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# taz.de -- Mühsame Transportwege in Brasilien: Drängeln in Rio
> Vor den Olympischen Spielen investierte die Stadt Milliarden in den
> Verkehr. Kritiker halten den Nahverkehr für zu teuer.
Bild: Proteste in Rio de Janeiro gegen eine neue Straßenbahn, die mehrere Busl…
Rio de Janeiro taz | 90 Minuten braucht Carolina Menezes von ihrer
Wohnung bis ins Stadtzentrum, wo sie als Arzthelferin in einem der
Hochhaustürme arbeitet. „Es sind zwei Busse, der letzte ist meist
gerammelt voll, kein schöner Tagesbeginn“, sagt die 48-Jährige.
Ihre Schwester Valéria muss noch weiter fahren, bis in die schicke
Südzone von Rio de Janeiro, wo sie nahe der Strandpromenade von
Ipanema als Hausangestellte arbeitet.
Obwohl sie bis dorthin eine der zwei U-Bahn-Linien benutzen kann, ist
sie wegen des Zubringerbusses oft ganze zwei Stunden unterwegs, auf
dem Hin- und auf dem Rückweg. Einen Sitzplatz findet sie nie. „Andere
steigen in die entgegengesetzte Richtung ein, um an der
Endhaltestelle einen Platz zu ergattern. Aber dann dauert der Weg
nochmal 15 Minuten länger.“
Die mühsamen Transportwege sind ein beliebtes Thema in der
zweitgrößten Stadt Brasiliens. Nirgendwo im Land fließt der Verkehr
so langsam wie in Rio de Janeiro: Nach offiziellen Angaben braucht
ein knappes Drittel der arbeitenden Bevölkerung über eine Stunde,
um zum Job zu gelangen.Trotzdem Busspuren geschaffen wurden und
Schnellbusse fahren, ist der Individualverkehr weiter auf dem
Vormarsch. Und der ist der Hauptgrund für die Verstopfung.
Bürgermeister Eduardo Paes versprach, dass die sportlichen
Großevents dieser Dekade eine gute Gelegenheit seien, die Lage zu
verbessern. An die 5 Milliarden Euro wurden anlässlich von
Fußball-WM 2014 und Olympischen Spielen, die am 5. August beginnen,
in Verkehrsprojekte investiert: eine neue U-Bahn-Linie, vier
Schnellbus-Trassen, zwei Straßenbahnlinien im Stadtzentrum und
mehrere neue Schnellstraßen. Doch genutzt hat der Geldsegen, der
dazu beitrug, dass die Stadt vergangenen Monat den finanziellen
Notstand ausrufen musste, wenig.
## Nicht an Nachfrage orientiert
Dass die Bauten am Ende meist doppelt so teuer waren wie geplant und
viele zudem nicht rechtzeitig fertig wurden, sind die kleineren
Probleme. Außer vielleicht bei der U-Bahn-Linie 4, die den
Olympiastadtteil Barra mit den Zentrum verbindet. Sie soll erst am 1.
August eröffnet werden. Dagegen wurden schon mehrere Klagen
eingereicht, weil sie ohne eine der sonst üblichen Testphasen direkt
in Betrieb gehen wird – und die Olympiabesucher also als
Versuchskaninchen dienen.
Juciano Martins Rodrigues vom Observatório das Metrópoles, einer
Forschungsabteilung der Bundesuniversität von Rio de Janeiro,
zieht eine verheerende Bilanz: Die fertigen Schnellbuslinien sind
schon jetzt völlig überfüllt und verursachten zahlreiche Unfälle –
angesichts der Größe der Stadt war es falsch, auf Busse statt auf
U-Bahnen zu setzen.
„Der Verkehr auf Rädern, insbesondere der individuelle, hat in
der gesamten Planung Priorität“, kritisiert der Professor für
Stadtplanung. Dagegen fehlten Investitionen in Fahrrad- und
Fußwege oder auch in den Schiffsverkehr. Geradezu dramatisch sei,
dass der Ausbau der Verkehrswege sich nicht an der Nachfrage
orientiere, sondern an den Bedürfnissen der zwei olympischen
Wochen und den Wünschen der Bewohner reicher Viertel.
Martins Rodrigues, der auch beim olympiakritischen Comitê Popular
aktiv ist, spricht von einer Elitisierung des öffentlichen
Nahverkehrs: Zum einen werden die ärmeren Stadtviertel viel
weniger angefahren, obwohl dort die Busse am vollsten sind. Zum
anderen wurden in den letzten Jahren zahlreiche Linien
eingestellt, die Armenviertel direkt mit der reichen Strandzone
verbanden. „Anstatt die notwendige Integration der
verschiedenen Stadtsegmente voranzutreiben, werden die Armen
einmal mehr ausgeschlossen“, beklagt Martins Rodrigues.
27 Jul 2016
## AUTOREN
Andreas Behn
## TAGS
Brasilien
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Öffentlicher Nahverkehr
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