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# taz.de -- Argentinischer Ex-Juntachef verurteilt: Lebenslang für 31 Morde
> Jorge Rafael Videla muss für immer hinter Gitter. Reue zeigte er keine.
> Mit dem Urteil gegen ihn hat die Aufarbeitung der Verbrechen der Diktatur
> einen neuen Höhepunkt erreicht.
Bild: Der Ausgang führt nur zur Haftzelle: Jorge Rafael Videla (m.) im Gericht…
BUENOS AIRES taz | Lebenslange Haft für Jorge Rafael Videla. So lautet das
Urteil gegen den heute 85-jährigen früheren Chef der Militärjunta, die im
März 1976 in Argentinien die Macht übernommen hatte und auf brutale und
mörderische Weise regierte.
Am Mittwochabend hatte ein Bundesgericht in der Stadt Córdoba den früheren
General des 31-fachen Mordes an Häftlingen in einem Gefängnis in Córdoba
für schuldig befunden. Nach der damals offiziellen Version waren die 31
Gefangenen "auf der Flucht erschossen" worden.
Neben Videla standen weitere 28 Mitangeklagte vor Gericht, darunter auch
der ehemalige General Luciano Menéndez (83). Fünfzehn Mal verhängte das
Gericht eine lebenslange Haft, sieben Angeklagte erhielten Haftstrafen
zwischen sechs und 14 Jahren, sieben wurden freigesprochen. Für Exgeneral
Menéndez ist es damit die fünfte lebenslange Haftstrafe. Das Gericht
ordnete zudem an, dass die Männer ihre Strafe in einem normalen Gefängnis
verbüßen müssen, sofern ihr Gesundheitszustand es zulasse.
Der damalige General Videla hatte am 24. März 1976 als Chef einer
Militärjunta die Macht übernommen und ein diktatorisches Regime errichtet.
1981 wurde er abgelöst. 1985, zwei Jahre nach dem Ende der
Militärherrschaft wurde er schon einmal zu lebenslanger Haft verurteilt.
Nach fünf Jahren Haft begnadigte ihn jedoch der damalige Präsident Carlos
Menem. 2007 hatte der Oberste Gerichtshof den Gnadenerlass wieder
aufgehoben. Seit Oktober 2008 sitzt Videla in einem Militärgefängnis ein.
Eine Auslieferung nach Deutschland wegen der Ermordung deutscher
Staatsangehöriger hatte Argentinien wiederholt abgelehnt.
In seinem Schlusswort vor der Urteilverkündung übernahm Videla "voll und
ganz meine Verantwortung. Meine Untergebenen haben nur Befehle ausgeführt.“
Der für sein hohes Alter agile Videla rechtfertigte die Machtübernahme: Der
Putsch war eine Reaktion auf den „internen Kriegszustand“. Die Übernahme
des Landes durch marxistische Terroristen sollte, so Videla, verhindert
werden.
Worte der Reue waren von Videla nicht zu hören. „Man kam an
Grenzsituationen. Die Gräuel des Krieges sind schwer zu rechtfertigen.“ Sie
müssten im Rahmen des internen kriegerischen Konflikts verstanden zu
werden, sagte Videla. Er werde die ungerechte Strafe unter Protest annehmen
- als einen weiteren Dienst für die Eintracht des Landes. „Die Terroristen
von gestern regieren heute unser Land. Sie versuchen als Ritter der
Menschenrechte aufzutreten. Sie brauchen keine Gewalt, denn sie sind an der
Macht,“ so Videla.
Der argentinische Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel sagte,
„diese Herren betrachteten sich als Eigentümer des Lebens und des Todes
eines ganzen Volkes.“ Ihr Fundament war die Straflosigkeit. Die
Verurteilung Videlas ist ein Präzedenzfall, nicht nur in Argentinien,
sondern weltweit, so der Friedensnobelpreisträger von 1980.
Nach Angaben der argentinischen Generalstaatsanwaltschaft hat die
juristische Aufarbeitung im Jahr 2010 einen neuen Höhepunkt erreicht.
Niemals zuvor wurden so viele Urteile bei Prozessen wegen
Menschenrechtsverbrechen gesprochen wie im noch laufenden Jahr. In 17
Verfahren wurden 108 Angeklagte zu teils hohen Haftstrafen verurteilt.
Damit hat sich die Zahl der Verurteilten gegenüber dem Vorjahr
versechsfacht. Gegenwärtig warten weitere 800 Angeklagte auf ihren Prozess.
Von ihnen sitzen jedoch nur knapp 60 Prozent in Untersuchungshaft oder
stehen unter Hausarrest.
Menschenrechtsorganisationen hatte wiederholt die Langsamkeit der Gerichte
kritisiert, zumal viele Beschuldigte bereits in einem hohen Alter sind. Die
juristische Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen während der letzten
Militärdiktatur von 1976 bis 1983 wurde möglich, nachdem der Oberste
Gerichtshof die Annullierung von Amnestiegesetzen im Juni 2005 bestätigt
hatte. Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wurden während der
Diktatur 30.000 Menschen ermordet oder sind bis heute verschwunden.
23 Dec 2010
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
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