# taz.de -- Opposition in der Türkei: Haft für HDP-Chef gefordert | |
> Die Staatsanwaltschaft wirft Selahattin Demirtas Propaganda für eine | |
> Terrorgruppe vor. Derweil kam eine in der Türkei festgenomme Deutsche | |
> wieder frei. | |
Bild: Der HDP-Co-Chef Selahattin Demirtas im Juni 2016 | |
Istanbul rtr | Die türkische Staatsanwaltschaft hat für den Co-Chef der | |
prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, fünf Jahre Haft wegen | |
Propaganda für eine Terrorgruppe beantragt. Demirtas und Vizeparteichef | |
Sirri Süreyya Önder hätten 2013 in Reden die verbotene Kurdische | |
Arbeiterpartei (PKK) und deren inhaftierten Chef Abdullah Öcalan gepriesen, | |
hieß es in der Anklage, wie die Nachrichtenagentur Dogan am Freitag | |
meldete. | |
Auch für Önder sei eine fünfjährige Haftstrafe gefordert worden. Im Mai war | |
auf Betreiben von Präsident Recep Tayyip Erdogan die parlamentarische | |
Immunität von HDP-Abgeordneten aufgehoben worden. | |
Erdogan wirft der HDP vor, der politische Arm der separatistischen PKK zu | |
sein. Die HDP bestreitet direkte Verbindungen zu der Gruppe. Die Türkei, | |
die USA und die EU führen die PKK als Terrororganisation. Zum Zeitpunkt der | |
in der Anklage angeführten Reden bemühten sich die PKK und die Regierung um | |
eine friedliche Lösung des Konflikts. | |
Im Juli 2015 brach der zweieinhalb Jahre währende Waffenstillstand jedoch | |
zusammen. Seither kommt es in den Kurdengebieten im Südosten zu Kämpfen wie | |
seit dem Höhepunkt der Auseinandersetzungen in den 90er Jahren nicht mehr. | |
## 48-jährige Deutsche wieder auf freiem Fuß | |
Derweil bestätigte das Auswärtige Amt Informationen des Spiegel, dass eine | |
nach dem Putschversuch in der Türkei festgenommene Deutsche wieder frei | |
ist. Die 48-jährige Frau mit deutscher Staatsbürgerschaft und türkischen | |
Wurzeln sei am Freitag freigelassen worden. Auch die Tochter der Frau war | |
festgehalten worden, laut Medienberichten kam die 25-Jährige unter Auflagen | |
auf freien Fuß. | |
Nach der Festnahme der 48-Jährigen vor knapp zwei Wochen im Süden der | |
Türkei hatte sich das Auswärtige Amt eingeschaltet. „Die Deutsche Botschaft | |
Ankara war seit der Festnahme der deutschen Staatsangehörigen in Kontakt | |
sowohl mit ihr als auch mit den türkischen Behörden“, erklärte das | |
Auswärtige Amt. | |
Auch Staatssekretär Markus Ederer habe das Thema bei seinem Türkei-Besuch | |
Anfang der Woche angesprochen. „Das Auswärtige Amt begrüßt die Freilassung | |
und setzt sich weiter dafür ein, dass bei der Aufarbeitung des | |
Putschversuchs rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt werden“, heißt es in der | |
Erklärung. | |
Was die Türken der nun freigelassenen Frau genau vorwerfen, die | |
Medienberichten zufolge in Süddeutschland aufwuchs und vor einigen Jahren | |
in die Türkei umzog, war unklar. Offenbar wird ihr aber die Mitgliedschaft | |
in einem Verein zur Last gelegt, der zum Umfeld der Bewegung des | |
islamischen Predigers Fethullah Gülen gehören soll. Der türkische | |
Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan macht seinen im US-Exil lebenden | |
Erzfeind für den gescheiterten Putsch Mitte Juli verantwortlich. | |
## 32 Diplomaten sind nicht heimgekehrt | |
Ankara hat seit dem Umsturzversuch auch tausende Soldaten und Offiziere | |
festnehmen lassen und knapp die Hälfte der Admiräle und Generäle aus den | |
Streitkräften entlassen. Ihnen wird vorgeworfen, Anhänger Gülens zu sein. | |
Auch in der Polizei, der Justiz, der Regierung und im Bildungssektor wurden | |
zehntausende angebliche Gülen-Anhänger festgenommen, entlassen oder | |
suspendiert. | |
Am Freitag wurde bekannt, dass 32 türkische Diplomaten, die nach dem | |
Putschversuch in ihre Heimat zurückberufen wurden, nicht heimgekehrt seien. | |
Insgesamt seien 208 Karrierediplomaten aus dem Ausland zurück in die Türkei | |
beordert worden, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu. Davon seien 32 nicht | |
zurückgekehrt. Einige von ihnen hätten sich in andere Länder abgesetzt, | |
sagte Cavusoglu bei einer Pressekonferenz mit seinem iranischen Kollegen | |
Mohammed Dschawad Sarif. | |
Von drei in Bangladesch tätigen Diplomaten flüchteten den Angaben zufolge | |
zwei in die USA, der dritte kam in die Türkei zurück. Auf die Frage nach | |
Medienberichten, wonach sich einige Diplomaten auch nach Russland abgesetzt | |
haben sollen, sagte Cavusoglu, er habe keine Informationen darüber. „Wir | |
werden das nachprüfen.“ | |
## Außenminister Cavusoglu: „Positive Signale“ aus den USA | |
Am Donnerstag hatte der Außenminister mitgeteilt, dass sich zwei | |
Militärattachés der türkischen Botschaft in Griechenland nach dem | |
vereitelten Putsch vom 15. Juli nach Italien abgesetzt hätten. „Wir | |
arbeiten daran, die beiden Verräter zurück in die Türkei zu bringen“, füg… | |
der Minister hinzu. | |
Derweil erhielt die türkische Regierung laut Cavusoglu „positive Signale“ | |
aus den USA, was die von Ankara geforderte Auslieferung Gülens angeht. | |
Demnach bereitet die Türkei derzeit weitere Dokumente vor, die das | |
Auslieferungsgesuch begründen und die nach Washington gesendet werden | |
sollen. | |
12 Aug 2016 | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Türkei | |
HDP | |
Selahattin Demirtas | |
Abdullah Öcalan | |
Europäische Union | |
Schwerpunkt Türkei | |
HDP | |
Recep Tayyip Erdoğan | |
Schwerpunkt Türkei | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Isolationshaft von PKK-Chef: Öcalan darf Besucher empfangen | |
Seit Monaten ist PKK-Chef Öcalan von der Außenwelt abgeschnitten, | |
Aktivisten traten deswegen in den Hungerstreik. Vor dem Opferfest lenken | |
die Behörden ein. | |
Nach dem Putschversuch: EU-Vertreter besuchen die Türkei | |
Erstmals seit dem gescheiterten Staatsstreich reisen Spitzenvertreter der | |
Europäischen Union in die Türkei. Dort geht derweil die „Säuberung“ der | |
Armee weiter. | |
Festnahme von Gülen-Anhängern: Auch Aserbaidschan ermittelt | |
In Istanbul gehen die Razzien gegen vermeintliche Gefolgsleute von | |
Fethullah Gülen weiter. Aktuell sind Juristen und Manager im Visier der | |
Behörden. | |
Großrazzia in Istanbul: Anti-Terror-Einheiten gegen die HDP | |
Polizisten verschaffen sich gewaltsam Zutritt zu einem Büro der | |
pro-kurdischen Oppositionspartei. Bei weiteren Razzien werden 17 Menschen | |
festgenommen. | |
Kommentar Großdemo in der Türkei: Ein Scheinriese namens Erdoğan | |
Bei der Massendemo in Istanbul hat sich Erdoğan als allmächtiger Präsident | |
inszeniert. Doch der Schein trügt. Das Land ist in Aufruhr. | |
Pro-AKP-Großdemo in Istanbul: Seine Anhänger sind wie im Rausch | |
Es war die größte Demo, die Erdoğans Regime bislang in Szene setzte. Auch | |
Oppositionelle kamen – nur die HDP war nicht eingeladen. |