# taz.de -- Politbühne Olympia: Alles andere ist ein naiver Mythos | |
> Das IOC sagt, Sport habe mit Politik nichts zu tun. Es verbittet sich | |
> jegliche politische Äußerung bei Olympia. Warum das nicht klappen kann. | |
Bild: Nord-Südkoreanisches Friedensselfie: Hong Un-jong (l.) mit Lee Eun-ju | |
BERLIN taz | „Die Funktion des IOC ist es gegen jeden politischen | |
Missbrauch des Sports vorzugehen“, heißt es in der Olympische Charta. | |
Politische Botschaften auf Plakaten oder T-Shirts duldet das IOC nicht. | |
„Die Olympischen Spiele sollten keine Plattform für Politik oder Spaltung | |
sein“, forderte IOC-Chef Thomas Bach 2014 in seiner Neujahresansprache. Der | |
Sport soll Sport bleiben. Geht das überhaupt? | |
Der ukrainische Sportminister Igor Schdanow brachte in Rio den | |
Ukraine-Konflikt aufs Parkett: Eindringlich „warnte“ er seine | |
Sportler_innen vor Interviews mit russischen Medien. Diese würden von | |
russischer Seite zu Propaganda-Zwecken genutzt. Ein propagandistischer | |
Maulkorb gegen Propaganda. | |
Als Israel und der Libanon gemeinsam zur Eröffnungsfeier fahren sollten, | |
blockierte ein libanesischer Offizieller die Bustür. Israel bekam einen | |
eigenen Bus gestellt, die Delegationen fuhren getrennt. Die Judoka Joud | |
Fahmy aus Saudi-Arabien verweigerte die Teilnahme an ihrem Erstrundenkampf, | |
da sie bei einem Sieg auf die Israelin Gili Cohen getroffen wäre. Und der | |
Ägypter Islam El Shehaby trat zwar gegen Or Sasson aus Israel an, verneinte | |
allerdings im Anschluss kopfschüttelnd den obligatorischen Handschlag. | |
Antisemitismus auf der großen Bühne, gefilmt von dutzenden Kameras. | |
## Serbien auf Distanz zum Kosovo | |
„Wenn ein Sportler bei der Siegerehrung auf dem Podest bliebe, würde dies | |
bedeuten, dass er die Unabhängigkeit des sogenannten Staates Kosovo | |
anerkennen würden“, folgerte Serbiens Sportminister Vanja Udovicic und | |
setzte damit Politik und Sport gleich. Die Ablehnung der Unabhängigkeit des | |
Kosovo manifestierte sich auch im Wohnort der Serben im Olympischen Dorf: | |
Maximale räumliche Distanz. Die Goldmedaille für die Kosovarin Majlinda | |
Kelmend Gold im Judo konnten sie trotzdem nicht verhindern. | |
Politische Konflikte auf der sportlichen Bühne auszufechten, hat eine lange | |
Tradition. Im Kalten Krieg wurde Olympia zum Symbol der Blockkonfrontation. | |
Kapitalismus gegen Kommunismus. Eine Fortführung dieses Prinzips findet | |
sich bis heute: Aserbaidschan/Armenien, USA/Russland, Israel/Palästina, | |
Ukraine/Russland… Es geht um Essentielles: Welche Konfliktpartei ist | |
besser? Im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit bleibt ein unpolitischer | |
Sport deshalb utopisch; alles andere ist ein naiver Mythos. Ansonsten | |
könnten wir den Medaillenspiegel auch einfach abschaffen. | |
## Olympische Friedensbotschaft | |
Es gibt aber auch echte olympishe Friedensbotschaften: Lee Eun-ju | |
(Südkorea) und Hong Un-jong (Nordkorea) verewigten sich glücklich lächelnd | |
auf einem gemeinsamen Selfie. Ob bewusst oder unbewusst opponierten sie | |
damit der Politik ihrer verfeindeten Heimatländer. Während sie im normalen | |
Leben nie hätten aufeinander treffen können, bot ihnen Olympia eine | |
einmalige Chance. | |
Die beiden Koreanerinnen wurden so zur Personifikation der olympischen | |
Idee: Friedliche Spiele für ein besseres Miteinander, Politik und | |
Aversionen überkommend. Sie demonstrierten nicht für ihre Systeme, sondern | |
für einen Wandel. Bleibt nur zu hoffen, dass diese Unangepasstheit für die | |
Nordkoreanerin keine negativen Folgen haben wird. | |
21 Aug 2016 | |
## AUTOREN | |
Sören Haberlandt | |
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