# taz.de -- Angelique Kerber bei den US Open: Das Ende des Gedankenkarussells | |
> Die Tennisspielerin ist die neue Nummer eins der Weltrangliste, weil | |
> Serena Williams patzt. Am Samstag steht sie im Finale der US Open. | |
Bild: Kerber nach ihrem Sieg gegen Caroline Wozniacki | |
New York taz | Die Zeiger der Uhr standen auf 20.47 Ortszeit in New York, | |
als Angelique Kerber begriff, dass sie die neue Nummer eins des | |
Frauentennis sein wird. Es war der Moment, in dem Serena Williams verlor, | |
und auf den Tag genau 20 Jahre nach dem letzten Titel von Steffi Graf bei | |
den US Open landete damit wieder eine deutsche Spielerin auf dem Gipfel der | |
Tenniswelt. Nicht zu fassen, die Geschichte, obwohl sie sich in den Tagen | |
des Turniers angekündigt hatte, und auch die neue Beste hatte das Gefühl, | |
die ganze Dimension werde sie erst später begreifen. | |
Karolina Pliskova spielte bei alldem eine entscheidende Rolle. Es wurde | |
schnell deutlich, dass sie der Favoritin mit ihrem ebenso gradlinigen wie | |
unaufgeregten Spiel schwer im Halbfinale zu schaffen machte; Williams | |
produzierte Fehler über Fehler. Pliskova blieb standhaft und gewann (6:2, | |
7:6). Angelique Kerber sah den Tiebreak mit ihrem Trainer Torben Beltz und | |
ihrer Physiotherapeutin Cathrin Junker vor einem der Fernsehapparate im | |
Fitnessraum, und sie war in diesen Momenten immer noch überzeugt davon, | |
dass Williams die Sache drehen würde. Wie so oft. | |
Ungläubig sah sie zu, wie das Spiel zu Ende ging; mit einem Doppelfehler | |
verlor Serena Williams den Platz an der Spitze der Weltrangliste. Die drei | |
im Gym sahen zu, und keiner sagte einen Ton. Da sei sekundenlang Stille | |
gewesen, berichtete Kerber später, dann habe sie gedacht: „Okay, jetzt ist | |
es passiert.“ Und Beltz ging sofort zur Tagesordnung über und meinte: | |
„Egal, was jetzt passiert ist, du musst dich aufs Match konzentrieren. Du | |
bist jetzt Nummer eins, aber wir wollen dieses Match gewinnen.“ | |
In diesem Moment ging es um alles. Ihr Gesicht ähnelte einer Maske, als sie | |
sich eine halbe Stunde später auf dem Weg zum Spiel gegen Caroline | |
Wozniacki machte. Es war zu sehen und zu spüren: Dieses Spiel hatte für sie | |
eine immense Bedeutung. „Ich wollte nicht mit einer Niederlage Nummer eins | |
werden“, sagte sie später. „Das hat mir noch mehr Motivation gegeben, alles | |
rauszuholen.“ | |
Sie brauchte eine Stunde und 27 Minuten zum Sieg in zwei Sätzen (6:4, 6:3) | |
gegen die frühere Nummer eins aus Dänemark. 87 überzeugende Minuten, in | |
denen sie das Spiel und sich selbst so sehr im Griff hatte, dass man sich | |
in diesen Momenten kaum noch erinnern konnte, sie jemals zweifelnd, mit | |
sich selbst hadernd auf einem Platz gesehen zu haben. Oft genug hatte sie | |
sich früher selbst im Weg gestanden mit einer gewissen Negativität, mit der | |
Angst vorm Versagen, aber diese Phase hat sie hinter sich. „Jetzt versuche | |
ich, stark zu sein und meinem Gegner nicht zu zeigen, wie es in mir | |
aussieht. Ich versuche, positiv zu bleiben und, wenn ich eine Chance habe, | |
was zu riskieren und nicht auf Fehler der anderen zu warten.“ | |
## So lange wie Steffi Graf | |
Während sie genau so spielte, wollte sich Serena Williams zur verlorenen | |
Nummer eins nicht äußern. Nach 186 Wochen an der Spitze der Weltrangliste | |
muss sie nun damit klarkommen, von Kerber verdrängt zu werden. Mit diesen | |
186 erreichte sie den Bestwert von Steffi Graf aus der Zeit von August 1987 | |
bis März 1991, aber es ist ausgeschlossen, dass sie diese Marke nun | |
übertreffen wird. Und Kerber sicherte eine weitere Bestmarke der ersten | |
deutschen Nummer eins, denn vorerst bleibt es bei 22 Grand-Slam-Titeln für | |
Williams, und ebenso viele hatte Graf. | |
Offiziell wird Kerber erst am Montag an der Spitze stehen, aber sie darf | |
sich jetzt schon als Serena Williams’ legitime Nachfolgerin fühlen, obwohl | |
es ja noch eine große Aufgabe gibt, das Finale am Samstag (22 Uhr MEZ) | |
gegen Pliskova. Es wird ihr drittes Grand-Slam-Finale in diesem Jahr nach | |
dem Sieg in Melbourne und der Niederlage in Wimbledon gegen Williams sein, | |
und das allein ist kaum zu glauben. | |
Ob sie in diesem Finale den zweiten großen Titel in diesem Jahr gewinnen | |
kann, das wird auch von Karolina Pliskova abhängen, die sich nach dem | |
überaus überzeugenden Sieg gegen Williams nicht mehr aufhalten lassen | |
möchte. Bei der letzten Begegnung im Finale des Turniers von Cincinnati | |
Mitte August hatte Angelique Kerber keine Chance, was allerdings auch damit | |
zu tun hatte, dass ihr die olympische Müdigkeit in den Knochen steckte. | |
Jetzt geht es ihr deutlich besser. Beginnt jetzt wieder das | |
Gedankenkarussell? „Nee. Ich spür den Druck jetzt gar nicht mehr so.“ Sie | |
wird rausgehen und alles zeigen, was sie kann. | |
9 Sep 2016 | |
## AUTOREN | |
Doris Henkel | |
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