# taz.de -- Argentinisches Gericht gibt lebenslang: Mammutverfahren zu Ende | |
> Sieben Jahre lang wurden Zeugen vernommen, vier Jahre dauerte das | |
> Verfahren. 28 Menschen wurden nun wegen Verbrechen verurteilt. | |
Bild: Der frühere argentinische Diktator Jorge Rafael Videla (2.v.l.), der 201… | |
Buenos Aires taz | Argentiniens Justiz schreibt weiter Geschichte. Wurden | |
bisher ehemalige Militärs und Polizisten wegen Menschenrechtsverbrechen | |
während der Diktatur von 1976 bis 1983 verurteilt, so sind nun erstmals | |
auch Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit davor als solche bestraft | |
worden. Ein ehemaliger General und 27 weitere Militärs erhielten | |
lebenslange Haftstrafen. „Zum ersten Mal hat ein Gericht die Existenz des | |
Staatsterrorismus vor der Diktatur anerkannt“, unterstrich Staatsanwalt | |
Facundo Trotta. | |
Im Prozess ging es um die Verbrechen in den geheimen Folter- und | |
Gefangenenlagern La Perla, Campo la Ribera und im D2 in den Jahren 1975 bis | |
1979. Das berüchtigtste Lager war La Perla, rund 15 Kilometer von der | |
zentralargentinischen Stadt Córdoba entfernt. Dort verschwanden nach | |
Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen rund 2.300 Menschen. | |
Etwa 10.000 Menschen hatten sich vor der Urteilsverkündung im Prozess | |
„Megacausa La Perla“ Ende vergangener Woche vor dem Gerichtsgebäude in | |
Córdoba versammelt. Und sie jubelten, als sie erfuhren, dass 28 der 43 | |
angeklagten ehemaligen Militärs und Polizisten eine lebenslange Haftstrafe | |
erhielten. Zehn weitere wurden zu Gefängnisstrafen zwischen 2 und 14 Jahren | |
verurteilt, fünf Angeklagte wurden freigesprochen. Prominentester | |
Angeklagter war der ehemalige General Luciano Benjamín Menéndez. | |
„Jetzt besteht die Möglichkeit, über die Menschenrechtsverbrechen | |
juristisch zu urteilen, die vor dem Putsch begangen wurden, und zugleich | |
kann die Verantwortung der damaligen Regierung von Präsidentin Isabel Perón | |
geklärt werden“, so Staatsanwalt Trotta. Die Urteilsbegründung wird am 14. | |
Oktober verkündet. Das Gericht hatte einen Antrag der Verteidiger auf die | |
Verjährung von Straftaten vor der Machtübernahme der Militärs abgelehnt. | |
## Prozessbeginn im Dezember 2012 | |
Als Vizepräsidentin hatte Juan Domingo Peróns zweite Frau, María Estela | |
Martínez de Perón, kurz Isabel, nach dessen Tod 1974 das Präsidentenamt | |
übernommen. Sie ging mit den konservativen und militärischen Kräften einen | |
Pakt ein und beauftragte paramilitärische Gruppen wie die | |
Antikommunistische Allianz Argentiniens (AAA, bekannt als Triple A) mit der | |
Vernichtung politischer Widerstandsgruppen. Nach Angaben von | |
Menschenrechtsorganisationen wurden während ihrer Regierungszeit mehr als | |
3.500 Menschen ermordet oder verschwanden spurlos. | |
Dennoch hielten Militärs sie für zu schwach, die Ordnung in ihrem Sinn | |
aufrechtzuerhalten. Am 24. März 1976 wurde sie von ihnen aus dem Amt | |
geputscht. | |
Zu Prozessbeginn im Dezember 2012 saßen 58 Beschuldigte auf der | |
Anklagebank. Elf von ihnen starben vor dem Richterspruch, vier wurden aus | |
Gesundheitsgründen ausgenommen. Die verbleibenden 43 mussten sich wegen | |
einer langen Liste von Straftaten, begangen an 716 Personen, verantworten – | |
darunter Mord, Raub von Neugeborenen und Folter. | |
Die Mehrzahl der Opfer war in politischen Organisationen, Gewerkschaften, | |
Studentengruppen oder Nachbarschaftsvereinen aktiv. 365 Menschen sind | |
verschwunden und vermutlich ermordet worden. Bisher wurden nur 46 Leichen | |
gefunden und nur 8 von ihnen identifiziert. | |
26 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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