# taz.de -- Polizeischüsse auf psychisch Kranke: „Abstandhalten ist das Wich… | |
> In Hellersdorf wird auf einen Randalierer geschossen. Zu viele Opfer von | |
> Polizeischüssen haben psychische Probleme, sagt der Sozialpsychiater | |
> Asmus Finzen. | |
Bild: Polizisten untersuchen den Tatort in Berlin-Hellersdorf | |
taz: Herr Finzen, wie groß ist das Problem des polizeilichen | |
Schusswaffengebrauchs gegen psychisch Kranke? | |
Asmus Finzen: In Deutschland werden durchschnittlich etwa acht Menschen | |
jährlich von Polizisten erschossen. Zwar gibt es keine offiziellen | |
Statistiken, doch wenn man die Einzelfälle aufdröselt, weiß man: Über 70 | |
Prozent von ihnen sind psychisch krank. Dieser Anteil ist viel zu hoch. Und | |
das ist international so: Von etwa 1.300 Personen, die in den USA jährlich | |
von Polizisten erschossen werden, fallen 400 in diese Kategorie. | |
Sind Polizisten im Umgang mit psychisch Kranken überfordert? | |
Entscheidend ist, dass mit diesen Menschen ganz anders umgegangen werden | |
muss als mit „normalen“ Randalierern. Dass es hier ein Problem gibt, hat | |
auch die Polizei wahrgenommen. Seit den tödlichen Schüssen im [1][Wedding | |
2012] und am [2][Neptunbrunnen 2013] wird sich in der Polizeischule | |
intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt. Es wurde damit begonnen, | |
spezielle Trainings für Polizisten anzubieten. | |
Ist die Polizei also gut vorbereitet? | |
Vor 40 Jahren wurde jedenfalls noch sofort losgeballert. Mein Eindruck ist, | |
dass das besser geworden ist. Der letzte tödliche Vorfall in Berlin ist | |
drei Jahre her. Seitdem wurden mehrere gefährliche Situationen mit | |
psychisch Kranken gelöst, ohne dass es Schwerverletzte oder gar Tote | |
gegeben hätte. Aber die Trainings reichen nicht aus. Viele Beamte haben ja | |
noch nicht mal ihr jährlich vorgeschriebenes Schießtraining. Und ein | |
Problem bleibt: Die Beamten vor Ort müssen in wenigen Sekunden erkennen, ob | |
es sich um eine kranke Person handelt. Nur dann kann angemessen gehandelt | |
werden. | |
Wie ist ein optimaler Umgang? | |
Am wichtigsten ist Abstand halten. Psychisch Kranke bewaffnen sich ja, weil | |
sie wahnhaft davon überzeugt sind, dass sie bedroht werden. Normalerweise | |
erheben sie ihre Waffen erst, wenn man ihnen zu nahe kommt. Polizisten | |
sollten also geduldig warten und Spezialisten dazuholen. Das SEK ist sehr | |
erfahren im Umgang mit Gefahrensituationen – und anders als sein Ruf löst | |
es Situationen nicht nur kurzerhand. | |
Was passiert nach so einem Vorfall? | |
Die Aufarbeitung der Situationen endet normalerweise mit der Feststellung, | |
die Polizisten hätten aus Notwehr gehandelt. Das kann so sein, genauso kann | |
es aber auch gravierende Fehler gegeben haben. | |
23 Aug 2016 | |
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## AUTOREN | |
Erik Peter | |
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