| entstehen.“ Die meisten seien noch sehr mit sich selbst beschäftigt, | |
| warteten darauf, einen sicheren Status zu bekommen, wobei ihnen | |
| Gesetzesverschärfungen zu schaffen machten: „Viele haben derzeit wohl eher | |
| das Gefühl, viel verlieren und wenig gewinnen zu können. Das war bei der | |
| O-Platz-Bewegung anders.“ | |
| Protest ist seiner Ansicht nach aber notwendig. „Ich befürchte, dass wir | |
| wenig positive Entwicklungen im Bereich Flucht und Asylrecht haben, wenn | |
| die Geflüchteten ihr Schicksal nicht wieder selbst in die Hand nehmen und | |
| sich dabei auch als emanzipatorische Bewegung verstehen.“ | |
| ## Als Unternehmer etwas verändern | |
| In seinem Büro in der Kreuzberger Naunynstraße war und ist der Abgeordnete | |
| Reinhardt ansprechbar für alle, die mit einem Anliegen kommen. Etwa für | |
| einen jungen Mann, der bald 18 Jahre alt wird – und dessen Mutter dann | |
| abgeschoben werden soll. Reinhardt macht Notizen, kopiert sich einzelne | |
| Seiten der mitgebrachten Akten, sagt, dass er weitere anfordern wird und | |
| die Mutter bei einem Härtefallantrag unterstützen kann. | |
| In der Landespolitik hat Reinhardt sich viel mit den Bedingungen in den | |
| Flüchtlingsunterkünften beschäftigt, Anfragen gestellt, Standards | |
| hinterfragt und auf Missstände hingewiesen. Die Unterbringung ist im | |
| Gegensatz zum Aufenthaltsrecht oder der Residenzpflicht Landesaufgabe – da | |
| konnten sie mehr erreichen: etwa, dass Standards diskutiert und Betreiber | |
| wieder kontrolliert wurden. | |
| Nach der Wahl möchte Reinhardt weiter im Flüchtlingsbereich arbeiten. Als | |
| Abgeordneter wird er das wohl nicht mehr tun können, da die Piraten | |
| voraussichtlich nicht wieder ins Abgeordnetenhaus gewählt werden – er will | |
| das Thema künftig außerparlamentarisch vorantreiben. | |
| Mit zwei Partnern hat er eine Firma gegründet, die Unternehmen in | |
| Integrationsfragen beraten soll. „Wir wollen Unternehmen überzeugen, dass | |
| sie sehr davon profitieren, wenn sie Geflüchtete einstellen, dass es ihre | |
| Marke stärken kann.“ Dass die Botschaft, Flüchtlinge könnten der Wirtschaft | |
| nützen, eine andere ist, als die Forderung, alle ohne Bedingungen | |
| willkommen zu heißen, ist ihm klar. „Wir sind aber nicht Pro Asyl, sondern | |
| richten uns an Geschäftsführer“, sagt er: „Wenn wir die überzeugen könn… | |
| können wir darüber auch das gesellschaftliche Klima verändern.“ | |
| ## Er will Pirat bleiben | |
| Hakan Taş, flüchtlingspolitischer Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, | |
| schätzt die Zusammenarbeit mit Reinhardt. „Er war eine große Bereicherung, | |
| wir haben gemeinsam vieles initiiert. Ich hoffe, dass die Lücke, die er | |
| lässt, anders geschlossen werden kann“, sagt Taş. | |
| Seine Grünen-Kollegin Canan Bayram äußert sich vorsichtiger: „Wir waren | |
| nicht immer einer Meinung, haben aber gemeinsame Anträge gestellt. Ich habe | |
| in der Zusammenarbeit mit ihm Vorsicht walten lassen und hatte das Gefühl, | |
| mich nicht so sehr auf ihn verlassen zu können wie auf Hakan Taş“, sagt | |
| sie. Und dass sie erstaunt sei, dass er nun in die Unternehmensberatung | |
| ginge. | |
| Erst mal wird es für Reinhardt wohl auf eine Politikpause hinauslaufen. Er | |
| schließt aber nicht aus, irgendwann für eine andere Partei tätig zu sein. | |
| Den Piraten fühlt er sich im Gegensatz zu anderen Fraktionsmitgliedern, die | |
| aus der Partei ausgetreten sind, weiter zugehörig. | |
| „Nach ein paar Jahren die Partei und die Fraktion zu wechseln, obwohl ich | |
| nach wie vor mit den Zielen der Piraten komplett einverstanden bin, nur um | |
| mir das Mandat zu sichern, das will ich nicht. Alle sagen, dass sie das | |
| aufgrund inhaltlicher Differenzen machen. Und die meisten lügen dabei. Ich | |
| finde das schäbig.“ | |
| 12 Sep 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Uta Schleiermacher | |
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